Amtsgericht Erding:Betrogene Frau rastet aus

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31-Jährige attackiert auf dem Parkplatz der Therme ihren Freund mit Schlägen und Tritten

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Manchmal entscheiden ein paar Minuten darüber, ob eine Straftat stattfindet oder nicht. Wäre die Angeklagte nach zwei Stunden Autofahrt von Memmingen nicht exakt in dem Moment an der Therme Erding angekommen, als ihr Freund mit einer anderen Frau heraus kam, wäre es wohl bei der Vermutung geblieben, dass er sie betrügt. So aber hatte sie Gewissheit und rastete aus. Jetzt wurde die 31-Jährige wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigungen in zwei Fällen zu einer Geldstrafe zu 150 Tagessätzen zu je 30 Euro am Amtsgericht verurteilt. Auf eine Freiheitsstrafe auf Bewährung hatte Richter Andreas Wassermann verzichtet, da ein Täter-Opfer-Ausgleich vereinbart worden war. Zudem war die Stichverletzung nicht sehr tief.

Mit Schicksalsschlägen kennt sich die 31-jährige Angeklagte aus. Sie musste ihre beiden Eltern pflegen, ihre Mutter starb vor Kurzem, dann kam ihr Bruder bei einem Hausbrand ums Leben. Damit wollte die Verteidigerin den Vorfall auf dem Parkplatz der Therme nicht verteidigen, denn das, was die Staatswaltschaft ihrer Mandantin vorwarf, sei im Großen und Ganzen so passiert. Aber sie wollte den Druck schildern, unter dem die 31-Jährige am 14. Juli diesen Jahres gestanden habe.

Dass ihr Freund etwas mit einer anderen haben könnte, hatte die Angeklagte schon vermutet. An diesem Samstag im Juli ortete sie sein Handy über eine Googlesuchfunktion. Als Standort wurde die Therme Erding angezeigt, er hatte ihr aber gesagt, dass er auf Schulung sei. Sie fuhr mit zwei Freunden nach Erding, wo sie ihren Freund auf dem Parkplatz sah. Ein paar Meter dahinter eine junge Frau, beide mit dem Handy beschäftigt. Was dann passierte, schilderten alle Zeugen ziemlich identisch, die Angeklagte bestritt es auch nicht. Als sie ihren Freund sah, sprang sie aus dem Auto, lief auf ihn zu und verpasste ihm mit der rechten Hand eine Schlag gegen den Hals. Die folgende Auseinandersetzung erstreckte sich auf den gesamten Parkplatz: Sie schlug, er wich aus, sie beleidigte ihn, seine Begleiterin bekam als "Sommersprossennutte" auch was ab. Sie riss ihm sein T-Shirt vom Leib, wobei er Kratzer am Rücken und Brust abbekam, zudem zwei sehr schmerzhafte Tritte in den Unterleib. Als er sie auf Armlänge von sich halten konnte, hieb sie gegen seinen Bauch. Als er seine Hand zurück zog und sie voller Blut war, vermutete er, dass sie ihn mit einem Schlüssel am Schlüsselbund in die linke Bauchseite gestochen hatte.

"Ich war völlig erschrocken, als ich das Blut gesehen habe. Ich hatte das nicht gewollt, ich wollte ihm nie weh tun", sagte die Angeklagte vor Gericht. Sie sei heute noch entsetzt darüber, wie sie ausgerastet sei. Sie habe in dem Moment gar nicht gewusst, dass sie den Schlüsselbund noch in der Hand gehabt habe.

An dem Schlüsselbund befand sich eine kleine Nagelfeile und ein kleines Messer. Die Staatsanwaltschaft unterstellte der 31-Jährigen, dass sie bewusst mit dem Messer zugestochen habe - was den Tatbestand der schweren Körperverletzung erfüllt. Ob die stark blutenden Stichwunde, die mit drei Nähten geschlossen werden musste, vom Messer, der Feile oder einem der Schlüssel zugefügt wurde, konnte nicht geklärt werden. Amtsrichter Wassermann glaubte aber eher den Aussagen der Zeugen, dass die Angeklagte gewusst habe, dass sie den Schlüsselbund in der Hand hatte. Auch wenn sie beim Zustechen nicht bewusst an das kleine Messer oder die Feile gedacht habe.

Während die Staatsanwältin auf eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung plädierte, sprach sich ihre Verteidigerin für eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen aus, da ihre Mandantin zum Tatzeitpunkt extrem psychisch unter Stress gestanden sei. Ihre Mutter sei kurz zuvor nach langer Pflege gestorben und ihr Vater nach einem Schlaganfall pflegebedürftig geworden. Und ihre letzte Stütze, ihr Freund, habe sie betrogen. Als sie das bestätigt gesehen habe, sei für sie eine Welt zusammen gebrochen. Wassermann blieb in der Mitte: Eine Freiheitsstrafe sei nicht notwendig, da es einen Täter-Opfer-Ausgleich gebe und der Ex-Freund seine Strafanzeige zurückgezogen hatte. Die 31-Jährige bezahlt an ihren Ex-Freund 2500 Euro Schmerzensgeld.

© SZ vom 21.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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