Dorfen:Stadt, Land, Autobahn

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In Dorfen wird mit Spannung erwartet, wie sich die Eröffnung der A 94 auf die Wahlergebnisse auswirkt. Amtsinhaber Heinz Grundner (CSU) tritt zum dritten Mal an und hat zwei Herausforderer

Von Florian Tempel, Dorfen

Das Überthema der bayerischen Kommunalwahlen 2020 ist das Verhältnis zwischen Stadt- und Landmenschen. In Dorfen, der Kleinstadt mit der Riesenfläche von fast 100 Quadratkilometern, treffen sie ganz konkret aufeinander, was sich auch in der großen Breite der Stadtratslisten widerspiegelt. Den Dorfenerinnen und Dorfenern stehen neun Listen mit insgesamt 202 Kandidatinnen und Kandidaten zur Auswahl. Und sicher werden wieder viele von der Möglichkeit Gebrauch machen, nicht nur ein pauschales Kreuzchen bei einer Partei zu setzen, sondern hin und her auf dem mächtig großen Wahlzettel ihre 24 Stimmen zu verteilen. Aber auch wenn die Kommunalwahl vor allem eine Persönlichkeitswahl ist, wird eines in Dorfen besonders spannend: Wie wirkt sich die Eröffnung der Isentalautobahn auf die Ergebnisse aus?

Bürgermeister Heinz Grundner (CSU) dürfte sich, aller Erfahrung nach, eigentlich relativ sicher sein, dass er nach zwölf Jahren im Amt wiedergewählt wird. Der Wähler setzt gerne auf das Bekannte. Aber was zählen solche Erfahrungswerte noch?

Bürgermeister Heinz Grundner (CSU). (Foto: Stephan Goerlich)

Bei der SPD, die die 45-jährige Realschullehrerin Simone Jell-Huber als Herausfordererin ins Rennen schickt, setzten sie darauf, dass das Thema A 94 Wirkung zeigt. Stadtrat Heiner Müller-Ermann, der wie der 2019 verstorbene SPD-Stadtrat Jakob Baumgartner eine zentrale Figur im jahrzehntelangen Widerstand gegen die Isentalautobahn war, sagte: "Ich bin fest davon überzeugt, dass sich am 15. März viele erinnern werden, wer uns die A 94 eingebrockt hat." Und Grundner sei ja doch, "der erste Dorfener Bürgermeister, der aktiv für die Autobahn war". Kandidatin Jell-Huber hält sich selbst mit klarer Kritik an Grundner eher zurück. "Ich will nicht behaupten, dass er alles falsch macht - aber man könnte vieles anders machen", sagte sie bei ihrer Nominierung. Sie wolle als Bürgermeisterin jedenfalls "mehr gestaltet, statt nur verwalten". Ob die SPD, die sich mit vielen besonderen Initiativen, wie etwa der Gründung einer Wohnungsbaugenossenschaft, hervorgetan hat, gegen den allgemeinen Negativtrend bestehen kann, ist sehr ungewiss. Aktuell hat die SPD vier Sitze im Stadtrat.

Auch Sven Krage, der Bürgermeisterkandidat der Freien Wähler, die sich in Dorfener Traditionspflege noch immer Überparteiliche Wählergemeinschaft (ÜWG), geht nicht gerade auf Konfrontationskurs zu Grundner. Der 51-jährige Vertriebsleiter eines Medizintechnik-Unternehmens setzt auf feine Nadelstiche und Seitenhiebe: Etwa, wenn er sagte, er wolle Bürgermeister der Stadt werden, da "man nur etwas verändern kann, wenn man etwas tut". Die ÜWG war früher einmal, lange ist es her, ein wichtiger Faktor in der Stadtpolitik. Derzeit ist man auf zwei Sitze zusammengeschrumpft. Programmatisch gibt Stadtrat Josef Jung die oft nicht ganz klare Richtung vor. Die ÜWG will, dass etwas gegen den B 15-Durchgangsverkehr getan wird, aber nicht unbedingt mit einer Ortsumgehung. Sie will schnell neue und größere Sportflächen aus, aber ob deswegen das Freibad geschlossen werden müsse, sei eine andere Frage.

Simone Jell-Huber, die SPD Ortsvorsitzende. (Foto: privat)

Bürgermeister Grundner, der auch Ortsvorsitzender der Dorfener CSU ist - es gibt noch einen zweiten Ortsverband im Stadtbereich, den CSU-Ortsverband Tegernbach - gibt sich als unerschütterlicher Optimist. Sein ausdrückliches Ziel ist nicht nur seine Wiederwahl, sondern auch die Zahl von aktuell sieben Sitzen für die CSU im Stadtrat auszubauen. Die Dorfener Christsozialen setzen auf klassische CSU-Positionen: Zum Beispiel, dass man Verkehrsprobleme mit mehr Straßen und Parkhäusern lösen könnte. Die CSU sieht sich auch als Wirtschaftsförderer und wenn Grundner über Wohnungsbau spricht, dann sind das für ihn "wohnwirtschaftliche Belange".

Dorfen ist zwar eine ländliche Kleinstadt ist, aber schon seit vielen Jahren sind auch die Grünen hier eine starke Kraft. Das hat mit dem A 94-Widerstand, aber auch mit vielem anderem zu tun. Die Grünen treten in Dorfen als Grün-Alternative Liste an. Auch das ist gewissermaßen Traditionspflege und weist in frühere Zeiten zurück. Zum Beispiel gibt es in Dorfen seit mehr als 40 Jahren ein selbstverwaltetes Jugendzentrum. Da die Grünen überall im Aufschwung sind, sollte es in Dorfen nicht anders sein. Und dennoch wird es - angesichts der vielen Mitbewerber - nicht leicht, die bislang drei Stadtratssitze in einem wesentlichen Maß zu vermehren.

Ein gewichtiger Faktor in Dorfen sind die vier Landlisten, die in den Außenorten großen Zuspruch haben, viel mehr als die Parteilisten. Die Landlisten haben bis zum vergangenen Jahr eine Fraktion gebildet. Zwar waren sich die einzelnen Landlisten-Vertreter keineswegs immer einig. Aber trotz ihrer Inhomogenität machten auch und gerade sie es dem CSU-Bürgermeister nicht leicht. Martin Heilmeier von der Landlisten Dorfen West und Günther Drobilitisch von der Liste Gemeinwohl Schwindkirchen sind die dienstältesten Stadträte - beide gehören dem Gremium seit 24 Jahren an -, und sie sind profilierte Gegenspieler von Bürgermeister Grundner. Das kam bei den einen in den Außenorten gut an, weil es die lokale Position im Gegengewicht zur Kernstadt festmacht. Anderen schien die Eigenständigkeit aber zu weit zu gehen. Die zwei Stadträte von der Liste Gemeindewahl Tegernbach lösten sich im vergangenen Jahr aus der Landlistenfraktion und dockten an der CSU an. Die Tegernbacher Landliste war allerdings schon immer eine verkappte Liste des zweiten CSU-Ortsverbandes im Stadtgebiet. Die Eibacher Wählergemeinschaft war zuletzt mit ihrem einzigen Stadtrat Rudolf Angermeier im Vergleich zu früher marginalisiert.

Viele hofften, dass die AfD in Dorfen nicht antreten würde. Der Widerstand gegen die rechtsradikale Partei war in Dorfen in den vergangenen Jahren stärker und ausgeprägter als irgendwo sonst im Landkreis. Doch das forderte im Gegenzug auch die AfD heraus, Präsenz zu zeigen. Mit fünf Parteimitgliedern und fünf Sympathisanten hat die AfD nun die kleinste Kandidatenliste zusammengestellt. Es ist auch die einzige Liste ohne Frauen. Programmatisch machten die Kandidaten bei der Nominierungsversammlung einen eher wirren Eindruck. Die beiden ersten auf der Liste gaben kund, dass es keine Notwendigkeit geben, etwas gegen den Klimawandel zu tun.

Beinahe hätten die Dorfener bei der Kommunalwahl sogar noch eine zehnte Liste zur Auswahl bekommen. Für die Satirepartei Die Partei wollten sieben Männer und vier Frauen, alles junge Leute, als Kandidaten antreten. Einen Bürgermeisterkandiaten sollte es auch geben. Die Partei brachte jedoch nicht die in Dorfen erforderlichen 180 Unterstützerunterschriften zusammen, um zur Kommunalwahl zugelassen zu werden. Vielleicht war den Leuten ihr Programm auch zu verrückt. Die Partei wollte "an jeder Ecke einen Bierbrunnen" und "LSD ins Trinkwasser".

CSU: Heinz Grundner, Barbara Lanzinger, Michael Oberhofer, Martin Greimel, Ludwig Rudolf, Martin Bachmaier, Hans Baumgartner, Bernd Schmidbauer-Jucha, Anton Stimmer, Peter Hackel, Franz Faltermeier, Claudia Ostermaier, Herbert Humps, Robert Kasseckert, Lorenz Fellermayer, Sophie Ostermaier, Adrian Scharl, Sabine Berger, Husseyin Aslan, Konrad Kokrehel, Michael Ostermaier, Andreas Schweiger, Florian Czech, Florian Schubert. SPD: Simone Jell-Huber, Seppo Schmid, Michaela Meister, Heiner Müller-Ermann, Yvonne Daller, Ernst Giller, Fanny Schmid, Ben Bauer, Marianne Ehrler, Joseph Kronseder, Beate Sitte, Heinz Meister, Lara Bakac, Plamen Petrov, Birgit Schickert, Heinz Eder, Esther Bubel, Christoph Zauner, Inge Asendorf, Bernd Dircks, Reni Warkalla, Sebastian Unterbichler, Sandra Fischkandl, Fritz Huber. GAL: Ursula Frank-Mayer, Gerald Forstmaier, Tiziana Duphorn, Andreas Hartl, Susanne Streibl, Manfred Groh, Susanne Holzner, Sebastian Emehrer, Simone Empl, Michael Rott, Monika Roth-Dittlmann, Stefan Weber, Veronika Dürheim-Thalmeier, Nikolaus Westenthanner, Christin Dörr, Christian Empl, Elisabeth Füssinger, Branko Pajtler, Evi Festl, Urs Ickler, Claudia Honsberg, Norbert Schertler, Hanna Ermann, Mathias Brechter. ÜWG: Sven Krage, Josef Jung, Bianka Lanzl, Andreas Mangstl, Dominik Gerbl, Stefan Eichner, Daniel Steinweber, Kilian Fischer, Walter Zwirglmaier, Stephan Hintzen, Florian Wurzer, Hans Hörmann, Bettina Kronseder, Fred Janocha, Martin Fischer, Anna Kronseder, Claudia Janocha, Stefan Schweiger, Peter Mühlhofer, Elisabeth Bauer, Maryse Albers, Martin Mannseicher, Achim Steiger, Ferdinand Zilcher. Landliste West: Martin Heilmeier, Johann Selmair, Christel Rudolph, Andrea Döllel, Sebastian Holnburger, Renate Döllel, Anton Manhart, Anton Obermaier, Johannes Selmair, Alexander Waxenberger, Alexander Heilmeier, Vitus Moser, Michael Lohmayer, Karl Haslberger, Martin Obermaier, Irene Heilmeier, Leonhard Kaiser, Isolde Freundl, Hildegard Jagla, Franz Mooser, Harald Bauer, Martin Ulric, Josef Karl Jagla, Adolf Mittermaier. Gemeinwohl Schwindkirchen: Günther Drobilitsch, Christian Elas, Sebastian Ernst, Johannes Empl, Martha Hanslmaier, Melanie Mugler, Robert Daumoser, Robert Lohmayer, Annemarie Empl, Anton Huber, Mario Viertel, Vera Tafelmeier, Stefan Irl, Korbinian Stadler, Alfred Mayerhofer, Monika Stadler, Franz Stadler, Andreas Wimmer, Monika Elas, Christine Loidl, Christa Sonnleitner, Erich Lanzinger, Peter Meindl, Stefan Mugler. Gemeindewahl Tegernbach: Josef Wagenlechner, Christian Holbl, Bertram Arendt, Georg Glockshuber, Georg Brandl, Franz Stehbeck, Martin Gruber, Christian Hagl, Florian Rössler, Barbara Schwaiger, Markus Bauer, Martin Purainer, Hans Hagl, Martin Bauer, Christian Rössler, Helmut Greimel, Martin Meindl, Josef Mayer, Nikolaus Franzl, Thomas Dukic, Michael Blasi, Sofie Blasi, Angelika Bauer, Anton Stettner. Eibacher Wählergemeinschaft: Rudolf Angermeier, Johann Winkler, Christian Unterreitmeier, Sonja Kerscher, Peter Kerscher, Rudolf Feckl, Georg Mayer, Martin Bauer, Brigitta Bauer, Michael Feckl, Gottfried Angermeier, Lorenz Irl, Gerhard Reger, Christian Wandinger, Konrad Wandinger, Georg Marsmann, Bettina Manhart, Doris Obermaier, Alfons Kistler, Günter Kiefinger, Stefan Mayer, Thomas Feckl, Stefan Haberstetter, Bernhard Kronimus. AfD: Mirko Kamolz, Martin Baade, Anton Wastl, Günter Rübner, Martin Braun, Helmut Fessler, Robert Attenberger, Robin Stefani, Johannes Braun, Sebastian Melnytschuk.

© SZ vom 07.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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