Amtsgericht Erding:Prügel auf offener Straße

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Zwei Männer wegen gemeinsamer und somit gefährlicher Körperverletzung verurteilt

Von Gerhard Wilhelm, Erding

"Dass es bei elf Zeugen und der langen Zeit abweichende Aussagen gibt, ist für mich überhaupt nicht sonderbar. Für mich wäre es eher bedenklich, wenn sie übereinstimmen würden, dann könnten sie vorher abgesprochen sein." Aus diesem Grund folgte Amtsrichter Michael Lefkaditis auch nicht den Forderungen der Verteidiger, die wegen der so unterschiedlichen Zeugenaussagen einen Freispruch gefordert hatten, sondern verurteilte die beiden Angeklagten zu je einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung. "Die Quintessenz aller Aussagen ist, dass es Schläge und Tritte gegen den Geschädigten gab", sagte Lefkaditis. Deshalb hätten sich die beiden der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht, als sie in der Nacht des 5. Februar 2017 gegen 2 Uhr auf der Landshuter Straße in Taufkirchen in Streit mit einem Mann aus einer nahen Bar geraten waren.

Nach dem ersten Verhandlungstag hatten neun Zeugen keine Klarheit über den Verlauf des Streits auf offener Straße erbracht. Kurzzeitig schien es, als ob auch der zweiten Prozesstag nicht reichen würde, da eine Zeugin unentschuldigt dem Verfahren fern blieb. Die Verteidiger erklärten sich jedoch letztlich mit der Verlesung ihrer Aussage bereit, die sie vier Tage nach dem Vorfall gemacht hatte.

Wichtiger war für Richter Lefkaditis eh die erschienene Zeugin. Sie war ihrem Bekannten nach draußen gefolgt, nachdem dieser sie in der Bar um Hilfe gebeten hatte. Die Frau war nach Zeugenaussagen am Streit beteiligt und den lärmenden Männern gefolgt, bis die Polizei sie stoppte. Aber auch ihre Darstellung des Vorfalls unterschied sich von vorausgegangenen Aussagen. Als sie sich mit ihrem Bekannten und einem weiteren Mann den jungen Männern genähert habe, hätten diese sofort ihren Bekannten "angegangen", nicht nur verbal, sondern auch mit Schlägen. Einer der Angreifer habe ihn am Pullover gepackt und zu Boden geschleudert. Danach, und da war sich die Zeugin trotz anderslautender Angaben ganz sicher, hätten alle drei auf den am Boden liegenden Bekannten eingetreten: "Wenn wir nicht dazwischen gegangen wären, ich glaube, dann hätten sie ihn getötet." Wegen dieser Äußerung, die so bereits bei der Polizei gefallen war, hatte die Staatsanwaltschaft zunächst sogar wegen versuchten Totschlags ermittelt. Da die Frau und die andere Person immer nur zwei der drei Angreifer abhalten haben können, hätte einer stets die Chance gehabt, auf ihren Bekannten einzutreten. Erst als sie damit gedroht habe, die Polizei zu rufen und das Handy in die Höhe hielt, hätten die drei Männer abgelassen und wären gegangen. Anschließend sei sie ihnen im Auto gefolgt und habe der Polizei laufend von ihrem Aufenthaltsort berichtet, bis diese nach 21 Minuten eingetroffen sei.

Der Unterschied in den elf Zeugenaussagen variierte unter anderem darin, dass je nach Beobachter zwischen einer und drei Personen zutraten oder ob der Geschlagene seine Verletzungen durch einen selber verschuldeten Sturz oder durch Tritte und Schläge erlitten habe. Für beide Verteidiger war klar: anhand der Zeugenaussagen sei kein Tatnachweis zu führen, deshalb müsse "Im Zweifelsfall für den Angeklagten" gelten.

Richter Lefkaditis sah es aber so, wie die Staatsanwältin: "Es war sicherlich keine einfache Beweisaufnahme, da es keine zwei identische Aussagen gibt. Aber beim Streit handelt es sich um ein dynamisches Geschehen, bei dem jeder es aus seinem Blickwinkel sieht. Es gibt viele Erklärungen, warum jeder etwas anders sieht. Das ist aber kein Widerspruch, sondern dem geschuldet, dass jeder in dem Moment das sieht, was ihm wichtig ist." In der Kernaussage seien aber von jedem Tritte geschildert worden.

Da keiner der zwei Angeklagten bisher strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, sprach der Amtsrichter die Freiheitsstrafe zur Bewährung auf drei Jahre aus. Er verband das Urteil mit der Hoffnung, dass sich die beiden Männer das Verfahren eine Lehre sein lassen.

© SZ vom 26.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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