Emotionales Thema:Proteste gegen Fällungen

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Die Untere Naturschutzbehörde prüft jeden Einzelfall

Von Kristian Meyer

Ob für den Umbau der Prinzregentenstraße Bäume gefällt werden sollen, ob beim Kahlschlag rund um den Landtag Ende vergangenen Jahres oder eben ob auf dem Josephsplatz Bäume einer Anwohnertiefgarage weichen muss - zuverlässig regt sich irgendwo Widerstand. Vielen Münchnern sind ihre Bäume wichtig. Einer, der sich damit auskennt, ist Ulrich Uehlein. Er leitet die Untere Naturschutzbehörde (UNB) im Münchner Planungsreferat. Bei ihm kommen sowohl Baumfällanträge als auch Beschwerden über Kahlschlag-Aktionen auf privatem Grund auf den Tisch. "Manchmal wird man in Nachbarschaftsstreitigkeiten reingezogen, die aus einem Roman stammen könnten", erzählt Uehlein. So mancher Streit zieht sich über Monate hin, nimmt teils irrationale Züge an. Beim Protest gegen den Umbau des Josephsplatzes in der Maxvorstadt besetzten Umweltschützer Bäume und sogar das Vorzimmer des damaligen Oberbürgermeisters Christian Ude. Allerdings: Die Sorge um die Bäume, die kann Uehlein nicht nur verstehen, die teilt er grundsätzlich. Nur bisweilen würden eben objektive Gründe doch für eine Fällung sprechen: Krankheiten, Gefährdungen oder die Wichtigkeit eines Bauvorhabens. "Wir machen immer Einzelfallprüfungen", sagt Uehlein.

Zwölf Leute arbeiten unter Uehlein, die Einzelfällungsverfahren werden von drei Mitarbeitern durchgeführt. Die seien studierte Arboristen, Experten also für Baumstatik, Pilzbefall oder typische Schädlingsarten. Die zweite wichtige Aufgabe ist, bei Fällungen Ersatzpflanzungen zu veranlassen. "Bäume spenden Schatten, bieten Lebensraum für Vögel, Insekten und andere Kleintiere und verbessern das Kleinklima und die Luftqualität", heißt es auf der städtischen Internetseite, die für die Baumschutzverordnung wirbt. Bereits 1976 wurde diese eingeführt, schützt einerseits Bäume ab einem Stammumfang von 80 Zentimetern, sieht andererseits vor, dass für die gefällten Bäume Ersatz her muss. "Etwa ein Drittel der Baumbesitzer meldet sich von selbst bei uns, zeigt uns Fotos des neuen Baumes", so Uehlein. Als Nachweis müsse eine Rechnung über die Anschaffung und Pflanzung vorgelegt werden.

Ansonsten schauen die Baumkontrolleure nach dem Rechten. "Wir setzen vor allem auf heimische Laubbäume", so Uehlein. "Wenn jetzt aber ein Grundstücksbesitzer glaubhaft versichert, dass er sich in eine japanische Kiefer verliebt hat, dann lässt sich darüber im Einzelfall schon reden. Auf öffentlichem Grund werden derzeit mehr Bäume gepflanzt als gefällt: Im vergangenen Jahr hätten 2035 Bäume gefällt werden müssen, 2527 seien aber neu gepflanzt worden, teilt das Baureferat mit. Die Bilanz auf privatem Grund liest sich da aber deutlich schlechter: 3412 Einzelfällungen wurden genehmigt. Seine Behörde habe dem gegenüber 1789 Nachpflanzungen gefordert, so Uehlein. Verzichtet würde bei "angemessener Begrünung des Grundstücks oder fehlendem Pflanzstandort". Im Baugenehmigungsverfahren seien 2350 Fällungen genehmigt worden, 1911 Pflanzungen seien gefordert worden, dazu kommen Ausgleichszahlungen für 350 Bäume à 750 Euro. Nachverdichtung lasse leider nicht immer Platz für neue Bäume, so Uehlein. So stehen offiziell 7797 gefällte Bäume im Stadtgebiet nur 6227 geforderten Nachpflanzungen gegenüber. Uehlein betont aber, dass dies seit der 2017 vom Stadtrat entschiedenen "Ersatzpflanzungsinitiative" verstärkt kontrolliert werde.

Den Grünen im Stadtrat geht das aber nicht weit genug. "Da die Untere Naturschutzbehörde zu wenig Kapazitäten besitzt, um den Vollzug ihrer Auflagen betreffs Ersatzpflanzung zu verfolgen, soll durch die Einführung einer Kaution sichergestellt werden, dass eine verfügte Ersatzpflanzung auch tatsächlich stattfindet", fordern sie. Zusätzlich solle Baumrecht künftig über Baurecht stehen. Der Bau von Tiefgaragen dürfe künftig keinen Grund mehr für Fällungen liefern. Zur Begründung heißt es: "Bäume sind für ein gutes Stadtklima und für die Artenvielfalt unverzichtbar. Neupflanzungen können diese Funktionen erst nach vielen Jahrzehnten in dieser Art und Weise erfüllen."

© SZ vom 15.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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