Ein Fahrrad, sagt das Lexikon, ist ein Landfahrzeug mit zwei Rädern, das mit Muskelkraft durch das Treten von Pedalen angetrieben wird. Ein Fahrrad, sagt Anton Rotteneicher, ist auch ein bisschen Freiheit.
Rotteneicher arbeitet für die Flüchtlingshilfe in Dorfen, wo gerade nach Auskunft des Landratsamtes 122 Asylsuchende untergebracht sind. Nun ist für die Geflüchteten in Dorfen vieles zu Fuß erreichbar, doch um das Umland zu erkunden, mobil zu sein, ist ein Fahrrad notwendig. "Es ist auf Dauer frustrierend, wenn man nicht arbeiten darf und an einen Bereich gebunden ist", erklärt Rotteneicher. Etwa 30 stehen gebliebene oder leicht beschädigte Räder haben die Dorfener Flüchtlingshelfer bislang gespendet bekommen und repariert. Am Montag kamen aus einer privaten Spende wieder vier neue hinzu, aber es kamen auch 13 Flüchtlinge an, am Donnerstag werden laut Flüchtlingshilfe neun weitere erwartet. Viele der Asylsuchenden in Dorfen sind junge Afrikaner, Senegalesen und Somalis. "Die Jungs sind von den Fahrrädern begeistert, sind stolz und sausen gleich los", sagt Rotteneicher. Allerdings: "Sie fahren nicht immer, wie es den Vorschriften entspricht." Und das ist nicht ganz ungefährlich.
Die Politik habe bereits angemahnt, dass es auch Gefahren berge, die mit der Straßenverkehrsordnung nicht vertrauten Flüchtlinge mit einem Fahrrad auszustatten. Das Fahrradfahren, sagt Rotteneicher, könnten Flüchtlingshelfer und Sozialarbeiter noch lehren, auf Gefahren hinweisen auch. Doch wirklich die Verkehrsregeln unterrichten, fand Rotteneicher, das sollte die Polizei übernehmen, auf Verkehrsübungsplätzen wie bei Viertklässlern üblich. Dafür zuständig ist die Erdinger Polizei, also sprach er mit Polizeioberkommissar Johann Leininger. Der sagt: "Ich würde das sehr gerne machen." Allerdings sei das Projekt "gerade noch ein bisschen in der Schwebe. Es gilt noch ein paar Probleme zu lösen.
Ein geeigneter Ort ist mit dem Verkehrsübungsplatz am Dorfener Volksfestplatz gefunden, allerdings ist der an den zuerst geplanten Terminen am 3. und 4. August von den Aufbauarbeiten für das Dorfener Volksfest belegt. Nun sollen die Kurse im September stattfinden. Bis dahin müssen die Dorfener Flüchtlingshelfer noch die Versicherungsfrage klären, denn die Geflüchteten sind nicht haftpflichtversichert, woran ein ähnliches Vorhaben laut Leininger vor zwei Jahren scheiterte. Die Gespräche mit Versicherern liefen jedoch, sagt Rotteneicher, er ist zuversichtlich.
Die Dorfener Initiative ist nicht die erste ihrer Art in Bayern, aber dennoch selten genug, dass die bayerische Landesregierung positiv überrascht ist. Eine Sprecherin lobt das ehrenamtliche Engagement, eine Förderung sei allerdings nicht geplant: "Der Freistaat leistet seinen Beitrag über die Asylsozialberatung."
Offensichtlich ist der Beitrag nicht ganz ausreichend. Denn die Polizei im Landkreis hat zwar noch keine Unfälle mit der Beteiligung radelnder Flüchtlinge registriert, hält die präventiven Maßnahmen aber für notwendig. "Wir mussten nicht lange überlegen", sagt Bodo Urban, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion Erding. Vorfahrtsregelungen an Kreuzungen müssten erklärt, außerdem auf die richtige Beleuchtung am Fahrrad hingewiesen werden. Oberkommissar Leininger sagt, er würde für einen Termin im September wohl seinen Urlaub unterbrechen, er freut sich und ist gespannt: "Ich habe so was ja auch noch nicht gemacht." Leininger soll Dolmetscher zur Seite gestellt bekommen, ansonsten helfen Schulenglisch und Körpersprache. Zwei Stunden müssten reichen, glaubt er. "Und dann fahren wir noch ein paar Runden durch Dorfen."