Amtsgericht Erding:Drei Jahre Haft für Fluchtwagenfahrer

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Nach einem Tankstellenüberfall in Moosinning kann die Polizei den Wagen ermitteln. Vor Gericht macht der Angeklagte keine Angaben, wird aber aufgrund einer "Fülle von Indizien" verurteilt

Von Thomas Daller, Erding/Moosinning

Drei maskierte Täter haben am 7. Mai vergangenen Jahres die Freie Tankstelle in Moosinning mit einer Pistole überfallen und die Tageseinnahmen geraubt. Von ihnen fehlt nach wie vor jede Spur. Doch die Polizei konnte anhand von Zeugenaussagen den Fahrer des Fluchtfahrzeuges ermitteln. Der junge Mann im Alter von 20 Jahren wurde gestern am Amtsgericht Erding wegen schweren Raubes zu drei Jahren Jugendstrafe verurteilt. Er machte im Prozess keine Angaben zu der Tat oder seinen Mittätern.

Die drei Täter trugen weiße Maleranzüge und Atemmasken, als die Tankstellenpächterin sie an der Straße stehen sah. Die Frau hielt die Drei für Handwerker, die in der Nachbarschaft mit Schleifarbeiten beschäftigt sein könnten. Als sie die Tankstelle dann gegen 12.20 Uhr betraten, dachte sie immer noch, sie würden vielleicht Getränke kaufen wollen. Doch plötzlich richtete einer eine Pistole auf die 62-jährige Tankstellenpächterin und rief: "Überfall, Geld, Geld, schnell, schnell!" Sie musste die Kasse öffnen, einer nahm die Scheine heraus, "und dann sans obghaut", sagte sie als Zeugin aus.

Bei ihrer Flucht überquerten sie die Straße und liefen dabei fast einer 23-jährigen Sozialpädagogin ins Auto, die gerade von einem Zahnarzttermin zurück kam. Die Maleranzüge und Atemmasken kamen ihr komisch vor, Corona war im Mai 2019 ja noch kein Thema. Außerdem hatten die Männer es verdächtig eilig.

Sie liefen in Richtung eines weißen Einser-BMWs, der an einem einsamen Feldweg stand, wo sonst nie jemand parkt. Drinnen saß ein jüngerer Mann ohne Maske auf dem Fahrersitz, mit Brille und kurzen dunkleren Haaren. Die Sozialpädagogin fuhr an dem geparkten BMW vorbei, von dem sie aber kurz darauf mit ungewöhnlich hohem Tempo überholt wurde. Sie merkte sich das Münchner Kennzeichen, die beiden Buchstaben und einen Teil der Zahlen, kehrte um und fuhr zurück zur Tankstelle.

Dort hatte die Tankstellenpächterin bereits die Polizei alarmiert. Auch einem Lastwagenfahrer, der hinter der Sozialpädagogin fuhr, war das Trio und der geparkte Wagen verdächtig vorgekommen, auch er meldete den Vorfall der Polizei. Hinzu kam, dass das Fluchtfahrzeug auf der B 388 auf Höhe Fischerhäuser von einem entgegenkommenden Wagen mit einer Dashcam aufgenommen wurde. Nach einem Zeugenaufruf stellte der Fahrer die Videosequenz der Polizei zur Verfügung.

Mit diesen Informationen konnte die Polizei den Halter des Wagens ermitteln: Es handelte sich um den Vater des Angeklagten. Der Vater hatte den Wagen am Tattag schon vermisst und sich bei seinem Sohn per SMS nach dem Verbleib des Autos erkundigt. Und der Sohn hatte auch kein Alibi: Er hatte die FOS Erding, an der er zur Schule ging, unentschuldigt geschwänzt, obwohl er dort bereits eine amtsärztliche Attestpflicht hatte.

Bei einer Hausdurchsuchung fand die Polizei weitere Malerkittel, einen Gasrevolver, für den der Angeklagte einen kleinen Waffenschein hatte, sowie 32 Gramm Marihuana. Der Staatsanwaltschaft reichten diese Indizien aus, um Anklage wegen schweren Raubes und Besitz von Betäubungsmitteln zu erheben.

Zu Beginn der Verhandlung sagte Rechtsanwalt Andreas Martin, sein Mandant räume den Drogenbesitz ein, werde sich aber zum Vorwurf des Raubes nicht äußern. Außerdem widersprach er, dass die Erkenntnisse der Dashcambilder verwertet werden, weil das datenschutzrechtlich ein Problem sei, ob das zulässig wäre.

Nachdem die Zeugen ihre Aussagen gemacht hatten, sprach Staatsanwalt Matthias Zweck von einer "Fülle von Indizien", die den Tatnachweis beweisen lasse. Auch die Dashcam sei verwertbar: Laut BGH-Rechtssprechung stünde hier das Strafverfolgungsinteresse im Vordergrund, weil es um einen schweren Straftatbestand gehe. Staatsanwalt Zweck forderte zwei Jahre und zehn Monate Jugendstrafe.

Rechtsanwalt Martin sagte, es gebe beim Raub keine konkreten Beweise. Wegen des Drogenbesitzes könne man dem Angeklagten Sozialdienste aufbrummen und dass er zur Drogenberatung gehe.

Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Michael Lefkaditis verurteilte den Angeklagten zu einer Jugendstrafe von drei Jahren. Es gebe eine "überzeugende Indizienkette", an der man keinerlei Zweifel habe. Der Angeklagte sei an der Tat als Fluchtfahrer beteiligt gewesen. Es gebe auch keinen Zweifel, dass das Auto dem Angeklagten zuzuordnen sei. Insbesondere die Beschreibung der Sozialpädagogin treffe voll auf den Angeklagten zu. Es handele sich um ein schweres Delikt, das im Erwachsenenstrafrecht eine Mindeststrafe von fünf Jahren nach sich ziehe. Dies lasse Rückschlüsse auf den Charakter des Angeklagten zu, dem man mit einem deutlichen Freiheitsentzug begegnen müsse.

© SZ vom 14.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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