Bildung:Kampf um Ressourcen

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Kultusminister Michael Piazolo sieht sich in Erding mit zahlreichen Forderungen an die Bildungspolitik konfrontiert und zeigt Verständnis. Um sie zu erfüllen, fehlt jedoch vor allem eines: Geld

Von Philipp Schmitt, Erding

Wie es besser gehen könnte, das wüssten sie alle: mehr Geld für eine bessere Bildung. Als am Donnerstag der bayerische Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) an der VHS Erding auf den Bildungsforscher Manfred Prenzel traf, zeigte sich, dass auch Piazolo gerne multiprofessionelle Teams mit Psychologen und Sozialarbeiter an den Schulen hätte. Auch er möchte die Schüler in den Mittelpunkt der Debatte rücken. Und auch er findet, dass begeisterungsfähige Lehrer wichtiger seien als Lernpläne. Dennoch scholl ihm vor der Diskussion bei einer Demontration der GEW heftiger Widerstand entgegen. Der Ärger ist groß wegen seiner Maßnahmen zur Bekämpfung des Lehrermangels an den Grund- und Mittelschullehrer.

Der Kultusminister Piazolo und der Bildungsforscher Prenzel waren zusammengekommen, um in dem voll besetzten Saal der Volkshochschule über die "Schule von morgen - und was sich ändern muss" zu diskutieren; den Kontakt zu Piazolo hatte der Landratskandidat Hans Schreiner (FW) ermöglicht. Zuvor aber sah sich Piazolo mit einem Konzert von Trillerpfeifen konfrontiert: Mehrere Dutzend Lehrer waren gekommen, um bei der Aktion der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gegen die Schulpolitik demonstrieren: Die GEW-Vertreter Heidi Oberhofer-Franz, Tatjana Hemberger und Bernhard Baudler forderten mehr Wertschätzung und eine bessere Bezahlung, um den Lehrerberuf wieder attraktiver zu machen. Dem Kultusministerium warfen sie Fehlplanungen vor, für die nun die Lehrer den Kopf hinhalten sollten. Jahrelang seien Lehrer in die Arbeitslosigkeit geschickt worden, jetzt fehlten sie im Schulsystem. Die vorhandenen Pädagogen müssten dafür unbezahlte Arbeit über ihr Stundenmaß hinaus leisten. Der Minister müsse daher nun seiner Fürsorgepflicht nachkommen und Maßnahmen zurück nehmen, hieß es von den Lehrern und der GEW. Piazolo sagte, er habe mit "Reaktionen und Protesten auf die Maßnahmen" gerechnet. Er sei auch zum Meinungsaustausch bereit, in Erding wollte er sich aber nicht unter die demonstrierenden Lehrer mischen. Im VHS-Saal blieb die Debatte dann wie von GEW-Vertretern angekündigt wohl temperiert, Piazolo erhielt auch Applaus.

Gleiche Löhne für alle Lehrer, das fordert die GEW. Am Donnerstag sprach die Kreisvorsitzende Heidi Oberhofer-Franz bei der Demonstration vor dem VHS-Haus. (Foto: Renate Schmidt)

Im Mittelpunkt stünden die Schüler und eine gute Bildung, sagte der Minister. Er schätze die Lehrer und deren Arbeit. Über eine bessere Bezahlung müsse diskutiert werden, sie müsse aber finanzierbar sein, dafür müssten eventuell Steuern erhöht werden. Dies sei auch ein Kampf um Ressourcen, um Geld. In der von Hans Moritz vom Erdinger Anzeiger moderierten Podiumsdiskussion wurden wichtige Bildungsfragen behandelt: Welche Einstellungen, Werte, Kompetenzen, Kenntnisse, welches Wissen brauchen Kinder und welcher Lernstoff soll in Schulen künftig vermittelt werden?

"Mehr Mut zur Lücke" und eine Entrümpelung der Lehrpläne forderte der Bildungsforscher Manfred Prenzel. Der an der Wiener Universität tätige pensionierte Professor und frühere Koordinator für Deutschland bei der Pisa-Studie sagte, Deutschland stehe beim Thema Bildung zwar nicht schlecht da, dennoch müsste bei den Investitionen geklotzt werden. Dies wäre gut investiertes Geld. Er forderte, dass nicht-kognitive Fähigkeiten mehr gefördert werden sollten. Kreativität sei zwar schwerer prüfbar als Lesen, Rechnen und Schreiben, sie sei aber wichtig. Wenn neuer Stoff dazu komme, müssten Altlasten heraus genommen und Prioritäten neu gesetzt werden. Auch in Zeiten der Digitalisierung brauche Lernen Zeit und müsse entschleunigt werden, sagte Prenzel.

Ernste Gesichter bei einem ernsten Thema: (von links) Erdings OB Max Gotz (CSU), Manfredn Prenzel und Minister Michael Piazolo. (Foto: Renate Schmidt)

Auch für Piazolo sind Lehrpläne "nicht die zehn Gebote". Sie böten den Lehrern aber Struktur und Sicherheit. Entscheidender für den Schulerfolg seien aber begeisterungsfähige Lehrerpersönlichkeiten. Es sei das Ziel, die jungen Leute zu selbstbestimmten Individuen und starken Persönlichkeiten zu bilden, sagte Piazolo. Denn die Herausforderungen, die auf sie warteten, seien groß: globaler Wettbewerb, Fachkräftemangel, Digitalisierung, Migration, Integration und Inklusion.

Piazolo bekannte sich zum Bildungsföderalismus. Der Stuttgarter sagte, dass sich Bildungspolitiker im ganzen Land nach den besten Ideen umschauen sollten, um die Schulpolitik zu verbessern. In Bayern gebe es derzeit faktisch keine Jugendarbeitslosigkeit, aber die Marke Mittelschule müsse gestärkt werden. Der Leistungsdruck sei enorm, viele Eltern würden von ihren Kindern erwarten, dass sie Abitur machen und dann studieren. Gleichzeitig finden Handwerker kaum noch Auszubildende. Aufgrund der internationalen Herausforderungen brauche Bayern aber auch wettbewerbsfähige Hochschulen und gut ausgebildete Akademiker - genauso wie gute Handwerker und Facharbeiter.

© SZ vom 22.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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