Dorfen:Mammuteinsatz für einen Minilohn

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Marianne Ehrler leitet das Dorfener Zentrum für Integration und Familie. Die 72-Jährige zieht sich zurück - und damit hat die Einrichtung ein Riesenproblem. Wer künftig die Geschäfte führen soll, wird sich nicht mit 450 Euro begnügen

Von Florian Tempel, Dorfen

Die Gründerin und Leiterin des Dorfener Zentrums für Integration und Familie (DZIF), Marianne Ehrler, arbeitet sehr viel, mindestens 50 Stunden pro Woche. Im vergangenen November, bei der Hauptversammlung des Trägervereins des Zentrums, hat sie angekündigt, "dass es so nicht weiter gehen kann". Nicht nur, weil Ehrler im Sommer 73 wird, sondern weil das Zentrum sich aus einer ehrenamtlichen Vereinsinitiative zu einer Bildungseinrichtung entwickelt hat, die auf Dauer eine hauptamtliche Führung braucht. Doch das ist ein Riesenproblem: Jemanden, der künftig die Geschäfte des Zentrums leiten soll, wird das nicht wie Ehrler für einen Minijob-Lohn von 450 Euro im Monat tun, sondern nur für ein anständiges Gehalt. Wenn es jedoch nicht gelingen sollte, die Leitung des DZIF als echte Vollzeitstelle zu finanzieren, wird es das Zentrum bald nicht mehr geben.

Die Bedeutung des Dorfener Zentrums ist kaum infrage zu stellen. "Sprache ist der Schlüssel zur Integration", lautet das Motto des DZIF. Das hat man so oder ganz ähnlich auch von Politikern schon oft gehört oder gelesen: Das Erlernen der deutschen Sprache sei wichtig für den "Zugang zum Arbeitsmarkt", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel im vergangenen Oktober. "Die beste Integration ist Sprache, Ausbildung und Arbeit", sagte Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) im September. "Für alle gilt: Das Erlernen der deutschen Sprache ist das A und O", sagte die bayerische Sozialministerin Emilia Müller (CSU) zur gleichen Zeit.

Im Dorfener Zentrum an der Siemensstraße laufen aktuell fünf Integrationskurse für Migranten mit einer festen Aufenthaltserlaubnis in Deutschland. Drei am Vormittag, zwei am Abend, jeder mit einem Umfang von 660 Stunden. Die Kurse werden zum größten Teil vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) finanziert, die Teilnehmer zahlen einen kleinen Eigenbeitrag. Am Ende sollten die jeweils 16 bis 18 Kursteilnehmer so gut Deutsch können, dass sie sich erfolgreich für einen Arbeitsplatz bewerben können. Für Teilnehmer mit kleinen Kindern gibt es während der Unterrichtszeiten eine Kinderbetreuung im Dorfener Zentrum.

Neben den Integrationskursen finden am DZIF auch Sprachkurse für Flüchtlinge statt. Fünf solcher Kurse gab es im vergangenen Jahr. Aktuell läuft ein Sprachkurs sowie ein Alphabetisierungskurs, vier weitere Kurse sind aber schon wieder in Planung. Finanziert werden diese Kurse aus einem Topf der Volkshochschule des Landkreises Erding, in den die 26 Kommunen pro Einwohner einen Euro einzahlen.

Die Räume an der Siemensstraße reichen für so viele Kurse nicht mehr aus. Das DZIF wird den nächsten Vormittagskurs im Schulungsraum der Freiwilligen Feuerwehr Dorfen halten. Für die Flüchtlinge, die bald im ehemaligen Ausflugslokal Stiller in Lindum einquartiert werden, wird es einen eigenen Schulungsraum geben. Die Lehrkräfte werden nach Lindum fahren und dort Unterricht geben.

Marianne Ehrler bei einem Besuch von Thomas Benz, der sie im Namen der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft zu ihrer Arbeit beglückwünscht. (Foto: privat)

Neben den Kursen für Erwachsene hat das DZIF auch Angebote für Kinder: An der Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe für ausländische Grund- und Mittelschüler nehmen regelmäßig etwa 20 Kinder teil. Die Angebote für die Kinder werden vollständig von Ehrenamtlichen geleistet. Fünf Frauen teilen sich die tägliche Kleinkinderbetreuung, sechs Frauen und zwei Männer sind in der Hausaufgabenbetreuung aktiv, die Nachhilfe haben acht Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Dorfen übernommen.

Für die Erwachsenen-Kurse gibt es am Dorfener Zentrum fünf vom Bamf zugelassene Lehrkräfte, zwei weitere werden bei den Sprachkursen für Flüchtlinge eingesetzt. Die Deutschlehrer erhalten auf Honorarbasis 20 Euro pro Unterrichtseinheit von 45 Minuten. In der Verwaltung des Zentrums arbeiten neben Ehrler noch vier Frauen für Minigehälter. Der Papierkram insbesondere für die Integrationskurse "ist außerordentlich groß", sagt Ehrler.

Von der Stadt Dorfen erhält das DZIF im Jahr etwa 7000 Euro an Zuschüssen, um die Miete und einen Minijob in der Verwaltung bezahlen zu können. Ein paar Tausend Euro kommen über die Beiträge der circa 80 Vereinsmitglieder rein. Ohne weitere Spenden reicht aber das alles noch nicht. Wie soll das Zentrum eine hauptamtliche Geschäftsleitung bezahlen? Ehrler hat keine Lösung parat. "Wir sind dran", sagt sie, Gespräche mit Kommunalpolitiker seien in Vorbereitung.

© SZ vom 27.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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