Dorfen:Millionengrund

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Die Stilllegung des Dachziegelwerks Meindl ist offiziell konjunkturbedingt. Es gibt aber auch eine andere Erklärung: Der Betrieb musste schließen, um mit der Grundstücksverwertung 40 Millionen Euro Kartellstrafe zu kompensieren

Von Florian Tempel, Dorfen

Nach der offiziellen Darstellung der Muttergesellschaft Creaton AG ist das Dachziegelwerk Meindl in Dorfen im vergangenen Jahr "aufgrund der kurz- und mittelfristig ungünstigen Absatzchancen" geschlossen worden. Es gibt aber auch eine ganz andere Erklärung: Die Werkschließung erscheint demnach als mittelbare Folge illegaler Absprachen mehrerer Dachziegelfirmen, die das Bundeskartellamt vor neun Jahren aufgedeckt hatte. Nach einem langwierigen Prozess musste Creaton 2015 deshalb knapp 40 Millionen Euro Bußgeld zahlen. Den größten Teil streckte die Etex Holding vor, der die Creaton AG gehört. Es ist daher ein nahe liegender Gedanke, dass die Etex Holding als Kompensation für die Millionenzahlung die Verwertung des Meindl-Areals forderte - wozu das Werk geschlossen und 90 Mitarbeitern gekündigt werden musste.

Das Meindl-Gelände ist mit 225 000 Quadratmeter sehr groß und sehr viel wert. Auf der Hälfte des Areals direkt südlich der Bahngleise und unweit des Dorfener Bahnhofs könnte ein neues Wohnviertel entstehen. Bürgermeister Heinz Grundner (CSU) nennt die Industriebrache eine "Konversionsfläche", und auch Stadträte haben schon eine Menge Ideen und Wünsche: Da müssten Sozialwohnungen hin und Genossenschaftsbauten. Was sagen die Eigentümer dazu, und was haben sie überhaupt mit dem Grundstück vor? Sie sagen, es sei "alles im Schwung", und ansonsten gebe man "keine Auskunft".

Eigentümer des Meindl-Geländes ist die Etex Holding GmbH, eine von weltweit 116 Tochterunternehmen des internationalen Baustoffkonzerns Etex Group mit Hauptsitz in Belgien. 2003 beginnt die Etex Holding in Deutschland eine Einkaufstour von Dachziegelfirmen. Zunächst kauft man 2003 die Pfleiderer GmbH, über die man 2005 die Firma Meindl in Dorfen erwirbt. Kurz darauf kommt noch die Creaton AG dazu, die dann von 2007 an als Mutterunternehmen von Meindl auftritt. Gleichwohl ist die Creaton selbst nur eine Tochtergesellschaft, alle Stammaktien gehören der Etex Holding. Und, ganz wichtig: Das Meindl-Gelände gehört nicht der Creaton, sondern bleibt im Besitz der Etex Holding.

Im Sommer 2006 verabreden Manager mehrere Dachziegelfirmen wettbewerbswidrige Absprachen, die das Bundeskartellamt bald darauf aufdeckt. Ende 2008 werden Geldbußen in Höhe von 188 Millionen Euro verhängt. Die Creaton soll 66 Millionen Euro zahlen, Pfleiderer 28 Millionen Euro und die Etex Holding 18 Millionen Euro - alles zusammen wären das 112 Millionen Bußgeld für den Etex Konzern. Die Unternehmen legen Einspruch beim Oberlandesgericht Düsseldorf ein. Der Prozess dauert viele Jahre und endet erst im Juni 2015. Etex kommt deutlich besser weg, es bleibt letztlich bei 39,9 Millionen Euro Bußgeld für die Creaton AG. Der Etex Konzern profitiert unter anderem davon, dass er zwischenzeitlich seine Etex Holding mit der Pfleiderer GmbH verschmolzen hat. Es ist eine Gesetzeslücke, dass sich Firmen innerhalb eines Konzerns durch interne Umstrukturierungen einer Bußgeldzahlung entziehen können.

Die enormen Bußgeldzahlungen belasten im Jahr 2015 die Bilanz der Creaton AG ganz massiv. Unterm Strich steht da ein extremer Gesamtverlust von 51,1 Millionen Euro. Die Creaton trifft das enorme Defizit dennoch nicht wirklich hart. Seit 2007 gibt es einen sogenannten Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag mit der Etex Holding. In guten Jahren bekam diese den Gewinn der Creaton AG, nun muss sie den kompletten Jahresverlust 2015 in Höhe von 51,1 Millionen übernehmen.

Dafür hat aber auch die Etex Holding noch einen Trumpf in der Hand, das wertvolle Meindl-Gelände in Dorfen. Kaum ist die Bußgeldzahlung rechtskräftig, gibt die Creaton auch schon die Schließung des Dorfener Meindl-Werks bekannt. Die Etex Holding kann nach der Werksschließung nun die Verwertung des Riesengrundstücks auf den Weg bringen und könnte so in den kommenden Jahren die verloren gegangenen Millionen wieder einspielen.

© SZ vom 07.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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