Es ist kein Rennwagen, keine Luxuslimousine, kein Stadtauto, das die beiden jungen Ingenieure erfunden haben. Nein, ein Elektroauto für Afrika: einfach zu bauen, flexibel, geländegängig, mit Solarzellen auf dem Dach. An der Umsetzung der Idee haben Sascha Koberstaedt und Martin Šoltés vier Jahre lang gearbeitet. An diesem Dienstag haben sie ihren großen Auftritt: Die Doktoranden der Technischen Universität München (TUM) stellen ihr "Acar" auf der internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) vor.
Für die beiden Männer, 30 und 31 Jahre alt, ist die Präsentation in Frankfurt eine Riesenchance. Unter den Augen der versammelten Fachwelt können sie ihr Konzept für mehr Mobilität in Afrika vorstellen. Der Prototyp ist gebaut und getestet. Um ihr Auto auf die Straße zu bringen, haben die Münchner vor Kurzem eine eigene Firma, die Evum Motors, gegründet. Für die Entwicklung hatten sie eine Forschungsförderung von der TUM und dem Freistaat Bayern erhalten - damit das Acar in Serie gehen kann, müssen sie Sponsoren für den Bau einer Modellfabrik finden. Doch die beiden sind voller Hoffnung, dass schon in zwei Jahren die ersten Acars über die Straßen von Ghana rollen werden.
Am Anfang stand vor vier Jahren eine Reise mit Studenten durch Afrika. "Wir haben mit vielen Einheimischen gesprochen, um deren Bedürfnisse kennen zu lernen", erzählt Šoltés. Sie haben Bauern gesehen, deren Orangen unterm Baum faulten, weil sie ihre Ernte nicht zum Markt bringen konnten. Kranke kommen nicht ins Krankenhaus, Kinder nicht in die Schule, Gemeindevertreter aus entlegenen Gebieten nicht zu wichtigen Versammlungen. Weil das Leben auf dem Land so schwierig ist, fliehen viele Menschen in die Städte.
Das Acar ist also eine "Riesenchance für Afrika", sagt Šoltés, "aber weil Afrika einer der größten Wachstumsmärkte der Zukunft ist, sehen wir das auch als Chance für deutsche Autobauer." Das wollen die pfiffigen Ingenieure nun möglichst vielen potentiellen Unterstützern erklären. Einige Industriepartner haben sie schon gewonnen. "Es gibt ja einen Auto-Markt in Afrika", sagt Koberstaedt, "in den Städten erlebt man jede Menge Staus. Bisher werden aber vor allem gebrauchte Autos aus Europa oder Asien importiert, und die sind wegen der horrenden Zölle sehr teuer." Das Acar soll dagegen nur 10 000 Euro kosten, haben die Münchner ausgerechnet - sofern es gelingt, die Batteriekosten zu senken.
Mit ihrer Firma wollen sie zunächst eine Modellreihe in Europa produzieren, um Erfahrung zu sammeln. "Während dieser Zeit können wir Menschen aus Afrika schulen, die später ihr Wissen zuhause weitergeben", sagt Koberstaedt. Am Ende soll das Auto aber an mehreren Standorten in Afrika gebaut werden. Drei Lehrstühle der TUM - für Fahrzeugtechnik, Industriedesign und Gießereitechnik - waren an dem Projekt beteiligt. "Das Design ist einfach, die Karosserie besteht aus leicht zu biegenden Blechen. Wir nehmen bewusst Handarbeit in Kauf und schaffen so Arbeitsplätze", sagt Šoltés. Die beiden haben an alles gedacht: Der Kleintransporter kann eine Tonne Gewicht zuladen, und mit der Batterie lassen sich auch andere Geräte, wie etwa eine Seilwinde, antreiben. Der flexible Pickup kann sich zudem in eine mobile Arztpraxis oder eine Wasseraufbereitungsstation verwandeln, "all das wird auf dem Land dringend gebraucht". Die Batterie reiche für 80 Kilometer, sagen die Entwickler. Solarmodule auf dem Dach des Fahrzeugs erhöhten die Reichweite noch. "Das reicht durchaus für die meisten Zwecke der Leute auf dem Land", sagt Koberstaedt, der schon während seines Studiums Kinder in einem ghanaischen Waisenhaus unterrichtete, um in den afrikanischen Alltag einzutauchen. "Der Orangenbauer kommt mit unserem Auto auf jeden Fall zum Markt", sagt er.
Das Acar würde also gleich mehrere Probleme auf einen Schlag lösen, davon sind die Münchner überzeugt. Beide promovieren mit ihrem Projekt bei Professor Markus Lienkamp, einem Experten für Elektromobilität. Sie arbeiten zudem mit dem Afrika-Institut der Universität Bayreuth zusammen, deren Experten seit vielen Jahren enge Kontakte zu afrikanischen Universitäten unterhalten. Und schon in der Entwicklungsphase haben mehrere Industriepartner das Projekt begleitet. Gute Aussichten also.
Energie haben die beiden Ingenieure jedenfalls genug. "Das Projekt wird uns mit Sicherheit noch die nächsten Jahre beschäftigen", sagen sie.