Amtsgericht Erding:"Das wird nicht geduldet"

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Flüchtling wegen Sachbeschädigung verurteilt

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Deutliche Wort fand Richter Michael Lefkaditis für einem 20-jährigen Somalier, der wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung vor Gericht in Erding stand. Ihm wurde vorgeworfen, einen Herd in einer Flüchtlingsunterkunft zerstört sowie einen anderen Asylbewerber mit einem Messer zwei Schnitte in den Arm zugefügt zu haben. Beim zweiten Punkt kam es aber zu keiner Verurteilung, weil sowohl der Geschädigte als auch ein Zeuge nicht mehr in Deutschland sind. Die Entschuldigung des Angeklagten, dass er, als er die Scheibe des Backofens eingeworfen habe - um 7.30 Uhr morgens - besoffen gewesen sei, ließ der Richter nicht gelten. Er verhängte ein Wochenende Freizeitarrest. Zudem muss der junge Somalier ein Jahr durch Screenings nachweisen, dass er keinen Alkohol mehr trinkt.

"Es kann nicht sein, dass sie das Geld, das sie bekommen, einfach versaufen, und dass sie die Dinge, die ihnen in der Unterkunft aus Gefälligkeit zur Verfügung gestellt bekommen, zerstören. Das wird nicht geduldet, sondern hart bestraft", sagte der Amtsrichter zum Angeklagten, der einen Dolmetscher brauchte, um der Verhandlung zu folgen.

Bis es überhaupt zur Verhandlung kam, hatte es gedauert. Erst der dritte angesetzte Termin klappte - aber auch nur, weil der Angeklagte von der Polizei vorgeführt wurde. Beim ersten Termin habe er "ein Interview" gehabt und beim zweiten so starke Zahnschmerzen, dass er im Bett blieb.

An beide Taten wollte er sich nur noch dunkel erinnern, er sei jedesmal sehr betrunken gewesen, sagte der junge Angeklagte. Er könne sich nicht erinnern, dass er ein Glas gegen den Backofen geworfen und somit 538 Euro Schaden verursacht haben soll. Doch ein Zeuge, der zu der Zeit in der Unterkunft lebte, hatte es gesehen und bestätigt auch, dass der Angeklagte zur Tatzeit betrunken war.

Und zwar erheblich, er hatte 1,8 Promille Alkohol schon am Morgen im Blut. "Mir scheint, es kommt immer zum Ärger wenn Sie getrunken haben", sagte Amtsrichter Lefkaditis. "Mir ist langweilig, es gibt nichts zu tun", sagte der Angeklagte. Auf sieben bis acht Bier am Tag komme er. Der Mann gab an, dass er in seinem Heimatland von den islamischen Milizen bedroht worden sei und aus eigenem Antrieb mit 17 Jahren beschlossen habe, nach Deutschland zu flüchten. Seine Reise habe ein Jahr und einen Monat gedauert. Inzwischen trinke er keinen Alkohol mehr und werde hoffentlich bald in die Berufsschule gehen können - den Aufnahmetest habe er bestanden - und Deutsch lernen. Die Jugendgerichtshilfe sagte, der jungen Somalier habe schon fast "kindliche Züge", aber er benötige dringend ein "Stoppschild".

Auch die Staatsanwältin sah das so. Der Angeklagte ordne sein Alkoholproblem nicht richtig ein. Sie plädierte für 80 Sozialstunden, damit der seit 1. Januar 20-Jährige eine Struktur im Alltag habe und eine Aufgabe. Zudem müsse er ein Jahr lang nachweisen, dass er trocken sei.

Richter Michael Lefkaditis schloss sich letzterem an, sah aber einen Freizeitarrest für eindringlicher als Warnung an. Zudem muss er vier Alkoholtests im Jahr vorlegen. Den Schaden am Ofen stottert der Angeklagte mittlerweile in Raten ab.

© SZ vom 01.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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