Amtsgericht Erding:"Dumm und unbedarft", aber keine Straftat

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Asylbewerber drohte wohl mit Tötung von Menschen, doch ernst nahm die Aussage nur eine einzige Arbeitskollegin

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Seine Aussage vor Arbeitskollegen war für Amtsrichterin Michaela Wawerla zwar schlicht "dumm und unbedarft". Doch sie hätte für den 23-jährigen Asylbewerber schlimmstenfalls mit einer Haftstrafe enden können. Der Satz, "ich fahr jetzt nach München und bring auf dem Marienplatz alle um", fiel zwar wohl tatsächlich so oder so ähnlich, aber er wurde nur von einer einzigen Zeugin teilweise ernst genommen. Für die Richterin stand deshalb fest - im Gegensatz zur Staatsanwältin -, dass keine "Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten", wie es im Strafgesetzbuch heißt, vorlag. Sie sprach den Angeklagten aus "rechtlichen Gründen" frei, weil sie keine Auswirkungen auf die Öffentlichkeit sah: "Hätten Sie das auf dem Flughafen oder in einer anderen Firma mit vielen Leuten gesagt, wäre es anders."

Bei dem Fall hatte Wawerla mehrere Umstände zu berücksichtigen: der Angeklaget, der mit seinem kleinen Sohn und ohne Verteidiger gekommen war, beteuerte, dass er den Satz nie gesagt habe, sondern dass er eher eine Erfindung der Kollegen sei, mit denen es ab und an Streit gegeben habe. Er habe gar keine Gründe, so etwas zu sagen oder sogar zu tun, wenn er auch mittlerweile schon fünf Jahre in Deutschland wohne und hier nicht arbeiten und zur Schule gehen dürfe, bis sein Asylverfahren zu Ende sei. Zudem handelt es sich um keinen gewöhnliche Firma im wirtschaftlichen Sinne, sondern um einen Gebrauchtwarenmarkt eines Sozialdienstes in dem Menschen mit psychischen Störungen arbeiten. In dem Markt leistete der Angeklagte Sozialstunden aus einem früheren Urteil, unter anderem wegen Schwarzfahren und Widerstand gegen Vollzugsbeamte ab.

Drei seiner früheren Kollegen waren vor Gericht geladen gewesen, zudem die Sachbearbeiterin bei der Polizei. Ihre Ermittlungen hatten ergeben, dass eine Kollegin zum Chef des Marktes gegangen sei, um ihm zu berichten, dass der Angeklagte im Aufsichtsraum mittags den besagten Satz gesagt habe. Der informierte nach Rücksprache mit der Marktleitung die Polizei. Die Zeugenbefragung sei nicht so einfach gewesen, sagte die Polizistin, da "alle ein bisserl geistig eingeschränkt sind". Es müsse wohl Meinungsverschiedenheiten gegeben haben, aber der Angeklagte sei als nicht aggressiv beschrieben worden, es habe nichts auffälliges gegeben und auch bei der Durchsuchung seiner Wohnung habe man nichts gefunden.

Zwei der drei geladenen Kollegen des 23-Jährigen konnten sich nicht mehr genau erinnern, ob der Satz genau so gesagt worden ist. Der Angeklagte sei immer "lieb und nett" gewesen und man habe zusammen immer viel Spaß gehabt bei der Arbeit. Einer sagte, er sei für ihn wie ein Kumpel gewesen. Der andere wusste noch, dass die Situation für alle wohl deshalb so belastend gewesen sei, weil die Kollegin so geweint habe. Diese habe den Angeklagte zuvor wohl auch geärgert, was öfters passiere. Sie sei auch sehr empfindlich, wenn man etwas sage.

Sie selber gab an, dass sie vieles sehr ernst nehme, sie sei "kein oberflächlicher Mensch". Sie brauche keine Unruhe, da alle mit ihren psychischen Problemen schon genügend gestraft seien. Ob der Angeklagte seine Wort auch in die Tat umsetzen wollte, wisse sie nicht, dafür kenne sie ihn nicht genug. Aber es habe sie beunruhigt und deshalb sei sie zum Chef gegangen.

Da sich letztlich nur eine Person von der Aussage beunruhigen habe lassen, reiche aber nicht aus, dass eine Störung des öffentlichen Friedens handle, sagte Amtsrichterin Wawerla.

© SZ vom 02.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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