Amtsgericht Erding:Staatsanwalt löst Kopfschütteln beim Richter aus

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Obwohl beide Angeklagten geständig sind, sollte ein Zeuge aus Spanien noch angehört werden

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Aussagen von Staatsanwälten lösen vor Gericht in der Regel nur Kopfschütteln bei Angeklagten und ihren Verteidigern aus. Doch diesmal war es Amtsrichter Andreas Wassermann, der mit einem entsetzten "Wie bitte?" reagierte. Denn der Staatsanwalt wollte einen Zeugen aus Spanien einbestellen, der zur Verhandlung gegen zwei Angeklagte nicht erschienen war. Die beiden hatten aber schon ein Geständnis abgelegt, wenn auch für andere Taten als die, die ihnen die Staatsanwaltschaft angelastet hatte. Das Diebesgut war zudem bei Hausdurchsuchungen sichergestellt worden, das meiste sogar noch in der Originalverpackung, weshalb Richter Wassermann kein Verständnis für den Antrag hatte - aus "prozessökonomischen Gründen" und weil sonst der Prozess zwei bis drei Jahre auf Eis liegen würde. "Die Spanier sind nicht so schnell", sagte Richter Wassermann.

Den beiden Angeklagten, ein 30- und ein 42-Jähriger, die zum Tatzeitpunkt als Spüler beim Catering-Tochterunternehmen LSG der Deutschen Lufthansa gearbeitet haben, sollen laut Anklage mehrere verplombte Trolleys aufgebrochen haben, die mit Ware für den Verkauf in den Flugzeugen bestückt waren. Gestohlen wurde alles Mögliche von Uhren über Schmuck bis hin zu Fotoapparaten und Kosmetikprodukten. Im Verkaufswert von 14 901 Euro, laut LSG. Alles soll im Zeitraum zwischen dem 3. März und dem 28. Mai 2017 von den Angeklagten gemeinsam entwendet worden sein, was den Tatbestand des gemeinschaftlichen schweren Diebstahls ergab.

Die beiden Angeklagten gaben auch zu, dass sie die Sachen, die man im Dezember bei der Hausdurchsuchung gefunden hatte, gestohlen hatten, aber das sei schon im Januar gewesen. Und sie hätten weder zusammen die Diebstähle begangen noch die Absicht gehabt, etwas davon zu verkaufen. Den 30-Jährigen habe das schlechte Gewissen gedrückt, der 42-Jährige sagte, dass er sich gar keine Gedanken darüber gemacht habe, was weiter passieren sollte.

Ins Rollen gekommen war alles, weil ein Kollege zu seinem Chef ging und erzählte, dass er den Diebstahl gesehen habe. Aber er wollte anonym bleiben. Die LSG prüfte daraufhin ihre Warenbestände und erstellte eine Liste von fehlenden Gegenständen. Der Zeuge, der bei der Verhandlung unentschuldigt fehlende Spanier, musste dann doch bei der Polizei aussagen, da die Firma Strafanzeigen wegen Diebstahls gestellt hatte. Selbst der Staatsanwalt musste zugeben, dass die Aussagen des Mannes "nicht eindeutig" waren. Mal sprach er von drei Tätern, dann wollte er nur einen einzigen beim Diebstahl gesehen haben. Auch die Namen lösten erst mal Verwirrung aus. Der, den er beobachtet haben will, heiße Mesut, sagte er bei der Polizei. Die LSG, die in München rund 1400 Mitarbeiter hat, fand aber in ihren Personalakten nur einen Mezei. Ein Abgleich der Dienstzeiten mit den sechs Tatzeiten erbrachte dann die Namen der zwei Angeklagten und führten zu den Hausdurchsuchungen.

Die Aussage eines leitenden LSG-Angestellten konnte den Vorwurf des schweren Diebstahls und der gemeinschaftlichen Tat ebenfalls nicht bestätigen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Plomben schon geöffnet gewesen seien, wie die beiden Angeklagten sagten. Und ein Ende hätten die Diebstähle auch nicht genommen. Jährlich würde bei der LSG Ware im Wert zwischen 50 000 und 60 000 Euro verschwinden.

Letztlich wurden die beiden Angeklagten von Richter Wassermann deshalb nur wegen einfachem Diebstahl zu Geldstrafen verurteilt. Der 30-Jährige muss 70 Tagessätze zu 33 Euro und sein Mitangeklagter 120 Tagessätze zu 30 Euro zahlen. Zudem seien sie bestraft, weil beiden fristlos gekündigt wurde, so der Amtsrichter.

Zum Nachteil ging seine Aussage auch für den Spanier aus. Es hatte sich schnell herumgesprochen, dass er gegen Kollegen ausgesagt hatte. Daraufhin sei er "massiv gemobbt" worden und habe gekündigt, um wieder in seine Heimat zu ziehen, sagte der LSG-Mitarbeiter.

© SZ vom 12.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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