Authentischer Industriecharme:Schichtwechsel

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Die stillgelegte Dachziegelfabrik Meindl wird zum Tonwerk Dorfen. Mit Bars und Restaurants, Escaperooms und Kneipen, Konzertbühne und Diskothek

Von Florian Tempel, Dorfen

Die Ofen sind aus. Ende 2015 liefen sie das letzte Mal, dann war Schluss, alles stillgelegt. Das ändert sich bald gewaltig. Tobias Maier und Anderas Wagner wollen wieder einheizen und aufdrehen. Die alte Dachziegelfabrik Meindl war einmal, jetzt kommt das Tonwerk Dorfen.

Der Name des Kulturparks ist Programm: Im Mittelpunkt des zukünftigen Geschehens auf dem Industriegelände unweit des Dorfener Bahnhofs wird Musik und Party stehen. Ins alte Heizwerk kommt eine Diskothek, die Werkstatthalle wird zur riesigen Konzertbühne, die Kantine ein Restaurant und die Labors, in denen früher der Ton für Dachziegel auf seine Qualität geprüft wurden, werden zu Escaperooms umgebaut. In ehemaligen Büros und dem früheren Showroom für die Dachziegel werden eine Bar und eine Kneipe eingerichtet. Und im großen Außenbereich zwischen den Hallen und Gebäuden sollen Flohmärkte, Freiluft-Kino und Open Air-Festivals stattfinden.

Wann es los geht? "Alles ist im Gang", sagt Tobias Maier, aber noch nicht so ganz genau absehbar: "Es startet nach und nach, im Mai, Juni, Juli" - und manches, wie der Club im Heizwerk, wird wohl erst Ende des Jahres eröffnen. Macht aber gar nichts, findet er, im Sommer muss eh vor allem draußen etwas stattfinden.

"Das Ziel von uns ist, ein breites Spektrum an Musik anzubieten", sagt Tobias Maier. Das gelte für die Konzerte und Festivals genauso wie für den Club. Elektro, Hip Hop, Indie, Rock - was es auch alles gibt, "jede Clique soll mal zu uns kommen". Der Einzugsbereich, den die Tonwerk-Macher im Blick haben, ist eh ziemlich ausgedehnt. Er geht weit über den Landkreis hinaus. Die Lage und Anbindung könnte kaum besser sein. Man kann von Landshut und Rosenheim über die B 15 anreisen. In einem halben Jahr ist die A 94 fertig, Südostbayern und München rücken deutlich näher. Man könnte aber auch mit der Bahn anreisen. Vom Dorfener Bahnhof aus sind es nur fünf Minuten zu Fuß zum Tonwerk.

Die Suche nach Mitarbeitern hat schon begonnen. Bei all dem, was geplant ist, braucht man viele Leute. Maier und Wagner suchen "schon so 50 bis 100 Leute": Servicekräfte, Küchenhilfen und Bartender für die Lokale sowie Leute für Security, Garderobe und Kasse, außerdem Putzkräfte und Runner. Nähere Einzelheiten erfahren Interessenten, wenn sie sich per E-Mail bei den Tonwerk-Machern melden. Alle Jobs sind vorerst nur auf 450 Euro-Basis geplant.

Eigentlich geht alles ziemlich schnell. Erst vor einem Dreiviertel Jahr hat der Dorfener Immobilienunternehmer Robert Decker das riesige Fabrikgelände gekauft. Langfristig will er hier ein neues Wohnquartier schaffen. Doch bis tatsächlich gebaut wird, werden noch Jahre vergehen. Und bis dahin soll gefeiert werden. "Fünf bis acht Jahren sind uns für die Zwischennutzung garantiert", sagt Maier.

Die grundlegende Organisation ist bewerkstelligt. Ende Februar und Anfang März sind die Tonwerk Dorfen GmbH & Co. KG und die Tonwerk Dorfen Verwaltungs GmbH gegründet und im Handelsregister eingetragen worden. Geschäftsführer beider Gesellschaften sind Maier und Wagner gemeinsam. Beide sind Dorfener und sind seit vielen Jahren befreundet. Tobias Maier, 26, arbeitet als DJ Sonnengruß schon länger hauptberuflich im Metier. Andreas Wagner, 25, ist neben seinem Studium als Eventveranstalter wie etwa beim Streetfood-Markt in Dorfen im vergangenen Jahr aktiv. Sie haben Büros über der ehemaligen Betriebskantine bezogen. Weil das Fabrikgelände so groß ist, hat es eine ganz eigene Adresse ohne Straßennamen: "Orlfing 1".

Tonwerk ist der Namen fürs große Ganze, sagt Tobias Maier, die einzelnen Teile werden eigene Namen haben. Er und Wagner machen ja auch nicht alles alleine, sondern haben sich gewissermaßen Untermieter ins Tonwerk geholt. Lisa Hohmann zum Beispiel. Sie hat als Pächterin der Kantine schon unterschrieben. Die 24-Jährige kommt aus Eitting, leitet seit vier Jahren ein eigenes Lokal in Erding und ist Mitveranstalterin des Streetfoodmarkts in der Dorfener Altstadt, der im vergangenen Jahr erstmals und Ende Mai wieder stattfinden wird. "Wir verwandeln die alte Kantine in neuen Charme, indem wir vieles erhalten, aber auch einige verwandeln wollen", sagt Hohmann. Das Essen soll "bayerisch modern" und "nachhaltig frisch" sein, von Ravioli mit Wildfüllung über diverse Bowls bis zum traditionellen Schweinsbraten. Geöffnet wird von Donnerstag bis Sonntag, am Wochenende gibt es auch Frühstück, sonst ist ab Mittag auf.

Die Kantine wird nur eines von mehreren Lokalen sein. Auch der ehemalige Showroom, ein achteckiger Pavillon, sei schon verpachtet, sagt Maier. Hier kommt eine Bar rein, mehr will er vorerst noch nicht verraten. Auf halbem Weg zwischen Kantine und Pavillon soll eine weiteres gastronomisches Angebot in einem alten Bürotrakt entstehen. Eine Bierkneipe, ein Irish Pub, etwas in dieser Art oder doch ganz anders. Die Tonwerk-Macher suchen noch einen Pächter mit einem guten Konzept. Ein Freiluftcafé wollen Maier und Wagner selbst betreiben. Im Sommer haben sie ja einiges vor auf den Außenflächen und die Bewirtung draußen wollen sie dann selbst organisieren.

Zwei zentralen Locations bleiben ebenfalls in den Händen von Maier und Wagner. In der ehemaligen Werkstatthalle, ein toller Bau mit großen Fensterfassaden, wird eine Bühne installiert, für Auftritte vor großem Publikum. Die Halle fasst bei einem Konzert sicher 800 Menschen. Und dann ist da noch das Heizwerk. In dem Gebäude waren die Ofen, die die Hitze zum Brennen der Dachziegel lieferten. Aus dem Heizwerk muss erst noch einiges ausgebaut werden, um es in einen Club umzufunktionieren und Platz zu schaffen. Aber natürlich sollen auch einige der dicken Rohre bleiben. Authentischer Industriecharme ist sicher kein schlechtes Ambiente für einen Club.

© SZ vom 06.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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