Amtsgericht Erding:30 Euro, die die Welt verändern

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Schulden bei der Ehefrau lösen Streit aus, der vor Gericht landet

Der Streit, der das Leben des 39-jährigen Sicherheitsmitarbeiters veränderte, drehte sich um läppische 30 Euro, die er seiner Ehefrau schuldete. Er lag nach seiner Schicht im Bett, als sie wütend zur Schlafzimmertür hereingekommen sei und ihm eine Szene gemacht habe. Er sei davon aufgewacht und auf die Toilette gegangen, sagte der Mann vor Gericht. Das habe sie noch mehr erbost und er habe durch die Toilettentür gehört, wie sie zur Tochter gesagt habe, sie solle ihre Sachen packen: "Wir sehen den Papa nie wieder." Als er aus der Toilette gekommen sei, habe sie ihn weiter angeschrien. Da habe er sie seitlich an der Schulter gepackt, um sie wegzuschieben. Sie habe sich befreit, indem sie den angewinkelten Oberarm hochgerissen und sich gedreht habe. Dabei habe sie ihm den Ellbogen gegen den Kehlkopf gerammt. Er habe ihr daraufhin mit der flachen Hand eine Ohrfeige ins Gesicht gegeben. Sie habe dann Anzeige erstattet und seither würden sie getrennt leben.

Doch das war nicht die einzige Folge des Streits. Weil er gegen den schriftlichen Strafbefehl von 60 Tagessätzen zu je 20 Euro wegen vorsätzlicher Körperverletzung Einspruch erhoben hatte, wurde der Fall nun vor dem Erdinger Amtsgericht verhandelt.

Der Vorfall hatte sich am 8. April dieses Jahres in der Erdinger Wohnung des Ehepaares ereignet. Vor Gericht schilderte der Angeklagte den Ablauf der Tat und betonte, er habe nicht mit Vorsatz gehandelt: "Das war ein Reflex." Richterin Sabine Schmaunz ließ das aber nicht gelten: Ein Reflex sei beispielsweise der Kniesehnenreflex, aber kein Schlag ins Gesicht. Das sei eine Reaktion.

Daraufhin änderte der Angeklagte, der sich ohne Rechtsanwalt selbst verteidigte, seine Argumentation: Seine Frau habe ihn ja zuerst verletzt. Aber es liege ihm fern, sie nun ebenfalls anzuzeigen, damit er auf Notwehr plädieren könne. Er erkundigte sich bei der Richterin, was er denn sonst tun könne. Mit seiner Frau habe er bereits gesprochen; sie bleibe dabei, die Anzeige nicht zurückzuziehen, weil er einen "Denkzettel" verdient habe. Notwehr, erläuterte Richterin Schmaunz, käme nur infrage, wenn seine Frau zu einem weiteren Schlag ausgeholt hätte. Ob das der Fall gewesen sei? Nein, nein, winkte der Angeklagte ab: "Wir waren beide geschockt und erschrocken. Ich habe zuvor noch nie jemand geschlagen."

Auf die Frage nach der aktuellen familiären Situation erläuterte der Angeklagte, man lebe getrennt, halte aber weiterhin Kontakt wegen der drei gemeinsamen Kinder. Eines lebe bei ihm, die anderen beiden zeitweise bei der Mutter und zeitweise ebenfalls bei ihm: "Ich habe vier Tage Schicht und dann vier Tage frei. Wenn ich frei habe, kommen die beiden anderen auch zu mir."

Richterin Schmaunz erkundigte sich, was der Angeklagte mit seinem Einspruch gegen den Strafbefehl erreichen wolle? Denn auch nach seiner eigenen Schilderung komme er um den Sachverhalt der Körperverletzung nicht herum. Und auch bei der Höhe der zu zahlenden Tagessätze könne sie ihm kaum entgegen kommen, weil sie mit 20 Euro bereits sehr niedrig angesetzt seien. Im Gegenteil: Bei einer Verurteilung, um die er nach ihrer Einschätzung nicht herum kommen werde, würde die Tagessatzhöhe wohl nach oben korrigiert werden müssen. Sie empfehle ihm daher, seinen Einspruch noch zu Beginn der Verhandlung zurückzuziehen, bevor man mit der Zeugenbefragung ganz ins Verfahren einsteige.

Der Angeklagte wirkte verzweifelt: Die Höhe der Tagessätze sei zweitrangig, denn sowohl bei einer Verurteilung als auch beim Akzeptieren des Strafbefehls laufe es bei ihm auf das Gleiche hinaus - "ich werde dann arbeitslos und kann das so oder so nicht mehr zahlen". Denn als Sicherheitsmitarbeiter durchlaufe er alle paar Monate eine Sicherheitsüberprüfung und bei einer Strafe wegen Körperverletzung werde ihm gekündigt. Mit den Worten "dann lassen wir das" zog er seinen Einspruch zurück und akzeptierte den Strafbefehl. Thomas DAller

© SZ vom 18.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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