Der Verband klassifiziert die Partie als "High-Risk-Spiel":Schuften für die Historie

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Sascha Mölders traf gegen Illertissen zwei Mal. Am Ende gewinnen die Löwen 5:0 – ein Ergebnis, mit dem Dorfens Trainer Michael Kostner leben könnte. Mehr Gegentore sollen es aber nicht werden. (Foto: Renate Feil/M.i.S.)

Im Toto-Pokal bestreitet der TSV Dorfen gegen 1860 München das größte Pflichtspiel der Vereinsgeschichte. Nie war der Aufwand höher, nie der Gegner größer. 1860 wäre nicht der erste Favorit, der in Dorfen strauchelt

Von Max Ferstl, Dorfen

Vielleicht wäre es keine schlechte Idee, wenn die Fußballer des TSV Dorfen in diesen Tagen beim Wailtl-Tor vorbeischauen, dem historischen Stadttor. Von so einem Tor lässt sich einiges lernen, zum Beispiel, dass Gefahr nicht zwangsläufig durch Größe entsteht. So wurde das Wailtl-Tor - Höhenbegrenzung: drei Meter - in der Vergangenheit häufig großen Lastwagen zum Verhängnis. Sie ramponierten das Gemäuer, blieben manchmal stecken. Das Wailtl-Tor bremst, weil es klein ist.

Dieses Wissen könnte sich am kommenden Dienstag, 18 Uhr, als nützlich erweisen. In der zweiten Runde des Toto-Pokals empfängt der TSV Dorfen, ein eher kleiner Bezirksligist, den großen TSV 1860 München. Historisch ist die Partie schon jetzt - unabhängig davon, ob die Löwen überraschend ausbremst werden: "Es ist das größte Pflichtspiel unserer Vereinsgeschichte", findet Bernd Schmidbauer, Präsident des TSV Dorfen.

Das liegt in erster Linie am Gegner. Die Münchner Löwen, kürzlich öffentlichkeitswirksam aus der zweiten Liga in die Viertklassigkeit abgestürzt, gelten weiterhin als große Nummer im deutschen Fußball gilt. Besonders in Dorfen, wo viele Sechziger-Fans wohnen und die Gegner üblicherweise Ampfing oder Kolbermoor heißen. Das größte Spiel der Vereinsgeschichte bringt den Verantwortlichen allerdings auch: die historisch größte Menge an Arbeit. Am vergangenen Montag, beim großen Organisationstreffen, hatte der Bayerische Fußballverband einen dicken Auflagenkatalog präsentiert.

Der Verband klassifiziert die Partie als "High-Risk-Spiel". Das klingt wilder als es ist, betont Schmidbauer. Es gehe eher um die Größe des Spiels, nicht etwa um Rivalität. Als die Löwen kürzlich in Buchbach spielten, reisten auch zahlreiche Dorfener an. Trotzdem: Innerhalb weniger Tage musste ein umfangreiches Sicherheitskonzept her. Am Freitagnachmittag gab es eine große Konferenz mit Polizei, Sicherheitsdienst und Feuerwehr. Das Ordnungsamt erteilte die Freigabe: "Alle Auflagen erfüllt", bestätigt Schmidbauer. Zum Beispiel müssen die Fans auf der Tribüne blockweise aufgeteilt werden. 250 Ultras, die Hartgesottenen der Sechzig-Fans, kommen in einen eigenen Bereich.

Das Problem: Der TSV Dorfen besitzt keine Tribüne. Gerüstbauer waren auf die Schnelle auch nicht aufzutreiben. Da bot der ESC Dorfen kurz entschlossen seine Tribüne an. "Die Kooperation hat hervorragend funktioniert", findet Schmidbauer. Ein Statiker hat die Konstruktion durchgerechnet und für sicher befunden. Nun können 2 500 Menschen das Spiel sehen, 620 Plätze bekommen die Löwen. Die Karten gingen am Donnerstagmittag in den Verkauf, nach 40 Minuten gab es keine einzige mehr. "Der Andrang war enorm", sagt Schmidbauer. Überraschend kam das eher nicht. "Viele werden so ein Spiel vielleicht nie mehr haben", sagt Michael Kostner.

Wenn Dorfens Trainer in diesen Tagen das Vereinsgelände betritt, hört er immer dieselbe, euphorische Geschichte. Sie lässt sich in einem Wort erzählen: "Sechzig". "Ich höre überall Sechzig." Kostner versucht wegzuhören, sich auf Samstag (16 Uhr) zu konzentrieren. Da wartet in der Liga mit Aufsteiger Reichertsheim eine knifflige Aufgabe. Kostner kann nicht verhindern, dass einige schon weiter denken. Er versucht, mit gutem Beispiel voranzugehen: "Über die Strategie gegen Sechzig habe ich mir noch keine Gedanken gemacht." Naja gut, ein paar vielleicht schon.

Kostner will die Defensive stärken, indem er eine Vierer- statt der üblichen Dreierkette anordnet. Er sagt: "Wenn du nach vorne stürmst, bekommst du hinten zehn." Höchstens fünf Gegentore, "das wäre in Ordnung". Deshalb sollen die Räume für die Löwen so eng werden wie das Wailtl-Tor für Lastwagen. Sie wären nicht der erste Favorit, der in Dorfen stecken bleibt.

Vor vier Jahren blamierte sich hier der TSV Buchbach mit einem 0:1 im Toto-Pokal. Vor kurzem ereilte Wacker Burghausen dasselbe Schicksal: Tapfere Dorfener rangen den Regionalligisten im Elfmeterschießen nieder. "Wir hatten einen sehr guten Tag, Burghausen nicht", sagt Kostner. Er weiß, dass solche Tage selten sind. Dass es sehr wahrscheinlich nicht reichen wird, auch wenn Löwen-Trainer Daniel Bierofka wohl einige Spieler schonen dürfte. Dass die Löwen, anders als Burghausen, gerade einen guten Lauf haben. Am Donnerstag fegten sie Illertissen mit 5:0 aus dem Stadion. Unterschätzen will der Große den Kleinen aber nicht: "Da wird es eine Ansage geben, dass wir auf dem Boden bleiben sollen", sagte Abwehrmann Christian Köppel, Torschütze des 5:0. "Ab morgen wird wieder gearbeitet für das Pokal-Spiel gegen Dorfen. Heute können wir ein bisschen feiern, aber ohne Alkohol."

Was Köppel vermutlich nicht weiß: Dorfen hat 1860 schon einmal vor unerwartete Probleme gestellt: Vor fünf Jahren fuhr die zweite Mannschaft durch Dorfen zum Auswärtsspiel nach Buchbach. Plötzlich stand der wuchtige Mannschaftsbus vor dem ziemlich kleinen Wailtl-Tor. Der Fahrer zögerte. Minuten vergingen, schließlich traute er sich. Die Sache ging gut - aber es war ziemlich knapp.

© SZ vom 19.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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