Diskussion im Stadtrat:Die Namen des Widerstands

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Dorfen will mit Straßenbezeichnungen in neuem Baugebiet an die Kämpfer erinnern

Von Florian Tempel, Dorfen

Es ist das erste großen Baugebiet in Dorfen seit Jahren. Der Bebauungsplan für das Wohngebiet "An der Mühlleite" ist fertig. Bis der südwestliche Hang am Hügel Richtung Hampersdorf bebaut werden kann, wird allerdings noch etwas Zeit vergehen. Ein halbes Jahr braucht es, bis die etwa sechzig Parzellen für Einzel- und Doppelhäuser amtlich vermessen sind und die Vermarktung starten kann. Die Frage, welche Namen die beiden neuen Straßen im Wohngebiet erhalten, ist deshalb nicht eilig. Der Bauausschuss kann und will sich Zeit damit lassen. Eine grundsätzliche Entscheidung hat er zwar schon getroffen: Die Straßen sollen nach NS-Widerstandskämpfern benannt werden. Diese Idee hat Stadträtin Doris Minet (ÜWG) eingebracht. 70 Jahre nach dem Ende des mörderischen Naziregimes habe man "einen geeigneten Anlass, auch in Dorfen Straßen und Wege Widerstandskämpfer zu widmen, damit sie und ihr Mut, gegen Unrecht aufzustehen, nicht vergessen wird", schreibt sie in ihrem Antrag. Dem stimmten alle im Bauausschuss vertretenen Stadträte zu.

Doch der Vorschlag Minets, die Straßen nach weit bekannten Widerstandskämpfern wie Dietrich Bonhoeffer, Georg Elser, Sophie Scholl oder Pater Rupert Mayer zu benennen, stieß nicht auf sofortige und einhellige Zustimmung. Der Dorfener Lokalhistoriker Franz Streibl hatte in einem Schreiben an den Stadtrat einen anderen Ansatz formuliert: Die von Minet vorgeschlagenen Persönlichkeiten seien zwar "sicher leuchtende Beispiel des Widerstands gegen das NS-Regime in Deutschland". Doch "solche Straßen gibt es in jeder Stadt". Es gebe jedoch auch in Dorfen "unsere eigenen Persönlichkeiten, die sich bei uns genau so tapfer gegen das NS-Regime gewehrt haben und auch für ihre Haltung Gefängnis, KZ und so weiter auf sich genommen haben". Er plädiere deshalb dafür, die neuen Straße nach Menschen zu benennen, die einen Bezug zu Dorfen haben. Auch wenn sie bislang nur wenigen bekannt seien, rege gerade das dazu an, sich einem Stück lokaler Geschichte zuzuwenden.

Minet verteidigte ihre Vorschläge mit dem Argument, dass Namen weithin bekannter NS-Gegner ihrer Ansicht nach stärker wirkten als Namen von Menschen, die kaum jemand kennt. Ulrike Frank-Mayer (GAL) gab zu bedenken, dass Elser, Scholl und Mayer in München aktiv waren und dass München keineswegs sehr weit von Dorfen entfernt sei. Insofern gebe es zumindest einen regionalen Bezug.

Streibl hat in seinem Schreiben an die Stadt vier Namen genannt: Den katholischen Geistlichen Georg Grein, der wegen seiner kritischen Predigten 1943 zu zehn Monaten Haft verurteilt wurde, Pfarrer Hermann Mencke, den die Nationalsozialisten ebenfalls zehn Monate in Haft steckten; Joseph Hübler, der als Zeuge Jehovas, von den Nazis massiv unter Druck gesetzt wurde, und Pfarrer Carl Graf, der eine Woche in sogenannte Schutzhaft genommen wurde. Im Gespräch mit der SZ wies Streibl auf weitere Persönlichkeiten hin, die nicht in seinem Brief standen, die aber auch in Frage kämen: Zum Beispiel der in Dorfen geborene und aufgewachsen Karl Wastl, der als Kommunist und Gewerkschafter in Bremen intensiv gegen das Naziregime kämpfte, sechs Jahre im KZ Sachsenhausen überlebte und noch dort an Widerstandsaktionen beteiligt war. Wastl war in der Stadt gänzlich unbekannt, bis der Dorfener Hans Elas erst im vergangenen Jahr eine 2012 geschriebene Biografie über ihn entdeckte.

Die Entscheidung zu treffen, wer Namenspatron der Straßen im Wohngebiet "An der Mühlleite" wird, ist keine leicht zu lösende Aufgabe. Heiner Müller-Ermann (SPD) machte einen Vorschlag. Die Stadträte brauchen mehr Informationen zu den lokalen Persönlichkeiten und ihrem Wirken in der NS-Zeit, bevor sie eine Auswahl treffen können. In einer der kommenden Sitzungen werden deshalb die Biografien der von Streibl genannten vorgestellt.

Muss der Stadtrat am Ende überhaupt zwischen überregional bekannten und Widerstandskämpfer mit lokalem Bezug auswählen? Möglich wäre auch, beides gleichzeitig zu tun: Mit den Straßenbenennungen ein für jeden sofort erkennbares Zeichen zu setzten und auch einen Dorfener zu würdigen - das Baugebiet bekommt zwei neue Straßen.

© SZ vom 03.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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