Erding:Banger Blick auf die Wohnungsmisere

Lesezeit: 3 min

Der Wohnungsbau ist wegen der hohen Baukosten und Kreditzinsen zurückgegangen. (Foto: Marcus Brandt/dpa)

Hohe Kreditzinsen, Grundstückspreise und Baukosten, zu viele Vorschriften: CSU-Wirtschaftsempfang fordert "Neujustierung der Rahmenbedingungen" durch die Politik.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Wie kann der Zuzugs-Landkreis Erding der Herausforderung, genügend bezahlbare Wohnungen zu haben, begegnen? Darauf versuchte der Wirtschaftsempfang der CSU am Montagabend Antworten zu geben. Dass es nicht "die" eine Lösung gibt, wurde schnell klar. Das Thema ist zu komplex und alle Akteure im Bauwesen - von den Unternehmern bis hin zur Politik - müssen gemeinsam dafür Sorge tragen, Veränderungen anzustoßen und umzusetzen. "Wenn wir zusammen halten, werden wir das bestimmt nicht leichte Jahr meistern", sagte Erdings Oberbürgermeister Max Gotz (CSU). Diese Zuversicht teilten nicht alle geladenen Gäste.

Dazu trugen auch die Zahlen bei, die Hans Maier, Direktor des Verbands bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW), vorstellte. Der VdW Bayern hat 502 Mitglieder, darunter 356 Wohnungsgenossenschaften und 107 kommunale Wohnungsunternehmen mit 196 351 Wohnungen im Bestand - mit einer Durchschnittsmiete von 7,70 Euro je Quadratmeter, wie Maier sagte. Der VdW sei für die Menschen da, die am freien Wohnungsmarkt aus finanziellen Gründen nichts bekommen.

Das größte Problem sei, dass Bayern, und damit auch der Großraum München mit Erding, ein Zuwanderungsland bleibe. Die Zuwanderung sei andererseits wichtig wegen der Arbeitskräfte - und um der demografischen Entwicklung begegnen zu können. Um den stetigen Einwohnerzuwachs mit Wohnungen versorgen zu können, wäre bis 2040 der Bau von 460 000 neuen Wohnungen notwendig, so der Verbandsdirektor. Die Realität sei aber, dass der Wohnungsbau 2022 in Oberbayern gegenüber 2021 leicht zurück gegangen sei. Die Zahl der Baugenehmigungen sei im ersten Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahr sogar um 28,9 Prozent gesunken.

"Für viele Leute ist das eigene Heim nicht mehr finanzierbar"

Gründe dafür seien einmal die Baukosten und dazu die höheren Darlehenszinsen, so Maier. "Für viele Leute ist das eigene Heim nicht mehr finanzierbar." Wenn man preisgünstige Wohnungen haben wolle, gehe es nur über entsprechende Förderungen. Wege aus der Baukrise würden einen "Neujustierung der Rahmenbedingungen" für Bauen durch die Politik notwendig machen, zum Beispiel über das Steuerrecht, eventuell durch höhere Abschreibungen oder geringere Umsatzsteuer über einen begrenzten Zeitraum, damit die Refinanzierung zumindest eine "Schwarze Null" ergebe. Alle Akteure müssten ihre Anstrengungen leisten, die Firmen zum Beispiel durch die Schaffung von Wohnungen für ihre Mitarbeiter.

Die Unternehmen seien durchwegs gewillt, für ihre Mitarbeiter Wohnraum zu schaffen, sagte IHK-Vizepräsidentin Ingrid Obermeier-Osl bei der anschließenden Podiumsdiskussion. Nur so könnten sie im Wettbewerb um Fachkräfte bestehen. "Fachkräftemangel hängt zu 100 Prozent mit dem Wohnungsmangel zusammen." Neue Mitarbeiter würde man nur noch über den Zuzug gewinnen und halten können. Auch Andreas Eisele, Geschäftsführender Gesellschafter des Landesverbands des Bundesverbands freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), stimmte dem zu. Die Probleme seien allen bekannt: Zinsanstieg, die lange Zeit bei den Genehmigungsprozessen, Kostensteigerung bei den Baustoffen und den Bauleistungen.

Einig waren sich alle Diskutanten, dass das Baurecht "entschlackt" werden müsse. Einig war man sich auch, dass es wenig Hoffnung gibt, dass dies in den nächsten Jahren passiert.

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Dass die Baugenehmigungen um fast 30 Prozent zurück gegangen sind, schockierte Monika Schmid-Balzert, Geschäftsführerin des Landesverbands Bayern des Deutschen Mieterbunds (DMB). Das werde sich in der Zukunft entsprechend auswirken durch höhere Mieten, wenn das Gut Wohnung noch knapper werde. "Das ist für die Menschen eine Katastrophe, die gerade eben nicht den dicken Geldbeutel haben. Ich sehe für die Mieter momentan kein Licht am Horizont."

Ein Schlüssel für die hohen Baukosten in der Region München sind nach Meinung von Natalie Schaller, Geschäftsführende Gesellschafterin der Stattbau München GmbH, die hohen Bodenpreise. Für sie haben die Kommunen das Heft des Handelns in der Hand, um langfristig die Wohnkosten zu senken. Sie dürften Grundstücke nicht zu Höchstpreisen verkaufen, sondern konzeptorientiert, sollten verdichtetes Bauen fördern und "Gemeinwohl orientierte Akteure an den Start bringen", zum Beispiel Genossenschaften.

OB Gotz sprach von einer "Ohnmacht der kommunalen Familie"

Dass dies vor allem in Sachen Grundstückspreise nicht so einfach ist, sagte OB Max Gotz. Die Gemeindeordnung verbiete deutlich billigere Preise. Dabei liege ein Problem in der Erstellung der Bodenrichtwertliste selber, wie Gotz sagte. Einzelne hohe Kaufpreise für ein kleines Stück Grund könnten zu einem viel höheren Durchschnittwert führen und die realen Kosten für den Quadratmeter verfälschen. "Unter einem Verkaufswert der Bodenrichtwertliste werden wir aber nicht weiter kommen." OB Gotz sprach von einer "Ohnmacht der kommunalen Familie".

Auch bei den Werkswohnungen würden den Unternehmen Hindernisse in den Weg gelegt, wurde geklagt. "Es gibt keinerlei Förderung einerseits, andererseits muss der Unternehmer das Steuerrecht, das Baurecht und auch das Mietrecht berücksichtigen", sagte Ingrid Obermeier-Osl. "Dabei wandert man juristisch immer auf einem Grat." Zum Beispiel dürfe man Wohnungen dann nicht günstiger vermieten, als im Schnitt der Mieten in der Umgebung. Damit sei der Sinn einer Mitarbeiterwohnung konterkariert. Eine Alternative sei die Zusammenarbeit mit Immobilienpartnern.

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