Einfrieren:Coole Methode

Lesezeit: 2 min

Wegen des Grundwassers wird der Boden mit Stickstoff vereist

Wenn die Ingenieure der Stadtwerke vom Jahr 2017 an mit dem Bau der neuen Zugangsbauwerke sowie der beiden neuen Querstollen auf der U 1/2-Ebene loslegen, dann wird es kalt werden im Untergrund. Denn über große Leitungen werden Spezialfirmen Stickstoff in den Untergrund leiten und so das Erdreich um die bestehenden U-Bahn-Röhren von U 1/2 mehr oder weniger "einfrieren". Die Methode hatten Experten bereits von 2003 bis 2006 bei der Erweiterung des U 3/6-Bahnhofs unter Marienplatz, Rathaus und Marienhof angewendet. Damals wurden die Bahnsteige erweitert und zusätzliche Längsstollen in den Boden getrieben.

Einfrieren muss man den Boden damals wie heute wegen des Grundwassers, das in der Münchner Schotterebene mancherorts nur ein paar Meter unter der Oberfläche steht. Mit bis zu 25 Meter Bautiefe werden die Firmen beim Umbau des Sendlinger-Tor-Bahnhofs tief im Grundwasser arbeiten. Die Herausforderung besteht für die Ingenieure darin, die geplanten neuen Zugangsbauwerke zunächst einmal zwischen die bestehenden Röhren von U 1/2 zu betonieren - und anschließend einen Durchbruch zu den Röhren herzustellen. Durch diese Öffnung können die Passagiere künftig aus den U 1/2-Röhren in die neuen Zugangsbauwerke gelangen.

Allerdings müssen die Ingenieure verhindern, dass beim seitlichen "Aufschneiden" der Röhren das Grundwasser in Tunnel und Bahnhof drückt. Deshalb friert die Stickstoff-Anlage den Boden um die bestehenden Röhren ein - das Grundwasser kann diese Schicht dann nicht mehr durchdringen. Sobald die Löcher in die Röhren geschnitten und die Anschlüsse an die neuen Bauwerke hergestellt wurden, wird der Boden langsam wieder aufgetaut. Fertig.

Doch ganz so simpel stellt sich das Ganze natürlich nicht dar, sagt Christoph Schaller, der bei den Stadtwerken für die Ausführung des Sendlinger-Tor-Umbaus zuständig ist. Vor allem beim Einfrieren und Auftauen des Bodens müssen die Ingenieure behutsam vorgehen. Denn wird Wasser zu Eis, dehnt es sich aus - und kann Schäden an den bestehenden Bauwerken anrichten. "Im schlimmsten Fall", sagt Schaller, "werden die bestehenden Röhren wie eine Eierschale zerquetscht." Um das zu vermeiden, werden Fachleute Messeinrichtungen im Tunnel installieren. Außerdem strahlt der bestehende U-Bahnhof selbst Wärme ab. "Wir müssen daher sicherstellen, dass der Vereisungskörper nicht schmilzt", sagt Schaller. Deshalb werden Arbeiter vor Beginn der Vereisungsaktion großflächig Dämmmatten an den Innenseiten der U 1/2-Röhren anbringen. Die sollen die Wärme vom vereisten Boden abschirmen.

Die Bodenvereisung unter dem Marienplatz hatte das Oberpfälzer Bauunternehmen Max Bögl im Jahr 2003 zusammen mit der Spezialfirma York entwickelt. Schon damals war für die Fachleute abzusehen, dass die Methode bei anderen U-Bahn-Projekten in dicht bebauten Innenstädten zum Einsatz kommen wird, etwa in Berlin und Wien. Nun also kommt die Methode zurück an die Isar.

© SZ vom 21.01.2016 / mvö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: