Einblick in die Geschichte:Schlechte Nachrichten für Prinzessinnen

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Eine Kinderführung durch Schloss Nymphenburg dürfte für so manches Mädchen ein Schock sein: Zum Alltag von Adligen gehörten Dachsfett im Haar, strenge Sitten und überhaupt war Rosa eine Männerfarbe

Von Christina Hertel

Papa ist stolz. Seine Tochter Lorella hat ein weinrotes Kleid mit Reifrock an und übt einen Hofknicks. Er schießt ein Foto nach dem anderen. Lorella ist sechs Jahre alt und nimmt an einer Führung in Schloss Nymphenburg teil, die im Rahmen des Internationalen Museumstags stattfindet. "Wie machten sich Prinzen und Prinzessinnen schön?", ist der Titel, ein Thema das deutlich mehr kleine Prinzessinnen als kleine Prinzen interessiert, Jungs sind nämlich nur zwei da.

Die Kleider hat Schlossführerin Petra Rhinow mitgebracht, eins nach dem anderen zieht sie aus einem runden Koffer und den Mädchen über. Dann setzt sie ihnen noch weiße Perücken auf. Weiße Haare hatte der Hofadel früher auch, doch die zu bekommen, war mit deutlich mehr Aufwand verbunden. "Dachsfett oder Schweineschmalz wurde zuerst in die Haare geschmiert", erklärt Rhinow. "Das hat vielleicht gestunken." Dann wurde ein Gemisch aus Weizenmehl und Eiweißpulver mit einem Blasebalg auf die auf die Haare gesprüht. "Und weil man dachte, dass man von zu viel Waschen krank wird, bürstete man abends alles wieder heraus." Die Kinder gucken die Schlossführerin ein bisschen ungläubig an, aber niemand widerspricht ihr, alle schweigen, fast ein wenig ehrfürchtig.

Früher wurde so mancher Adlige im Kindesalter verheiratet. Prinzessinnen wurden mit fünf Jahren dem Mann vorgestellt, den die Familie gewählt hatte. (Foto: Robert Haas)

"Was glaubt ihr denn, wie hat so eine Prinzessin ihren Prinzen begrüßt?", fragt Rhinow die Kinder. "Hat die gesagt: Servus Prinz, magst a Limo?" Kopfschütteln. Geknickst wurde damals. Und das üben die Kinder auch: Mit ihren Sandalen fahren sie in einem Halbkreis um sich herum, ihre T-Shirts heben sie mit spitzen Fingern etwas hoch. Vor ihnen hängt ein Ölgemälde der Kurfürstin von Bayern Henriette Adelheid. "Die hat ihren Mann schon mit 13 Jahren geheiratet", sagt Rhinow und betont dabei die Zahl 13 besonders. Eigentlich hätte die Kurfürstin Königin von Frankreich werden und den späteren Sonnenkönig Ludwig XIV. heiraten sollen. "Schon mit fünf Jahren wurde sie ihm vorgestellt." So alt sind die Kinder, die an der Führung teilnehmen, auch etwa. Und offenbar finden die meisten die Vorstellung einer baldigen Hochzeit ziemlich gruselig. Manche drehen sich zu ihren Mamas um.

Aber die nächste schockierende Nachricht kommt gleich: Prinzessinnen durften weder rennen noch schubsen. Klatschen musste lautlos erfolgen. "Die Prinzessin hat dann eine Hand gehoben und mit zwei Fingern leicht dagegen geklopft, aber ohne Geräusch." Die Kinder machen es nach. "Und wisst ihr, was das schlimmste Wort für eine Prinzessin war?" "Sch...", schlägt ein blondes Mädchen vor und grinst. Vor 400 Jahren jedoch waren Erwachsene von viel Harmloserem erschüttert. "Eine Prinzessin durfte niemals Nein sagen." Aber Streit mit den Eltern, weil man sein Zimmer nicht aufräumen wollte zum Beispiel, hätte es damals sowieso nicht gegeben. Denn mit Mutter und Vater hatten Prinzen und Prinzessinnen normalerweise recht wenig zu tun. Nur Königin Karoline wollte die Erziehung ihrer sechs Kinder nicht in fremde Hände geben und unterrichtete sie selbst. Als Zeichen dafür steht heute in ihrem Königinnen-Schlafzimmer ein kleiner Stuhl samt Tisch. Ein Mädchen, das dort sitzen musste, war Ludovika Wilhelmine. Sie brachte später Sisi zur Welt, die Kaiserin von Österreich. "Sisi kennt ihr alle oder?", fragt Rhinow in die Runde. Die Kinder antworten alle brav mit "Ja" wie im Kasperltheater. "Wenn sich Sisi die Haare waschen wollte, dauerte das den ganzen Tag." Mit ihren nassen Haaren hat sie sich vor den Kamin gesetzt und Diener mussten ihr mit einem Fächer stundenlang warme Luft zuwedeln.

Klare Rollen: Für die Frage, wie Prinzen und Prinzessinnen sich schön machten, interessieren sich zwei Jungs und sehr viele Mädchen. (Foto: Robert Haas)

Nach der Führung durch Schloss Nymphenburg kommt für die Kinder der Höhepunkt: Sie dürfen die Prinzen- und Prinzessinnenkostüme anziehen. Die Kleider hat Rhinow vor einigen Jahren extra schneidern lassen. "Ich will das rosane", sagt ein blondes Mädchen. Aber übrigens: Es ist eine Erfindung der Moderne, dass das eine Mädchenfarbe sein soll. Die Schlossführerin erklärt: "Früher trugen alle Prinzessinnen grün oder gelb. Rosa und Pink das waren Männerfarben."

© SZ vom 23.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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