"Aufbruch und Umbruch":Als frischer Schwung nach Freising kam

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Eine Fotoausstellung im Alten Gefängnisdokumentiert die Entwicklung der Stadt, die durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs abgeschwächt wurde

Von Marlene Krusemark, Freising

"Aufbruch und Umbruch" ist der Titel der Fotografie-Ausstellung des Stadtarchivs Freising in der Galerie im Alten Gefängnis. Diese Schlagworte beziehen sich auf die Jahre 1900 bis 1920. "In diesem Zeitraum setzten sich die Entwicklung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts intensiviert fort", erklärt Florian Notter, Leiter des Stadtarchivs Freising. Die Bevölkerung wuchs, Freisings Bildungslandschaft wurde durch staatliche und kirchliche Investitionen deutlich dynamisiert. "Extrem wichtig für Freising Anfang des 20. Jahrhunderts war auch die Ansiedlung der Eliteeinheit des 1. Jäger-Bataillons." Der erste Weltkrieg bedeutete auch für Freising einen Umbruch und schwächte die Stadtentwicklung ab. Es habe aber auch fortlaufende historische Kontinuitäten gegeben, so Stadtarchivar Notter.

Diese Entwicklungen lassen sich in der Ausstellung, die bis zum 13. August andauert, anhand von 80 Fotos nachvollziehen. "Unser Fotografiebestand ist alles andere als statisch, er entwickelt sich ständig weiter", sagt Notter. Das ergebe sich teils durch Schenkungen, teils aus Angeboten vom Kunsthandel. Ob man ein Foto erwerbe, hänge maßgeblich am individuellen Motiv sowie an der Originalität. Ein Original zu identifizieren, sei nicht schwer - das erkenne man beispielsweise am Fotografenstempel, so Notter.

Eins der wichtigsten Foto-Highlights für Notter ist ein relativ neu in den Bestand aufgenommenes Bild, welches das 1. Jäger-Bataillon im August 1914 am Freisinger Bahnhof zeigt. "Wir hatten im Stadtarchiv überlegt, was wir anlässlich des hundertjährigen Zurückliegens des Ersten Weltkrieges machen könnten. Dabei fiel uns auf, dass uns aussagekräftige Bildmotive aus dieser Zeit fehlten." Als dem Archiv die Aufnahme der Einserjäger angeboten wurde, freute er sich sehr. "Die ganze Aufnahme ist voller Tragik. Im Vordergrund sieht man die fröhlichen, mit Blumen geschmückten Soldaten, im Hintergrund das Bahnhofsgebäude, das dann später im zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Von hinten nähert sich die dampfende Lok, die eine Menge Dynamik in das Bild bringt. Über der gesamten Aufnahme schwebt das Unheil des Krieges."

Ganz wichtig seien bei der historischen Aufarbeitung solcher Fotografien die richtige Einordnung der Motive in ihren Kontext, die korrekte Quellenangabe und eine detaillierte Bildbeschreibung. Diese sollten Fachleute übernehmen: "Wenn Angaben nicht richtig zugeordnet werden, kommt es ganz schnell zu Fehlinformationen, die sich im Netz verbreiten." Notter, der Geschichte und Kunstgeschichte in Regensburg studiert hat, tauschte sich während der Arbeit an der Ausstellung und dem Fotoband mit seinem Kollegen Matthias Lebegern aus. Dieser hatte seine Masterarbeit über Fotografie im 20. Jahrhundert verfasst.

An einer Bilderläuterung arbeitete Notter ungefähr einen Tag lang. Unabdingbar für die Bildanalyse sei es, sich verschiedene Fragen zu stellen. Bei der Aufnahme des Schlüterbaus sei beispielsweise die Überlegung wichtig gewesen, warum Schlüter sich zu dieser Zeit an diesem Ort ansiedelte. "Bei der Betrachtung dieser Fotografie muss man wissen, dass Schlüter älter ist als das Freisinger Werk. Die Produktion begann 1899 in München, nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie komplett am zweiten Freisinger Werk zusammengezogen." Bevor er eine Bildbeschreibung begann, in der er sich logisch zum Kern des Geschehens hinarbeitete, bestimmte er meist Datum, Jahreszeit, Tageszeit, Witterung, Himmelsrichtung und den Fotografen. Natürlich hat die Wissenschaft aber auch hier ihre Grenzen: "Als Historiker muss man auch sagen, wenn man sich bezüglich der Identität des Fotografen oder der Datierung unsicher ist." Ein Beispiel hierfür ist die Aufnahme der Isarbrücke während eines Hochwassers: "Es könnte sich dabei sowohl um das Hochwasser von 1899 als auch um das von 1912 handeln."

© SZ vom 04.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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