Amtsgericht Erding:Therapie statt Jugendgefängnis

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Richter sehen die Straftaten eines 20-Jährigen auch als "Hilferuf". Gutachter stellt psychotisch-schizophrene Störung fest

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Nicht jede Straftat wird aus einer rein kriminellen Energie heraus verübt, manchmal steckt auch eine Notlage dahinter, oder ein Hilferuf, wie es im Fall eines 20-Jährigen war, der am Dienstag wegen diverser Diebstähle, Einbrüche und Sachbeschädigungen in Erding vor dem Amtsgericht stand. Sein Hilferuf, wie es sein Verteidiger formuliert hatte, wurde vom Schöffengericht erhört. Er wurde zwar zu einem Jahr Jugendstrafe verurteilt, aber diese auf Bewährung ausgesetzt. Die Auflage sieht vor, dass er in der Sozialtherapeutischen Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt in Waldkraiburg eine Therapie wegen seiner psychotisch-schizophrenen Störung und Drogensucht macht. "Das ist Ihre beste Chance, danach Ihr Leben weiterführen zu können, ohne weiter straffällig zu werden", sagte Amtsrichter Michael Lefkaditis in seiner Urteilsbegründung.

Die Straftaten, die der junge Mann im Februar und März in diesem Jahr begangen hatte - und sowohl bei der Vernehmung bei der Polizei als auch bei Gericht offen eingestand - lasen sich auf dem ersten Blick drastisch. Entweder schlug er Scheiben von Autos ein, um aus dem Inneren Wertgegenstände zu entwenden, oder Scheiben von Türen, um in eine Tankstelle und einen Cateringbetrieb zu gelangen. Seine Beute, und vor allem, was er damit machte, war eher ungewöhnlich: Zündschlüssel, Sonnenbrille, Navi, Zigarettenpäckchen, Stereoanlage, Alkohol, Lebensmittel, aber auch ein Bild mit Rahmen, einen Sack mit Kaffeebohnen und ein Fondue-Set.

Fast alles hat die Polizei später entweder in seinem Zimmer bei seinen Eltern oder in einem Gartenhäuschen gefunden. Nur was er selber geraucht, an Lebensmitteln verzehrt oder getrunken hatte fehlte. Einiges hatte er sogar in dem Gartenhaus sorgfältig aufgestellt, um nach seiner Aussage für seine Freunde "eine Party" zu schmeißen, um ihnen zu zeigen, was er alles habe - die Party fand allerdings nie statt, da er kaum Freunde hat. Seiner Mutter sagte er nach dem Einbruch in der Tankstelle, dass jetzt genügend Zigaretten da seien. Auf Nachfrage gab er offen zu, dass er sie aus einer Tankstelle gestohlen habe, was seine Eltern bewog, ihn zu überzeugen, dass er seine Tat freiwillig bei der Polizei gestehen soll - was er auch machte.

Doch es dauerte keinen Tag, da entwendete er das Auto seiner Eltern, die aber deshalb keine Anzeige stellten, obwohl er wohl einen Unfall machte. Und er brach in einen Cateringbetrieb ein. Die Beute betrug rund 1400 Euro, der Sachschaden an der rückwärtigen Terrassentür rund 300 Euro. Eine Zeugin sagte später aus, dass sie zur Tatzeit einen Mann gesehen habe, der auf einem Servierwagen ganz offen Dinge aus dem Betrieb gefahren habe. Es habe für sie so ausgesehen, also ob jemand offiziell etwas abgeholt hätte. Am Tag darauf versuchte er erneut, dort einzubrechen, die Besitzer hatten aber zwischenzeitlich die Polizei angerufen und er wurde auf frischer Tat gefasst.

Sowohl der ihn begutachtende Psychiater, als auch die Jugendgerichtshilfe bestätigtem dem 20-Jährigen einige Probleme in seiner Entwicklung. In seiner Vergangenheit wurden bereits das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom und Legasthenie festgestellt. Er selber gab an, dass Stimmen in seinem Kopf ihn zu den Taten verleitet hätten. Auch sei ihm langweilig gewesen und er habe sich gedacht, dass er vielleicht einfach mal was tun sollte, was er noch nicht gemacht habe und von dem er später mal seinen Kindern verzählen könnte. Er habe einfach mehr Aufmerksamkeit erreichen wollen. Trotz seiner Probleme stehen seine Eltern aber weiter hinter ihm. Den bei seinen Diebstählen angerichteten Schaden, rund 3000 Euro, hat seine Mutter bereits beglichen.

© SZ vom 08.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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