Amtsgericht Erding:Geldstrafe für "unbelehrbaren" Obdachlosen

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Am Terminal 2 darf sich der Obdachlose nach einem Hausverbot nicht mehr aufhalten. (Foto: Einfeld)

66-Jähriger wird zum wiederholten Male wegen Hausfriedensbruch verurteilt. Verteidiger sieht Flughafen als öffentlichen Raum

Von Gerhard Wilhelm, Erding/Flughafen

Zum Thema Hausfriedensbruch hatte der angeklagte 66-jährige Obdachlose seine feste Meinung: "Ich habe nicht gegen die Hausordnung am Flughafen verstoßen. Ich hab nichts gemacht". Er sei nur in einem Fastfood-Restaurant gewesen und habe dann zur S-Bahn gewollt, als ihn die Mitarbeiter der FMG-Unternehmenssicherheit aufgegriffen hätten. Und weil gegen ihn schon ein paar Tage vorher ein Hausverbot ausgesprochen worden war, ebenfalls aus seiner Sicht völlig unberechtigt, wurde gegen ihn Anzeige erstattet. Auch sein Verteidiger findet die Anzeige unberechtigt. Sein Mandant habe sich in einem öffentlichen Bereich am Flughafen befunden und habe sich damit dort auch aufhalten dürfen.

Der Paragraf 123 des Strafgesetzbuches ist sehr umfangreich. Einen Hausfriedensbruch begeht, wer in einen sogenannten geschützten Bereich eindringt. Das kann eine Wohnung, Geschäftsraum, ein abgeschlossener Raum zum öffentlichen Dienst (zum Beispiel Gerichtssaal, Behörden, Schulen), aber auch ein "befriedetes Besitztum - Grundstücksfläche, die in äußerlich erkennbarer Weise mit zusammenhängenden Schutzwehren gegen das beliebige Betreten durch andere gesichert ist" sein. Zum Beispiel mittels Hecken oder Absperrketten. Zudem ist ein geschützter Bereich ein "abgeschlossener Raum zum öffentlichen Verkehr", der öffentlichen oder privaten Personen- und Gütertransportverkehr dient.

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Nach Meinung des Verteidigers seien aber weite Bereiche des Münchner Flughafens keine geschützten Räume. Wie zum Beispiel neben den Straßen der Zentralbereich. Dort müsse man durchgehen, wenn man beispielsweise von einem Geschäft dort zum S-Bahnhof weiter wolle und sich nicht zum Zwecke des Fliegens am Flughafen aufhalte. Der Bereich sei deshalb öffentlich und die Flughafen München Gesellschaft (FMG) könne dort kein Hausrecht ausüben.

FMG, Richterin Michaela Wawerla und die Staatsanwältin sahen dies aber anders. Der Flughafen sei zwar in öffentlicher Hand, aber die FMG übe das Hausrecht aus und dürfe deshalb eine Hausordnung erlassen. Es sei auch kein Problem, wenn man sich ohne die Absicht, von dort abzufliegen, am Flughafen aufhalte. Ebenso wenig, wenn man nach der Landung noch eine Zeit lang im Airport-Bereich verweile. Aber es sei eines, wenn der Zweck darin liege, dort ein Obdach zu finden. Und zu genau dem Zweck sei der Angeklagte immer wieder am Flughafen.

Die beiden Securitymitarbeiter hatten nämlich berichtet, dass der Obdachlose ständig am Airport sei. Verweise man ihn des Platzes, komme er wenig später keine 50 Meter weiter wieder herein. Und das zu jeder Tages- und Nachtzeit. Auch habe man ihn öfters schlafend angetroffen. Überwiegend halte er sich im Terminal 2 auf. Gegenüber Belehrungen sei er resistent, schimpfe auch mal und versuche zu argumentieren, warum er sich seiner Meinung nach rechtmäßig am Flughafen aufhalte. Dennoch war ihm dann am 19. Mai ein schriftliches Hausverbot von der FMG erteilt worden. Und als er am 26. Mai erneut von der Security um 22.15 Uhr aufgegriffen worden war, folgte die Strafanzeige.

Gegen die Aussage des 66-Jährigen, der aus der Untersuchungshaft zur Verhandlung geführt worden war, sprachen auch seine Einträge im Bundeszentralregister. Alleine wegen Hausfriedensbruch standen weit mehr als 100 Fälle dort, dazu kamen Diebstähle, Beleidigungen. Körperverletzung und Widerstand gegen Vollzugsbeamte. Richterin Wawerla sah seine Aussage, dass er nach dem Besuch des Fastfood-Restaurants im Zentralbereich zur S-Bahn wollte, deshalb nur als Schutzbehauptung an.

Für sie sei er auf der Suche nach einer nächtlichen Unterkunft gewesen und nicht, weil es ihm nach seiner Aussage so gut auf dem Flughafen gefalle, weil da so viel los sei. Nachts um 1 oder 2 Uhr, wann man ihn schon öfters aufgegriffen hatte, sei bestimmt nichts mehr los und sie verurteilte ihn zu 900 Euro Geldstrafe. Was das Thema Hausfriedensbruch angehe, sei der 66-Jährige "unbelehrbar".

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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