Amtsgericht Erding:Keine Zeugen für die Watschen: Freispruch

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41-Jähriger soll Lagerarbeiter geschlagen haben. Doch vor dem Amtsgericht verwickelt sich das Opfer in Widersprüche

Von Thomas Daller, Erding

Fünf Monate Haft ohne Bewährung hat die Staatsanwaltschaft am Amtsgericht Erding für einen Lastwagenfahrer gefordert, der einem Lagerarbeiter eine Watschen gegeben haben soll. Für den Vorfall gab es jedoch keine Zeugen, auf der Videoaufzeichnung war nichts zu sehen und es lag nicht einmal ein ärztliches Attest vor. Zudem verwickelte sich das angebliche Opfer in erhebliche Widersprüche. Richter Andreas Wassermann sprach den Angeklagten frei. Auf so einer dürftigen Grundlage schicke er niemanden in Haft.

Der 41-jährige Lastwagenfahrer aus München sollte am 18. Juni vergangenen Jahres zwei Paletten mit Retouren bei einem großen Betrieb in Hohenpolding abliefern. An der Rezeption habe man ihn angewiesen, den Laster an die Laderampe zu fahren. Danach habe er ans Tor geklopft, und der Lagerarbeiter sei wütend herausgekommen, weil es kurz vor mittag gewesen sei und nach zwölf Uhr dürfe er nichts mehr annehmen. Im Verlauf dieser Auseinandersetzung soll der Lastwagenfahrer dem Lagerarbeiter einen Schlag mit der flachen Hand auf die rechte Gesichtshälfte gegeben haben, strafbar als vorsätzliche Körperverletzung.

Der Lastwagenfahrer sagte vor Gericht, er habe nicht zugeschlagen. Vielmehr habe der Lagerarbeiter ihn angegriffen und am Hals gepackt. Er habe ihn dann weggeschubst, wobei ihm der Lagerarbeiter sein Collier abgerissen habe, das er am Hals getragen habe. Er habe anfangs auch gar nicht verstanden, warum sich der Mann so aufgeregt habe. Er sei dann mit seinem Collier zur Dame an der Rezeption gegangen und habe sich beschwert. Außerdem frage er sich, warum man denn nicht die Polizei gerufen habe, wenn er den Mann verletzt haben sollte. Ein paar Monate später habe er dann diese Anzeige erhalten und "dumm aus der Wäsche geschaut".

Es gab noch weitere Ungereimtheiten: Der Lagerarbeiter war erst drei Tage nach dem Vorfall zur Polizei gegangen und hatte ihn angezeigt. Er hatte auf einem Stick Aufnahmen der Überwachungskamera mitgebracht, auf denen jedoch kein Schlag zu sehen war. Außerdem sagte er, sein Arzt habe eine Gesichtsprellung diagnostiziert, ein Attest konnte er jedoch nicht vorlegen. Auch das Gericht sah sich die Aufnahmen an, konnte aber nichts Belastendes erkennen.

Zwei Zeugen, eine Putzfrau und ein weiterer Lagerarbeiter, hatten lediglich gehört, dass es zwischen den beiden lauter geworden sei, aber den Schlag hatten sie nicht gesehen. Der Kollege des angeblichen Opfers hatte ihn noch gefragt, ob es ihm gut gehe. "Ja, ja, alles gut, alles okay", habe er ihm geantwortet. Dieser Zeuge hatte allerdings auch das abgerissene Kettchen gesehen und somit einen Teil der Aussage des Angeklagten bekräftigt. Andererseits konnte er sich auch daran erinnern, dass sein Kollege eine gerötete Backe gehabt habe, kurz darauf sei dem jedoch im ganzen Gesicht die Zornesröte zu Kopf gestiegen.

Der angeblich geschlagene 23-jährige Lagerarbeiter bestritt, dass er laut geworden sei, er habe den Angeklagten auch nicht angefasst und konnte auch keinen triftigen Grund angeben, warum er erst drei Tage später zur Polizei gegangen sei. Außerdem hatte er bei der Polizei zu Protokoll gegeben, dass der Schlag mit der flachen Hand erfolgt sei, vor Gericht behauptete er dann, es sei die Faust gewesen. Rechtsanwalt Wolfgang Bendler, der Verteidiger des Angeklagten, kündigte ob dieser Ungereimtheiten umgehend an, im Falle einer Verurteilung in die nächste Instanz zu gehen.

Staatsanwältin Sandra Belling hingegen ging davon aus, dass sich der Fall so zugetragen habe, wie in der Anklage geschildert und forderte fünf Monate Haft ohne Bewährung. Flankierend kamen nämlich noch die Vorstrafen des Angeklagten hinzu: 2008, 2009 und 2011 war er bereits wegen Körperverletzungen verurteilt worden. Der Angeklagte erklärte jedoch zu seinen Vorstrafen, er sei mittlerweile Vater, ruhiger geworden und gehe Streit aus dem Weg.

Richter Wassermann sagte, es stehe Aussage gegen Aussage und die Zeugen hätten keinen Schlag gesehen. "Und ich bin kein Facharzt für Gesichtsrötungen", setzte er hinzu. Er sprach den Angeklagten frei: "Das reicht nicht, um eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten ohne Bewährung zu verhängen."

© SZ vom 03.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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