Bildung:Unverzichtbar

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Brücke bilanziert Sozialarbeit an Erdinger Grundschulen

Von Antonia Steiger, Erding

Kinder gehen mit anderen Kindern nicht zimperlich um. Sie schlagen sich, sie streiten und sie grenzen sich aus. Kinder tragen noch viel mehr Probleme mit sich herum: Sie leiden unter schulischem Druck, sie spüren vielleicht familiäre Schwierigkeiten oder finanzielle. Ob Gewalt, Mobbing, Tod, Überforderung oder Leistungsdruck: Kinder sind vielen belastenden Einflüssen ausgesetzt. Damit sie etwas besser damit umgehen lernen und damit die Schule nicht zum größten Problem wird, gibt es in Erding seit 2010 die Schulsozialarbeit. Einmal im Jahr will der Stadtrat sich darüber berichten lassen. Dieses Mal erfuhr er: Die Mechanismen haben sich gut eingespielt, doch die Sozialpädagoginnen und -pädagogen sind unentbehrlich - vor allem für die Schüler. Mit 686 Gesprächen an allen sechs Grundschulen im Jahr 2018 stellten die Schüler die bei weitem größte Gruppe dar, die sich an die Schulsozialarbeit wendet. Auch Lehrer und Eltern suchen den Austausch, aber in geringerem Umfang: 127 Mal wollten Eltern ein Gespräch, 301 Mal bat ein Lehrer um eine Beratung. "Wir wissen, was wir an Ihnen haben", sagte OB Max Gotz (CSU).

Die Stadt Erding gibt jedes Jahr eine Stange Geld aus für die Schulsozialarbeit: Sie zahlt 126 000 Euro an die Brücke Erding als Träger der Schulsozialarbeit. Die Stadt bekommt dafür keine Förderung, denn sie hat das Angebot eingeführt, bevor man in einem bayerischen Ministerium gemerkt hat, wie wichtig diese Arbeit ist. Erding müsste ein Jahr aussetzen, dann neu starten und dann einen Zuschuss beantragen, aber die Erdinger Stadtpolitik will kein einziges Jahr auf die Unterstützung der drei Schulsozialarbeiter Andrea Hecht, Carolin Kohls und Sebastian Wilfer verzichten.

Wie Hecht in ihrem Vortrag sagte, liegt der Schwerpunkt der Schulsozialarbeit an den Erdinger Grundschulen in der Prävention. Dazu werden Klassentrainings abgehalten, Streitschlichter werden ausgebildet, und es gibt weitere Themen, die in Kleingruppen bearbeitet werden, zum Beispiel Regeln und Grenzen, Basteln und Bauen, Jungen- und Mädchengruppen. Und es gibt auch eine interkulturelle Spielgruppe für deutsch- und nichtdeutschsprachige Kinder. Neben der Prävention sind die Beratung und die Intervention die Eckpfeiler der Schulsozialarbeit. Beratungen für Eltern, Schüler und Lehrer und Interventionen, wenn es dann wirklich Schwierigkeiten gibt bei akuten Krisen oder wenn das Jugendamt eingeschaltet werden muss.

Zu den 1114 Beratungsgesprächen, die die Brücke im Jahr 2018 an den sechs Erdinger Grundschulen registrierte, kamen "mindestens zehnmal so viele", wie Hecht sagte, die zwischen Tür und Angel mit Schülern, Lehrern und Eltern stattfanden. Ein spezielles Thema sei der "sehr hohe Druck", der auf den Kindern in der vierten Klassen laste aufgrund der Anforderungen für den Übertritt in eine weiterführende Schule. Eltern würden sich aber auch darüber austauschen wollen, wie sie die Mediennutzung ihrer Kinder reduzieren könnten.

"Handys haben die Kinder mittlerweile von Anfang an", sagte Kohls. Viele hätten auch Whatsapp, obwohl das in ihrem Alter noch gar nicht erlaubt sei. Oft merkten die Kinder sogar selber, dass sie überfordert seien, zum Beispiel wenn es in Grundschulen schon Klassenchats gebe. "Oft sind dann am nächsten Morgen 500 Nachrichten eingelaufen", sagte Kohls. Ihre Aufgabe sei es, Regeln zu erarbeiten, denn: "Kinder werden damit zu oft alleingelassen. Es überfordert sie." Nicht von überall gebe es dabei Hilfe. "Eltern machen das manchmal sogar noch schlimmer, sagen die Kinder."

Auf Nachfrage von Helga Stieglmeier (Grüne) sagte Wilfer, dass die Schulsozialarbeiter keine speziellen Angebote zu Rollenklischees von Mädchen und Jungen hätten. Es sei jedoch unstrittig, dass viele ein Rollenverständnis hätten, "das nicht mehr zeitgemäß ist". Es werde ständig daran gearbeitet, oftmals fehle aber vor allem den Jungen ein "männlicher Orientierungspunkt", sagte Barbara Huber, Geschäftsführerin der Brücke. "Jungen sind da in einem Dilemma." Es werde weniger gestritten und gerauft. "Eigentlich schade," sagte Huber. "Das sind ja alte Tugenden."

© SZ vom 30.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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