Im Aufsichtsrat des städtischen Klinikums ist offenbar ein Machtkampf entbrannt. Bei der Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden des von Oberbürgermeister Dieter Reiter geführten Gremiums setzte sich überraschend der Landesvorsitzende der Ärzte-Gewerkschaft Marburger Bund, Christoph Emminger, gegen Amtsinhaber Dominik Schirmer von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi durch. Bei Verdi herrscht nun große Empörung über die Kandidatur des Schwabinger Betriebsratschefs, die den klaren Bruch einer zuvor zwischen den Gewerkschaften abgeschlossenen Vereinbarung darstelle. Verdi und Marburger Bund hätten sich im Vorfeld der Wahl auf eine gemeinsame Liste und die Wiederwahl Schirmers geeinigt. Emminger kündigte auf SZ-Anfrage eine Erklärung an, die allerdings bis zum späten Dienstagnachmittag noch nicht vorlag. Laut der Pressestelle des Marburger Bunds gab es keine Absprache mit Verdi.
Der Vorfall könnte die Arbeit im Aufsichtsrat erheblich belasten. Schirmer kündigte Konsequenzen dieses "Wortbruchs" an. In einer persönlichen Stellungnahme, die gewerkschaftsintern verschickt wurde, steht als Fazit Schirmers: "Dr. Emminger ist von nun an nicht mehr zu trauen". Dem neuen stellvertretenden Aufsichtsratschef gehe es primär "um seine Person und seine Eitelkeit". Dafür opfere er Vertrauen und Verlässlichkeit. Zwischen den Zeilen lässt sich herauslesen, dass Schirmer das Votum für eine Zufallsmehrheit hält - schon weil wichtige Vertreter der Stadt wie der erkrankte Kämmerer Ernst Wolowicz nicht anwesend waren. Der Verdi-Mann gilt aus der Rathaus-Perspektive als "Friedenslösung" für den einstmals heillos zerstrittenen Aufsichtsrat.
Der Konkurrenzkampf steht möglicherweise in einem größeren Zusammenhang. Denn kürzlich habe auch Erhard Reinfrank, der von Verdi gestellte Vorsitzende des Klinik-Gesamtbetriebsrats, seinen Posten niedergelegt, berichtet Schirmer. Der Grund für den Rücktritt sei interne Zerstrittenheit gewesen.