Am Königshof kehrt wieder Ruhe ein. In den nächsten Tagen verlässt der Doktorand Marc Miltz die Grabungsstelle am Gaugrafenweg in Altenerding, wo er unter Anleitung des Professors Bernd Päffgen und unter Zuhilfenahme der Arbeitskraft von Studenten und ehrenamtlichen Helfern Teile eines Herrschersitzes zu Tage gefördert hat, der im Frühmittelalter Liutwinda gehört hatte. Ihr Sohn, König Arnulf, hatte ihr den Hof als Altersvorsorge geschenkt, als ihr Mann Karlmann gestorben war. Der Hof war durch Schriftquellen schon bekannt gewesen. Nur wo er lag, das wussten die Archäologen lange nicht. Was von dem Hof übrig geblieben ist, haben die Archäologen ausgegraben. Jetzt werden die Funde Analysen unterzogen.
Jahrhundertelang schlummerten diese Überreste vergangener Zeiten am Gaugrafenweg ungestört in der Erde. Über ihnen war Wiese - bis der Grundbesitzer bekundete, eines Tages dort ein Haus bauen zu wollen. In Zusammenarbeit mit der Universität München, mit dem Landesamt für Denkmalschutz, dem Museum Erding, der Stadt Erding, dem Archäologischen Arbeitskreis und dem Archäologischen Verein Erding machte man sich daran, die Fläche zu untersuchen. Die Arbeiten sind Teil des Forschungsprojektes "Erding im ersten Jahrtausend". Die Grabung zähle zu den bedeutendsten in Bayern, sagte Päffgen, der Königshof dürfe als die "Keimzelle Erdings" gelten. Man fand unter anderem zwei parallel verlaufende Gräben mit zwei Wällen, die zur Befestigung des Hofes gedient hatten. Solche Anlagen seien ein "royales Privileg" gewesen, sagte Päffgen.
Man stieß im Bereich der Gräben aber auch auf Überreste von Grubenhäusern, die jüngeren Datums sind: Sie können erst gebaut worden sein, als der Sitz kein Herrschersitz mehr gewesen war. Und das war im Jahr 891 der Fall, als Liutwinda, die Mutter von König Arnulf, starb, wie Päffgen am Donnerstag erläuterte. Arnulf hatte für den Hof keine Verwendung und schenkte ihn einem hohen kirchlichen Würdenträger, dem Erzbischof von Salzburg. Der interessierte sich weniger für die befestigte Anlage und mehr für den wirtschaftlichen Profit, der aus diesem Geschenk zu schlagen sei: Von nun an waren dort Handwerker aktiv, unter anderem Weber, deren Produkte in der etwas feuchteren Luft in den tiefer gelegenen Grubenhäusern besonders gut gelungen seien, wie Päffgen sagte.
Die Archäologen fanden nicht nur Löcher, in denen die Webstühlen verankert waren, sondern auch Webnadeln und Webgewichte. Aber auch diese Zeit ging vorüber, zum Ende des zehnten Jahrhunderts nutzten die Menschen die Gruben schließlich als Abfalleimer, was sich anhand diverser Knochenreste belegen ließ, wie Miltz erklärte. Dass auch ein Ferkelgebiss ausgegraben wurde, legte den Schluss nahe, dass die Menschen reich waren: Nur wer über Vermögen verfügte, könne es sich leisten, junge Schweine wegen ihres zarteren Fleisches zu schlachten und zu essen. Etwas seltsamer mutet der Fund eines Pferdehufes in den Schlachtabfällen an.
Auch die Menschen im Frühmittelalter seien schon Archäologen gewesen, sagte Päffgen. Denn im Umkreis des einstigen Königshofes fanden sich einige Scherben, die noch sehr viel älter sind: einige aus der Römerzeit um 200 nach Christus und einige sogar auch aus Keltenzeit um 350 vor Christus. Sie belegen, dass die Gegend schon immer bebaut worden war. Als besonders ungewöhnlich stuft Museumsleiter Harald Krause den Fund der Scherben nicht ein, wie er sagte. Sie werden wie alles andere an der Universität München oder am Museum Erding untersucht. Ergebnisse sollen am Samstag, 21. Juli, beim Archäologischen Sommersymposium im Museum Erding vorgestellt werden.