Bildung:Film ab, Schule aus

Lesezeit: 3 min

Am Filmset am Anne Frank Gymnasium, links Nils Dresemann. (Foto: Renate Schmidt)

Das Erdinger Anne-Frank-Gymnasium wird zum Filmset: Ein Team von Film-Studierenden dreht hier zusammen mit 54 Schülerinnen und Schülern den Film "Ella und Elias".

Von Simon Kienzl, Erding

Neonleuchten, ein marmoriert gemusterter Teppichboden, viel Beton, eine voll beschriebene Tafel. Und in der Ecke ein wilder Haufen aus Schuhen und Rucksäcken. Eine Schulklasse, wie man sie kennt. Plötzlich hört man die Stimme einer Schülerin: "Dürfen wir die Requisiten-Socken behalten? Sie sind so schön bunt." Aus dem hinteren Ende des Klassenzimmers die Antwort: "Wenn ihr die nächste Szene gut spielt, vielleicht."

Es ist kein Lehrer, sondern Regisseur Nils Dresemann, der seit einigen Tagen hier am Anne-Frank-Gymnasium in Erding einen Film dreht. Er - selbst ehemaliger Schüler des Anne-Frank-Gymnasiums - studiert seit 2019 Film und Fernsehen und kehrte vor einigen Monaten für einen Arbeitsauftrag an seine alte Schule zurück.

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Er sollte ein Image-Video für das Anne-Frank-Gymnasium drehen: "Bei dem Dreh hatte ich sofort das Gefühl, dass einige der Schüler vor die Kamera gehören und wollte zusammen mit ihnen noch einmal ein Projekt verwirklichen." Daraufhin habe er zusammen mit Kerstin Otte, ebenfalls Film-Studentin, die Story und ein Drehbuch unter dem Titel "Ella und Elia" erarbeitet: Ein Junge darf, weil er das Schuljahr nicht geschafft hat, nicht mit auf die Klassenfahrt und muss deshalb von der Fußball- in die Theaterklasse. Aber hier kommt es zu einer Begegnung, die noch einmal alles verändert.

Sein Anspruch sei dabei vor allem, eine realistische Geschichte zu erzählen: "Der Film soll die Hoffnung wecken, dass er jederzeit an jeder Schule passieren könnte." Und die Story ist tatsächlich nicht aus der Luft gegriffen: Am Erdinger Gymnasium gibt es eine Fußball- und eine Theaterklasse. Die Schülerinnen und Schüler aus diesen beiden Klassen - zwischen elf und zwölf Jahren alt - sind Dresemanns Darsteller.

Die Geschichte soll sich an der Realität der Schüler orientieren. Wie im Film gibt es auch am AFG eine Fußball- und eine Theaterklasse. (Foto: Renate Schmidt)
Regisseur Nils Dresemann (links) beim Drehen mit Schülern und Schülerinnen des AFG. (Foto: Renate Schmidt)

Mit Kindern zu drehen sei dabei nicht nur eine besondere Herausforderung, sondern auch besonders faszinierend, wie Dresemann betont: "Denn auch wenn die ersten Versuche oft noch sehr daneben sind, wird irgendwann ein Schalter umgelegt und man fragt sich: Wie kann der oder die das so gut spielen?"

Aber der Film soll schließlich ja auch gut werden, wie man am Set schnell merkt: Neue Szene, am Pult eine Lehrkraft, ein Schüler und hinter ihnen das vierköpfige Filmteam und immer wieder der Satz: "Noch einmal von Anfang." Zum siebten Mal wird diese Szene gespielt. "Die Kinder zählen schon mit, wir brauchen gar keine Regieklappe", scherzt Dresemann.

Das Projekt braucht Kontinuität und viel Zeit, auch das ist eine wichtige Erfahrung

Ein anderer Schüler kommt durch die Tür und unterbricht den Dreh für einen Augenblick: "Was sollen wir machen, während Sie drehen?" "Lest doch inzwischen gemeinsam das Buch weiter, das wir vorher angefangen haben", sagt die Lehrkraft. Mit einer aufgeschlagenen Seite der Klassenlektüre verlässt der Schüler wieder laufend den Raum. "So verstehe ich Schule, auf der einen Seite der Unterrichtsauftrag, Wissen vermitteln, aber auf der anderen Seite ist Schule auch viel mehr. Deshalb gefällt uns dieses Filmprojekt auch so, da Schüler etwas Neues kennenlernen dürfen." So Regine Hofmann, seit drei Jahren Schulleiterin des Anne-Frank-Gymnasiums.

Und die Kinder dürfen nicht nur einen halben Tag ein Filmset kennenlernen, sondern eine Woche drehen: "Es braucht Kontinuität und auch viel Zeit, damit ein solches Projekt wie ein Film etwas wird. Auch so etwas mitzuerleben, ist wichtig für die Schüler." Und in der Tat wird es noch einige Zeit dauern, bis der Film vorgeführt werden kann: "Vor Weihnachten wird das nichts, habe ich den Kindern schon gesagt. Dann gibt es aber erst Mal eine Team-Premiere für die Schülerinnen und Schüler."

Der Film soll auf Festivals gezeigt werden, vielleicht sogar im Kino oder im Fernsehen

Und mal schauen, wie es weitergeht. "Wir versuchen, den Film auf so viele Festivals wie möglich zu bringen und vielleicht ja auch ins Kino und irgendwann ins Fernsehen", so Dresemann. Ob Kino oder Fernsehen, Pietro, einer der Hauptdarsteller, meint auf jeden Fall schon jetzt, vor der Kamera zu stehen habe großen Spaß gemacht: "Absolut! Das ist schon sehr cool."

Kerstin Otte, die das Drehbuch zum Film geschrieben hat, beschreibt den Film "Ella und Elias" zusammenfassend noch einmal, indem sie eine Frage stellt: "Erinnert ihr euch an diese magische Zeit vor den Sommerferien? Schule, wie sie sein kann, man macht noch was Cooles, aber bald sind dann sowieso Sommerferien?" Und tatsächlich verschwimmen auch hier die Grenzen zwischen Fiktion und Realität. Im Hintergrund der Regieanweisung Dresemanns hört man eine Schülerin zur anderen sagen: "Noch vier Tage und dann sind Ferien."

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