Besuch in Wartenberg:Ehrenhaftes Vorbild

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Janusz Marszalek trägt sich ins Goldene Buch der Marktgemeinde Wartenberg ein. Bürgermeister Manfred Ranft lobte seine Verdienste. (Foto: Renate Schmidt)

Wartenberg empfängt Janusz Marszalek, den ehemaligen Bürgermeister von Auschwitz. Er hatte hier den Anstoß bekommen, in Polen ein SOS-Kinderdorf zu gründen

Von Philipp Schmitt, Wartenberg

Mit einer Feierstunde und dem Eintrag ins Goldene Buch hat Wartenberg am Mittwoch Janusz Marszalek für seine Verdienste um die deutsch-polnische Freundschaft und seine Arbeit im von ihm initiierten und gegründeten Kinderdorf in der Nähe von Oswiecim geehrt: "Wir freuen uns, sie in Wartenberg zu unseren Freunden zählen zu dürfen", sagte Bürgermeister Manfred Ranft in seiner Laudatio vor Ehrengästen im Rathaus. Vor fast zwei Monaten hatten etwa 40 meist junge Leute aus Wartenberg, Berglern und Langenpreising, organisiert von den Pfarreien, beim Weltjugendtag mit Papst Franziskus in Polen im vom früheren Bürgermeister von Oswiecim gegründeten Dr.-Janusz-Korczak-Kinderdorf gewohnt und von Janusz und Marta Marszalek und deren Team eine beeindruckende Gastfreundschaft erlebt, wie Teilnehmer der Reise berichteten. Marszalek sorgte sogar dafür, dass die Polizei den Bus mit den Wartenberger Gästen auf dem Weg zur großen publikumswirksamen und fröhlichen Open-Air-Feier mit dem Papst mit mehr als einer Million Besuchern eskortierte. Und er begleitete die von Pfarrer Gregor Bartkowski geleitete Gruppe auch beim nachdenklich stimmenden Besuch des menschenverachtenden Vernichtungslagers der Nationalsozialisten im nahe gelegenen Auschwitz, wo "bis zu 1,5 Millionen Menschen gequält und umgebracht wurden und der Schrecken unermesslich bleibt", sagte Ranft.

Vor dem Hintergrund dieser Greuel sei es schwer, die richtigen Worte zu finden. Der Papst habe dort während des Weltjugendtages schweigend gebetet und so der vielen Opfer gedacht, sagte der Bürgermeister. Weil aber das Zusammenleben trotz der dunklen Schatten der Vergangenheit und der dunklen Seiten im Menschen von den Lasten der Geschichte "nicht kaputt gemacht werden" dürfe "und das Leben trotz der Greuel weiter geht", sei der Umgang von Marszalek mit der Erinnerung für Ranft so beeindruckend: "Wenn wir wissen, was das Böse ist, dann haben wir auch eine Ahnung vom Guten", sagte der Wartenberger Bürgermeister dazu. Marszalek habe sich als Senior-Stadtpräsident der etwa 40 000 Einwohner zählenden Stadt Oswiecim als Bürgermeister von 2002 bis 2011 und als Bürger für die deutsch-polnische Freundschaft verdient gemacht, als Vorbild gewirkt, und durch sein Kinderdorf viel Gutes bewirkt und vielen Kindern geholfen.

"Ich freue mich über die Ehrung, ich habe direkt Gänsehaut", sagte Janusz Marszalek, der mit Wartenberg seit Jahrzehnten positive Erinnerungen verbindet, seit er 1987 nach seinem wirtschaftswissenschaftlichen Studium in Krakau in Wartenberg in der Steuerkanzlei von Paul Festl ein Praktikum absolvierte. Bei einem Gespräch mit Christina Festl über SOS-Kinderdörfer habe er damals zum ersten Mal von der Idee der Kinderdörfer gehört, die ihn fasziniert habe: "Ich habe den Gedanken an die Gründung eines Kinderdorfes in Polen nicht mehr aus dem Kopf bekommen", sagte er im Gespräch mit der SZ. Weil damals aber noch ein kommunistisches System in Polen fungierte, gab es von Seiten der zuständigen Ministerien in Warschau einige Hürden auf dem Weg zur 1990 erfolgten Gründung und Realisierung des Projekts mit den 1994 eröffneten ersten Häusern zu überspringen. Doch der Einsatz hat sich gelohnt, inzwischen haben mehr als 100 Jugendliche in mehreren Häusern des Kinderdorfes ein Zuhause gefunden und dadurch einen Einstieg ins Leben geschafft, was Ranft würdigte. Auf seiner Widmung im Goldenen Buch des Marktes Wartenberg schrieb Marszalek, dass er "tief gerührt" von der Ehrung sei. Die Einladung von Marszalek an Ranft, dass nach der Jugend nun die Senioren aus Wartenberg Oswiecim besuchen sollten, nahm der Bürgermeister dankend an: "Wir kommen gerne", sagte Ranft. Von einer möglichen neuen Partnerstadt für Wartenberg war allerdings am Mittwoch noch nicht die Rede.

© SZ vom 02.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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