Aktiengesellschaft:"Typisch Seehofer"

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"Aufgemuckt" kritisiert Wendemanöver des Ministerpräsidenten bei dritter Startbahn

Von Clara Lipkowski, Freising

"Typisch Seehofer", sagt Benno Zierer und zuckt mit den Schultern. "Es ist typisch, dass er so von seinen innerparteilichen Problemen ablenken will." Zierer, bayerischer Landtagsabgeordneter (Freie Wähler), sitzt an diesem Donnerstagabend im Wirtshaus Grüner Hof vor einem großen Glas Wasser. Es geht darum, dass Horst Seehofer vor Kurzem erwogen hatte, die Flughafengesellschaft München (FMG) in eine Aktiengesellschaft (AG) zu wandeln, um so eine dritte Startbahn zu ermöglichen. Überrascht hatte Zierer das nicht, ärgern tut es ihn schon.

Die anderen Zuhörer offensichtlich auch. Sie sind zur Versammlung von "Aufgemuckt" gekommen, einem Aktivisten-Bündnis gegen die dritte Startbahn. Eine halbe Stunde vor Beginn meint Sprecherin Helga Stieglmeier mit Blick auf die leeren Stuhlreihen: "Das ist ja ein bisschen überdimensioniert, wir werden ja größenwahnsinnig". Als die Veranstaltung beginnt, sind alle Tischreihen mit gut 65 Leuten gefüllt, darunter Freisings Bürgermeisterin Eva Bönig, Manfred Drobny und Christine Margraf vom Bund Naturschutz, MdL Christian Magerl (Grüne), besagter Benno Zierer und der ehemalige "Aufgemuckt"-Sprecher Hartmut Binner.

Grund ist auch die Anhörung zum Ultrafeinstaub im Bayerischen Landtag an diesem Donnerstag, vor allem aber geht es darum, wie sich "Aufgemuckt" vor der Landtagswahl 2018 aufstellt. Seehofer jedenfalls, da war man sich einig, habe gelogen und betrogen. Christian Magerl zitiert den Ministerpräsidenten. 2016 habe er gesagt, die Entscheidung über eine dritte Startbahn müsse "zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern der Landeshauptstadt München getroffen werden." Der Schwenk jetzt sei ein glatter Wortbruch und "eine dritte Bahn durch die Hintertür". Unmut und Buhrufe der Zuhörer ruft dann eine Bemerkung Magerls hervor, als er von einer Abstimmung im Landtag zur Bildung einer FMG-AG berichtet: Zwei CSU-ler hätten mit der Opposition dagegen gestimmt. "Mit Enthaltung gestimmt hat der Freisinger CSU-Abgeordnete Florian Herrmann."

Unklar bleibt an dem Abend, ob eine Umwandlung in eine AG rechtlich so einfach wäre oder ob auch Taktik hinter dem Gerede steckt. Da sei man dran, sagt Stieglmeier.

Geht es um den Nutzen einer dritten Bahn, gibt es immer wieder Streit um die Flugzahlen. Stefan Nocon vom Bündnis fasst den Stand zusammen: "Transavia ist seit Herbst 2017 weg, Airberlin ist seit Oktober weg." Dadurch seien die Flugzahlen gesunken. Allerdings übernehme Eurowings einige Slots und wenn sich Lufthansa nach dem Teil-Kauf von Airberlin konsolidiere, würden es wieder mehr werden. "Aber", ist er sicher, "in Summe wird einiges wegfallen."

Am Abend kommen einige Vorschläge auf, wie es weitergehen soll. Eine Petition, die Teilnahme an einer Großdemo seien denkbar. Aber erst in der heißen Phase des Wahlkampfs. Man wolle sich breiter, bayernweit, aufstellen, heißt es. Auch den Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) wollen die Aktivisten erneut kontaktieren und die Eröffnung der ICE-Schnellstrecke von München nach Berlin am 10. Dezember nutzen, um daran zu erinnern, vom Flugzeug auf den klimafreundlicheren Zug umzusteigen. Für die Freisinger hat sich das Bündnis auch etwas überlegt. Sie könnten zu Weihnachten festliche Post von "Aufgemuckt" im Briefkasten haben.

© SZ vom 18.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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