Bedrohtes Idyll am Notzinger Weiher:"Der Kiosk ist halt mein Leben"

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Im Gemeinderat fiel die Bemerkung, dass sich der Kiosk in einem "erbärmlichen" Zustand befinde. Das hat Heinrich Link sehr getroffen: "Das ist unverschämt und unverständlich." (Foto: Renate Schmidt)

Seit 46 Jahren versorgt Heinrich Link Badegäste. Weil einen Jugendzeltplatz errichtet werden soll, fürchtet er um seine Existenz.

Von Regina Bluhme, Oberding

"Das ist der Blick, der mich seit 46 Jahren begleitet", sagt Heinrich Link, während er von innen den Fensterladen seines Kiosks öffnet. Ein paar Schritte vor ihm liegt der Notzinger Weiher umgeben von wucherndem Grün, Schilf, Wiese und alten Bäumen. Seit der Ankündigung des Landkreises, dort einen Jugendzeltplatz zu errichten und das Gelände neu zu gestalten, fürchtet der 67-Jährige um das Idyll und die Existenz seines Kiosks. Die erste öffentliche Planvorstellung kürzlich im Oberdinger Gemeinderat hat bei ihm für nur noch mehr Verunsicherung und Zorn gesorgt. Mittlerweile denkt er laut über ein Bürgerbegehren gegen das Vorhaben nach.

Nur Froschgequake und Vogelgezwitscher

Vergangenen Donnerstag kurz nach 11 Uhr, endlich scheint wieder die Sonne. Heinrich Link hat soeben den Kiosk geöffnet. Außer Froschgequake und Vogelgezwitscher ist nichts zu hören. Kundschaft ist noch keine da, also hat Link Zeit für eine Tasse Kaffee im kleinen Garten hinter dem Haus. "Wenn die Pläne des Landkreises kommen, dann muss der Garten weg", sagt Link, denn laut Plan sei exakt an der Stelle ein Wendehammer geplant. "Dann kann ich den Kiosk auch zusperren, außer ich baue eine Staubschleuse", sagt Link. 1971 habe er den Kiosk eigenhändig erbaut "und zu 100 Prozent bezahlt." Die Gäste am Notzinger Weiher versorgt er seither mit Cevapcici, Reiberdatschi und laut Link "der besten Currywurst der Welt", mit Getränken, Kaffee und Kuchen, 28 verschiedene Sorten Stileis und dem "Guadl Aufschnitt". Für letzteren füllt er Köstlichkeiten wie "Balla Balla Stixx" und "Tattoo Kaugummi" zu zehn Cent das Stück in Papiertüten.

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(Foto: Renate Schmidt)

Bald 50 Jahre ist Heinrich Link, hier an der Ausgabe seines Kiosks, am Notzinger Weiher.

Nun soll dort ein Jugendzeltplatz errichtet und das Gelände neu gestaltet werden. Der 67-Jährige sorgt sich um das Idyll - und seine eigene Existenz als Kioskbetreiber.

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(Foto: Renate Schmidt)

Vieles spricht nach Heinrichs Meinung gegen den Ausbau des Weihers.

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(Foto: Renate Schmidt)

Jetzt überlegt er, ein Bürgerbegehren gegen den nun per Masterplan projektierten Ausbau in dem Naturschutzgebiet zu starten.

Link nimmt einen Schluck Kaffee und holt dann sein Handy aus der Brusttasche. Ein Wisch und es erscheint der sogenannte "Masterplan" des Landkreises, der kürzlich erstmals im Oberdinger Gemeinderat vorgestellt wurde. Link hat ihn in der Sitzung abfotografiert. Fünf Stege, eine Insel im Weiher und eine Station für die Wasserwacht sind auf dem Bild zu erkennen. "Da müssen viele Bäume gefällt werden", davon ist Link überzeugt. Ebenfalls vorgesehen ist vor dem Kiosk eine Terrasse direkt am See. "Das Schilf und die Seerosen kann man dann vergessen", so Link. Auch der geplante Naturlehrpfad, der am Rand entlang der Liegewiese führen soll, ist nach Ansicht des 67-Jährigen ein weiterer Grund, "dass jede Menge Holz weg muss".

Wird es ein Bürgerbegehren geben?

Die Bäume rund um den Weiher und auf den Liegewiesen gehörten schon einmal zugeschnitten, räumt er ein. Dann noch zwei rostfreie Treppen mit Handlauf, die den Zugang zum Weiher erleichtern - das würde seiner Ansicht nach aber auch schon an Neuerung genügen. "So wie die Planung aber jetzt aussieht, soll das hier ein zweiter Kronthaler Weiher werden", fürchtet Link. Ein Bürgerbegehren gegen den geplanten Ausbau in dem Naturschutzgebiet wäre seiner Ansicht wirklich zu überlegen.

In der jüngsten Gemeinderatssitzung in Oberding fiel die Bemerkung, dass sich der Kiosk in einem "erbärmlichen" Zustand befinde. Das hat Heinrich Link sehr getroffen: "Das ist unverschämt und unverständlich." (Foto: Renate Schmidt)

Dabei gibt es momentan offensichtlich einzig für die Gebäude, die einmal auf den Jugendzeltplatz stehen sollen, konkrete Angaben. Wie im Oberdinger Gemeinderat zu erfahren war, befinden sich alle weiteren Vorhaben für den Weiher in der Planungsphase, sind also noch nicht zementiert. Wie bei der Pressestelle des Landratsamts zu erfahren war, will der Landkreis erst an die Öffentlichkeit gehen, wenn auch die Kreisräte informiert worden sind.

In der Sitzung in Oberding fiel die Bemerkung, dass sich der Kiosk in einem "erbärmlichen" Zustand befinde. Das hat Heinrich Link sehr getroffen: "Das ist unverschämt und unverständlich." In den vergangenen 46 Jahren habe es weder von Besuchern noch von Behörden eine Beschwerde gegeben. Dabei hat das Haus in den vergangenen Jahrzehnten schon einiges mitmachen müssen: 57 Einbrüche im Haupthaus und 62 Einbrüche im Lager zählt Link auf. Zum Teil gab es auch recht rabiate Einbruchsversuche mit dem Hammer. "Wir haben ständig renoviert, die Bausubstanz ist 1a", betont er. Das Dach sei alt, aber vollkommen dicht. "Innen ist alles trocken und sauber."

Krauss Maffei-Mitarbeiter machen hier Mittagspause

"Der Kiosk ist halt mein Leben", sagt Link. Seine Frau und seine Kinder hätten ihn immer unterstützt. Großes Geld könne er damit nicht verdienen, "ich bessere damit meine Rente auf." Der gelernte Optiker wurde mit 21 Jahren der jüngste Betriebsrat in der IG Metall, führte anschließend eine Diskothek in Neufahrn. "Dann bin ich zwei Jahre lang ausgestiegen, war weltweit unterwegs", berichtet Link. Wieder zurück führte er zehn Jahre lang in Erding das Gasthaus "Zum Holledauer", hat nebenbei auch noch Kirchenkerzen und Autoteile ausgefahren und 1993 Popcorn für Diabetiker entwickelt und sich patentieren lassen. Die Geschäftsidee brachte nicht den Durchbruch, aber sein Biopopcorn haben einige Supermärkte im Angebot.

Inzwischen ist es Mittag geworden. Eine Mitarbeitergruppe von Krauss Maffei aus dem Gewerbegebiet Schwaig hat sich angemeldet. Link serviert Currywurst und Pommes, plaudert mit den Gästen. Eine junge Frau sieht lächelnd dabei zu, wie Link ihrem amerikanischen Kollegen die drei verschiedenen Ketchupsorten erklärt. Sie komme gerne in der Mittagspause hierher, sagt sie. "Es ist so schön ruhig hier." Es gebe nur einen Nachteil: "Es fällt einem danach sehr schwer, wieder ins Büro zurückzukehren."

© SZ vom 10.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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