Dorfen:Streit unter Zimmergenossen

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Getöteter Asylbewerber: Prozess beginnt am Dienstag

Von Mathias Weber, Dorfen

Mohamed S. ließ sich widerstandslos festnehmen. Das Messer hatte der Somalier noch in der Hand, als die Beamten der Dorfener Polizei am 21. Februar, einem Sonntag, kurz nach Mitternacht in die Flüchtlingsunterkunft am Bahndamm eilten. Im Zimmer des 38-jährigen Somaliers fanden sie einen anderen, schwer verletzten Mitbewohner. Trotz Reanimationsversuchen starb der 20-jährige Senegalese noch am Tatort. Seitdem ist Mohamed S. in Haft. Am kommenden Dienstag, 9. Augustm beginnt der Prozess gegen den Somalier vor der 1. Strafkammer des Landgerichts Landshut. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann Mord vor. Als Strafmaß ist in diesem Fall eine lebenslanger Freiheitsstrafe vorgesehen.

Der Fall scheint eindeutig. Medienberichten zufolge gab es schon früher Streit zwischen den Zimmergenossen. Der Kripo Erding zufolge, die die Ermittlungen in diesem Fall aufgenommen hatte, war eine dieser Streitereien zwischen den Männern zu einer Auseinandersetzung eskaliert, in deren Verlauf der 38-Jährige seinem Mitbewohner die tödlichen Verletzungen zufügte. Der Festgenommene gestand Tags darauf die Messerattacke. Die Frage wird nun sein, ob die Staatsanwaltschaft die besondere Schwere der Schuld nachweisen kann, dann gilt die Tat als Mord, nicht als Totschlag und eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren wäre nicht möglich. Im Raum steht das Mordmerkmal der Heimtücke: Ist der Täter unvermittelt auf sein wehrloses Opfer losgegangen? Auf jeden Fall spricht für den Täter nicht, dass er offenbar 23 Mal auf seinen Zimmernachbarn eingestochen hat. Für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) war die Tat damals "der bisher traurigste und erschreckende Höhepunkt einer besorgniserregenden Eskalation der Gewalt unter Asylbewerbern". Mehr als 80 Prozent der Delikte würden von Flüchtlingen untereinander begangen. Gewalt unter Flüchtlingen beschäftigt die Gerichte immer wieder: Ende vergangenen Jahres wurde ein Somalier, der in einer Unterkunft in Dorfen lebte und zu Besuch in einer anderen bei Landshut war, wegen versuchten Totschlags zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. In der Dorfener Unterkunft waren im Februar 35 Bewohner, vorwiegend allein stehende Männer, untergebracht - je zwei in einem Zimmer. Außer den Männern lebten in dem zweistöckigen Containerbau noch zwei Familien mit kleinen Kindern. Ehrenamtliche Mitglieder des Vereins Flüchtlingshilfe Dorfen kümmerten sich um die Bewohner und waren täglich in der Unterkunft. Der Vorsitzende der Flüchtlingshilfe, Adalbert Wirtz, sagte damals, dass ihm von Spannungen oder vorausgegangenen aggressiven Vorfällen in der Unterkunft nichts bekannt gewesen sei: "Dass es zu einer solchen Tat kommt, ist etwas, an das auch wir nicht gedacht haben. Wir sind alle erschüttert. Wir wissen nicht, wie wir mit der Angst, die eine solche Tat erzeugt, umzugehen haben." Um einen Erinnerungsort für den toten Senegalesen zu schaffen, wurde inzwischen auf Initiative der Flüchtlingshilfe eine Linde im Isenauenpark gepflanzt.

© SZ vom 06.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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