Amtsgericht Ebersberg:Retourkutsche mit Nudelholz

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Wegen angeblicher Schläge muss ein 28-Jähriger Strafe zahlen

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Das Nudelholz ist einerseits ein praktisches Küchengerät, andererseits ein unverzichtbares Slapstick-Utensil. Unzählige mehr oder minder begabte Cartoonisten und Sketch-Schreiber haben es zum zentralen Element häuslicher Streitigkeiten gemacht. Eine solche ereignete sich im vergangenen Herbst auch in einem Haus im nördlichen Landkreis, und auch hier kam ein Nudelholz zum Einsatz. Wen es am Ende traf, ist bekannt, darüber wer es geschwungen hatte, musste sich nun das Amtsgericht Ebersberg ein Urteil bilden.

Angeklagt war ein junger Mann, er soll bei einer Schlägerei mit seinem Mitbewohner das Nudelholz zum Einsatz gebracht haben. Allerdings nicht gegen den Kontrahenten, sondern gegen sich selbst, um anschließend den Mitbewohner wegen Körperverletzung anzuzeigen. Der Vorwurf lautete auf falsche Verdächtigung, dafür wurde ihm bereits ein Strafbefehl in Höhe von 400 Euro zugestellt. Was der 28-Jährige aber nicht auf sich sitzen lassen wollte und Einspruch einlegte.

In der Verhandlung wurde schnell klar, dass das Verhältnis des Angeklagten und seiner Mitbewohner nicht ganz einfaches ist. Alle stammen ursprünglich aus Pakistan und kamen als Asylbewerber nach Bayern. Zunächst lebten sie zusammen in einer Unterkunft in Poing, und in dieser Zeit ereignete sich ein Zwischenfall, der gewissermaßen die umgekehrte Vorgeschichte zur nun verhandelten Anschuldigung war. Damals war es während eines Cricketspiels zu einem handfesten Streit gekommen. Einer von ihnen beschuldigte später den nun Angeklagten, ihn mit einem Cricketschläger attackiert und geschlagen zu haben. Was sich aber vor Gericht nicht beweisen ließ, weshalb der angeblich Angegriffene verurteilt wurde - wegen falscher Verdächtigung.

Die nun erhobenen Vorwürfe seien daher nur eine Retourkutsche, ließ der Angeklagte über seinen Dolmetscher ausrichten. Überhaupt sei das frühere Verfahren der Grund, warum er und sein Mitbewohner - die Männer sind inzwischen aus der Unterkunft ausgezogen und haben Arbeit gefunden, wohnen aber immer noch zusammen in einer WG - erneut in Streit gerieten. Dabei habe sich sein Kontrahent das Nudelholz gegriffen und ihn damit auf den Kopf geschlagen. Der 28-Jährige blieb bei seiner Geschichte. Zum Beweis legte die Verteidigung Fotos vor, auf denen eine Platzwunde am Kopf des Angeklagten zu sehen ist. Anders als durch Einwirkung des Mitbewohners könnte diese ja kaum entstanden sein, so der Angeklagte, "wenn ich das Nudelholz in die Hand bekommen hätte, hätte ich doch ihn geschlagen und nicht mich selber."

Dass es zwischen den beiden zu einer Schlägerei gekommen war, gab der darin verwickelte Mitbewohner zu. Wie diese genau abgelaufen war, wer zuerst zugeschlagen hatte, ob mit der flachen Hand oder mit der Faust geprügelt wurde, darüber schien die Erinnerung aber schon etwas verblasst zu sein. Auch ein weiterer Mitbewohner konnte sich zwar an eine handfeste Auseinandersetzung erinnern, zu viele Details waren ihm aber offenbar nicht mehr im Gedächtnis geblieben. Trotz hartnäckiger Nachfrage von Verteidiger Florian Alte blieb das Geschehen in der Küche nebulös. Was nicht zuletzt am zunehmend sichtlich überforderten Dolmetscher lag, der die Aussagen der Zeugen zeitweise offenbar so ungenau wiedergab, dass einer von ihnen ihm sogar ins Wort fiel und ihn korrigierte.

Nur in einem waren sich die Zeugen komplett einig: Der Angeklagte habe sich selbst mit dem Nudelholz verletzt. Dieses sei im Laufe der Schlägerei zu Boden gefallen, der 28-Jährige habe es aufgehoben und sich damit auf den Kopf geschlagen. Darüber, wie und wie oft, gingen die Aussagen aber schon wieder auseinander. Während sich einer der Zeugen an drei mit beiden Händen ausgeführte Schläge erinnern wollte, konnte der andere lediglich einen Schlag bezeugen. Ob der aber mit rechts oder links oder beidhändig ausgeführt wurde, könne er wegen der mittlerweile vergangenen langen Zeit nicht mehr sagen.

Die Staatsanwaltschaft schlug daraufhin eine Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage vor. Auf Anraten von Richterin Vera Hörauf und nach Rücksprache mit seinem Mandanten ging der Verteidiger auf das Angebot ein. Der Angeklagte muss jetzt 200 Euro an den Kinder-Hospiz-Verein zahlen und außerdem die Verfahrenskosten tragen.

© SZ vom 12.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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