Bedrohte Natur:Geschundene Bäche

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Die Lappach war einst Laichplatz der Bachforellen in der Isen und wurde als FFH-Gebiet eingestuft. Dann kam der Autobahnbau. Wie ein wertvolles Habitat trotz europäischem Schutz malträtiert wird

Von Thomas Daller, Dorfen

Überlaufende Biogasanlagen, Fehler von Amts wegen bei der Sanierung eines Wehrs, ein leckender Tauchbottich mit giftigem Holzschutzmittel - der Landkreis Erding hat in den vergangenen Jahren wertvolle Gewässerökosysteme eingebüßt, die Jahrzehnte für die Kompensation dieser Eingriffe benötigen. Beim Autobahnbau hat es nun auch die Lappach erwischt, die ehemalige Kinderstube der Fische aus der Isen.

Die ARGE Bau A 94 verfüllt in der Kiesgrube Osendorf den Aushub des Autobahnbaus. Dort wird nicht nur Erde aufgehäuft, sondern auch Kalk eingebaut, damit der Hang nicht ins Rutschen kommt. Dieser "Erdbeton" wird bei Regen ausgewaschen und läuft über das im Zuge des Autobahnbaus neu verlegte Osendorfer Bächlein in die Lappach. Dort lagern sich die Sedimente als klebriger Schlamm ab, der das Gewässerökosystem schädigt. Anwohner betrachten das als einen Verstoß gegen das Verschlechterungsgebot im FFH-Gebiet "Isental und Nebenbäche". Sie haben bereits das Gespräche mit dem Umweltbeauftragten der ARGE Bau und dem Wasserwirtschaftsamt gesucht, aber bislang sei noch nichts geschehen.

Wenn Robert Grundner in kurzer Hose und Sandalen ins Wasser des kleinen Bächleins steigt, wühlt jeder Schritt graue Schlammwolken auf. Der Schlamm verkleistert das Kiesbett, Insekten als Nahrung finden die wenigen verbliebenen Fische zwischen den Steinen kaum noch. Mit dem Bau der Autobahn über die Lappach und vor allem mit den Aufschüttungen des Aushubmaterials in Osendorf wird die Lappach bei jedem Regen mit Abfall und einer Brühe geflutet, die mit üblichen Ackersedimenten nichts gemein hat. Grundner hebt eine Schaumstoffrolle auf, die am Ufer liegt, und steckt sie in eine Tüte: Styropor, Kabelbinden, "zu Tausenden" habe er solche Überreste von Baumaterialien bereits entsorgt, "ganze Mülltonnen voll". Am schlimmsten sei aber der "Schlaz", wie Grundner ihn nennt, er klebt wie Teig im Bachbett und an den Wurzeln der Schwarzerlen. So sieht es seit etwa eineinhalb bis zwei Jahren in der Lappach aus, die als Teil des FFH-Gebiets "Isental und Nebenbäche" von der Regierung von Oberbayern als höhere Naturschutzbehörde geschützt werden sollte.

Am Einlauf des Osendorfer Bächleins sieht man, wie sich der Erdbeton in die Lappach mischt. (Foto: oh)

Grundners Elternhaus steht direkt an der Lappach, er kennt das Gewässer ein Leben lang. Früher sind die Bachforellen der Isen zur Laichzeit die Lappach hochgeschwommen, um hier im flachen Kiesbett ihre Eier abzulegen. Doch das ist lange her. "Die Lappach ist landwirtschaftlich vorgeschädigt", räumt Grundner unumwunden ein. "Aber was derzeit geschieht, ist noch mal eine andere Nummer."

Man braucht nur ein paar Gummistiefel, um der Spur des Schlammes zu folgen. Bis zur Einmündung des Osendorfer Bächleins ist die Lappach grau, oberhalb davon wird sie wieder klar mit geringen Eintrübungen von üblichen Ackersedimenten. Folgt man dem verschlammten Osendorfer Graben bachaufwärts, verläuft er schnurstracks in Richtung des schon von Weitem sichtbaren künstlich geschaffenen Hügels. Dort arbeiten mehrere Planierraupen die Fracht eines nicht endenden Stroms von Lastwagen ein, die Aushubmaterial anliefern. "Zwischendrin staubt's mal wieder weiß, dann wird eine Schicht Kalk eingearbeitet", sagt Grundner. Ein übliches Verfahren, aber zumindest in einem FFH-Gebiet sollte auch der Gewässerschutz dabei eine Rolle spielen.

Technisch scheint es machbar, den Schlamm des "Monte Osendorf" in ein bereits bestehendes Rückhaltebecken unter der Autobahnbrücke umzuleiten. Dort könnten sich die Sedimente absetzen und zumindest grob vorgereinigtes Wasser über einen Überlauf in die Lappach gelangen. Aber das Rückhaltebecken liegt trocken, während nur wenige Meter entfernt sich der Schlamm durch den Osendorfer Graben wälzt. Grundner sagt, er habe das Problem bei mehreren Telefonaten und Treffen mit dem Umweltbeauftragten der ARGE Bau A 94 angesprochen. Dieser vertrete jedoch die Auffassung, der Schlamm könne auch von Äckern eingeschwemmt werden. "Das kann man sowohl anhand der Farbe widerlegen als auch durch die Tatsache, dass der Rest des Baches bis zur Einmündung des Osendorfer Wassers keine Färbung aufweist", sagte Grundner. Auch die Konsistenz des Erdbetonschlamms ist anders als angeschwemmter Humus von Acker: klebrig wie Teig.

Die Lappach wird ziemlichz grau. (Foto: oh)

Matthias Roth ist Umweltbeauftragter der ARGE Bau A 94. Er bestreitet nicht, dass es Probleme gibt. Auf der Auffüllfläche habe man bereits eine Rückhalteeinrichtung installiert. Auf welchem Weg Abschwemmungen des Erdbetons dennoch in den Osendorfer Graben und dann in die Lappach gelangen, habe man nicht herausgefunden. Das wisse weder er noch das Wasserwirtschaftsamt.

Roth sagte, es sei auch nicht möglich, das vorhandene Rückhaltebecken unter der Lappachtalbrücke der Autobahn als Absetzbecken zu verwenden, weil es deutlich höher liege als der Osendorfer Graben. Roth kann die Anwohner lediglich vertrösten: Man habe ein Umweltbüro mit zwei Fachkräften eingesetzt, die noch im August ihren Bericht dazu vorlegen würden. Zudem seien die Auffüllarbeiten in Osendorf bereits zu 95 Prozent erfolgt und sollen Ende des Jahres abgeschlossen werden. Anschließend werde die Auffüllfläche begrünt, Wurzeln sollen weitere Abschwemmungen zurückhalten. Man arbeite auch an einem Sanierungskonzept für die Lappach, das im kommenden Jahr umgesetzt werden soll. In groben Zügen sehe es vor, diese Verlandungen wieder zu entnehmen. Das könne an manchen Stellen mit einem Kleinbagger erfolgen, an anderen werde man Schlammansammlungen in Handarbeit oder mit einem Saugwagen entfernen. "Die gesamte Gewässersohle zu räumen ist jedoch nicht zielführend", sagte Roth.

"Des war a so a scheens Bacherl", sagte Grundner. Er zweifelt daran, dass es wieder einen guten ökologischen Zustand erreichen werde: Im Herbst 2013 sei beim Bau der Brücke Abwasser von Betonarbeiten in die Lappach gelaufen und seit eineinhalb Jahren nun dieser Schlamm. "Selbst ein Hochwasser reißt da nichts mehr raus." Und er hat den Eindruck, dass man beim Autobahnbau im Isental überall solche Zustände vorfinde. Dass es sich um ein FFH-Gebiet handele, das unter europäischem Schutz stehe, "des is denen wurscht".

© SZ vom 22.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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