Amtsgericht Erding:"Dummer Ossi" ist eine Beleidigung

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Zwei Lastwagenfahrer geraten auf einem Firmengelände in Oberding immer wieder aneinander, bis der Streit eskaliert. Ein 45-Jähriger wird wegen Beleidigung schließlich zu 1050 Euro Geldstrafe verurteilt. Die Strafe ist zur Bewährung ausgesetzt. Sofort fällig wird eine Geldauflage von 900 Euro an ein Kinderhilfswerk.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Allem war vom 45-jährigen Angeklagten widersprochen worden: der gefährlichen Körperverletzung, die er begangen haben soll, der Sachbeschädigung, der Bedrohung. Nur eines gab er zu, seinen Kontrahenten einen "dummen Ossi" genannt zu haben. Aber die Beleidigungen seien wechselseitig gefallen. Nichtsdestotrotz erfüllen die zwei Worte den Tatbestand der Beleidigung und deshalb verurteilte ihn Amtsrichter Andreas Wassermann zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 70 Euro. Bezahlen muss er die nicht, wenn er ein Jahr straffrei bleibt. Die Strafe ist zur Bewährung ausgesetzt. Dafür aber sofort 900 Euro an ein Kinderhilfswerk als Geldauflage, da ein Teil des Verfahrens eingestellt wurde. Dazu kommen auf ihn die Kosten des Verfahrens und der Nebenklage zu.

Eigentlich hätte es gar nicht zu einer Verhandlung kommen sollen, wenn es nach der Staatsanwaltschaft geht. Die hatte die Anzeige zunächst eingestellt, weil man wenig Chancen sah, einen Tatnachweis zu führen, da letztlich Aussage gegen Aussage stand. Dagegen legte allerdings sein 63-jähriger Kontrahent Beschwerde ein. Und vor dem Amtsgericht erschien er sogar mit einem Anwalt als Nebenkläger.

Der Angeklagte soll ihm eine volle 1-Liter-PET-Flasche ans linke Ohr geschlagen haben

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft war noch eindeutig: der Angeklagte sei auf einem Betriebsgelände in Oberding am 22. März mit dem heute 63-Jährigen in Streit geraten. Dabei habe ihn unter anderem als "DDR-Sau" und "dummer Ossi" beschimpft und ihm eine volle Ein-Liter-PET-Flasche ans linke Ohr geschlagen. Er sei dann gestürzt und seine Hose sei beschädigt worden. Durch den Schlag habe der 63-Jährige eine Trommelfellruptur erlitten.

Die Schilderung des Angeklagten war völlig anders. Der Nebenklägeranwalt bezeichnete die Aussage des 45-Jährigen in seinem Plädoyer später als "Story vom Pferd". Auch die beiden Polizeibeamten, die den Vorfall vor Ort aufnahmen, sagten vor Gericht aus, dass die Aussagen völlig unterschiedlich gewesen seien. Jeder habe angegeben, der "Ruhige" gewesen zu sein, während der andere sozusagen der Böse gewesen sei. Letztendlich sei Aussage gegen Aussage gestanden, denn der Angeklagte sagte, dass der Auslöser des Streits wieder einmal gewesen sei, dass der ältere Lastwagenfahrer vorwärts in den Hof gefahren sei. Da sei es zum ersten kleineren Wortgefecht gekommen. In der Halle habe der Streit sich fortgesetzt. Der 63-Jährige sei, was das Einfahren in den Hof betreffe, "beratungsresistent" gewesen.

Deshalb habe er die Worte "dummer Ossi" benutzt, gab er zu. Sein Kontrahent habe ihn dann mit seinem Bauch vor sich her geschubst, bis er an einem 2000-Liter-Tank angekommen sei. Dabei habe er die mit Wasser für seine Kaffeemaschine gefüllte PET-Flasche fallen gelassen. Der 63-Jährige habe dann zu ihm gesagt, dass er früher in der DDR Boxer gewesen sei und wenn er wolle, könne er ihn totschlagen. Dann habe er sich umgedreht und sich selber drei, vier Mal ins Gesicht geschlagen und gefragt, wer denn jetzt der dumme Ossi sei. Er selber habe den Mann nie berührt, er sei vielmehr von der Situation völlig überfordert gewesen. Letztendlich habe er deshalb die Arbeitsstelle gewechselt, um weiteren Streits aus dem Weg zu gehen. Die Flasche habe er in einer Tonne entsorgt.

Die Polizisten fanden eine "emotionsgeladene" Atmosphäre vor

Die Polizisten fanden eine "emotionsgeladene" Atmosphäre vor. Beide hätten sich gegenseitig beschuldigt. Und beide Polizisten bestätigten, dass sie beide Versionen vor Ort zu hören bekommen haben. Da der 63-Jährige über ein schmerzendes linkes Ohr geklagt habe, habe man den Rettungsdienst hinzu gerufen. Diese hätten aber vor Ort nichts feststellen können. Dafür die Ärzte später im Krankenhaus eine Trommelfellruptur.

Die Staatsanwältin griff in ihrem Plädoyer die frühere Meinung der Staatsanwaltschaft auf: Es stehe Aussage gegen Aussage. Nur die Beleidigung stehe fest, die habe der Angeklagte selber zugegeben. Sie forderte eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 70 Euro. Der Anwalt des 45-Jährigen forderte Freispruch in den Punkten Körperverletzung und Sachbeschädigung, das Verfahren wegen Beleidigung müsse wegen "Geringfügigkeit" eingestellt werden.

Dem Nebenklägeranwalt fehlte jedes Verständnis für die Worte der Staatsanwältin

Der Nebenklägeranwalt wertete die Forderung der Staatsanwältin als Schock für seinen Mandanten. Ihm fehle jedes Verständnis für ihre Worte. Ja, es stehe Aussage gegen Aussage, man müsse aber auch die Glaubwürdigkeit der Aussagen bewerten und da sei die seines Mandanten "stimmig", oder wolle man etwa glauben, dass er sich die Trommelfellruptur selber beigebracht habe. Für ihn komme nur eine Geldstrafe von mindesten 90 Tagessätzen in Betracht - womit der Angeklagte als vorbestraft gegolten hätte.

Amtsrichter Andreas Wassermann konnte Freisprüche aus "prozeduralen" Gründen nicht aussprechen, da die Beleidigung zumindest strafbar sei. Im Übrigen sei er nicht überzeugt, dass es so gewesen sei, wie der 63-Jährige das sage. Über die Gründe könne er nur mutmaßen.

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