Ein Jahr Bundesfreiwilligendienst:Zu viel der Guten

Die Bedenken waren groß, doch nun, zum ersten Geburtstag, sieht das ganz anders aus: Der Bundesfreiwilligendienst ist ein Erfolgsmodell. Alle Stellen sind besetzt, die Verbände müssen sogar Bewerber ablehnen. Fünf Beispiele.

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(Foto: dpa)

Als vor genau einem Jahr der Bundesfreiwilligendienst, kurz: Bufdi, gestartet wurde, waren die Bedenken groß. Es würden sich nicht genug Interessierte melden, prophezeiten viele Sozialverbände, und den Zivildienst könne der Bufdi ohnehin nicht ersetzen. Nun, zum ersten Geburtstag, sieht das ganz anders aus: Der Bufdi ist ein Erfolgsmodell. Alle Stellen sind besetzt, die Verbände müssen sogar Bewerber ablehnen. Doch die von ihnen geforderte Aufstockung gewährt der Bund bislang nicht - aus finanziellen Gründen. Die meisten Bufdis sind junge Leute, die nach der Schule zumindest ein Jahr lang etwas ganz anderes machen wollen. Einige bleiben ihren Einsatzstellen sogar länger erhalten. Fünf Beispiele aus München und Umgebung.

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(Foto: npj)

Maximilian Jahl verkündet seine Einstellung zum Wehrdienst ganz unverblümt: "Das hat mich nie interessiert", sagt der 19-Jährige aus Haimhausen im Landkreis Dachau. Doch was er einmal machen will, wusste er direkt nach dem Abi am Josef-Effner-Gymnasium in Dachau auch noch nicht so recht. Ein Studium der Musik hätte ihn gereizt, aber die Aufnahmeprüfungen liefen zu einer Zeit, als Maximilian Jahl noch mitten in den Abiturprüfungen steckte. Rein theoretisch hätte er auch Lust auf einen längeren USA-Aufenthalt gehabt. "Das war aber aus Kostengründen nicht drin." Der neu eingeführte Bundesfreiwilligendienst kam da wie gerufen. Bei der Internetsuche nach einer geeigneten Stelle wird Maximilian Jahl schnell fündig. Sehr wählerisch ist er ohnehin nicht. "Ich habe einfach Bundesfreiwilligendienst eingegeben", erinnert er sich. Die Stelle beim Carl Duisberg Centrum, das Deutschsprachkurse für ausländische Teilnehmer organisiert, entpuppt sich als Volltreffer. Seit fast einem Jahr lernt Jahl ständig interessante Menschen aus aller Herren Länder kennen, zeigt ihnen die Münchner Innenstadt, organisiert das Freizeitprogramm oder beantwortet Fragen an der Rezeption. "Der Kontakt mit den ausländischen Studenten macht mir total Spaß", sagt er. "Dadurch ist auch mein Englisch besser geworden." Außerdem könne er jetzt viel vorausschauender planen. Etwas gibt es allerdings doch zu bemängeln: unnötige Verständigungsprobleme oder sehr unselbstständige Kursteilnehmer, die nervten ihn schon manchmal. "Da bin ich einfach zu ungeduldig." Bis zum 28. Juli läuft sein Dienst noch. Gebracht hat er ihm viel: ,,Ich weiß endlich, was ich studieren will.'' Und zwar Soziale Arbeit, nicht mehr Musik. Eine Kollegin vom Carl Duisberg Centrum hat ihn auf die Idee gebracht. Die hat ihn erstmals als richtigen Kollegen wahrgenommen. Und nicht mehr nur als Schüler.

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(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Michaela Edlmann träumte nach dem Abitur von einem Medizin-Studium. Daraus wurde im vergangenen Jahr vorerst nichts. "Den idealen Schnitt von 1,0 oder 1,1 hatte ich nicht, deswegen hat es mit dem Studienplatz nicht geklappt", sagt die 21-Jährige aus Ebersberg. Mittlerweile ist sie Bufdi, also eine Bundesfreiwilligendienstleistende. Für Edlmann stand fest, dass sie nicht ein Jahr lang rumsitzen möchte, schließlich sei das auch nicht gut für den Lebenslauf. Im Gegensatz zu anderen Abiturienten reizte es sie auch nicht, erst einmal eine Auszeit zu nehmen, auf Reisen zu gehen. Für sie war klar, dass sie unbedingt etwas im sozialen Bereich machen möchte. Edlmann erkundigte sich beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK) in Ebersberg nach offenen Stellen für ein Freiwilliges Soziales Jahr. Auch hier kam sie nicht mehr unter. "Durch Zufall bin ich dann auf den Bundesfreiwilligendienst gekommen, bewusst habe ich mich nicht danach erkundigt." Nun arbeitet sie seit Dezember in der Offenen Behinderten-Arbeit des BRK in Ebersberg. Anfangs war das eine Umstellung - von der Schulbank auf einen Acht-Stunden-Tag. "Da gewöhnt man sich dran", sagt Edlmann. Die Arbeit mit Menschen macht ihr offenbar Spaß. Fröhlich erzählt sie von ihren Tätigkeiten, ob im Büro oder in einer Familie mit behindertem Kind. Ob diese Arbeit mit Behinderten ohne passende Ausbildung nicht schwer sei? "Anfangs war es schon komisch", sagt Edlmann, "aber die sind durch die Bank nett. Vor allem bekommt man von ihnen das Zehnfache zurück von dem, was man geleistet hat." Bis November geht ihr Bundesfreiwilligendienst noch, danach will sie sich unbedingt weiter für ein Medizin-Studium bewerben. Einen festen Beruf im Sozialbereich kann sie sich also nicht vorstellen. "Aber ehrenamtlich möchte ich hier auf alle Fälle weiterarbeiten."

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

"Ich bin eher so der Sicherheits-Typ", sagt Luzia Kink. Ihren Bundesfreiwilligendienst im Festspielhaus in Ramersdorf absolviert die Münchnerin also nicht, weil sie nichts Besseres nach dem Abitur zu tun hatte. Sie wusste ganz genau, was sie will: Theater. Aber sie brauchte zunächst Abstand von der Schule, wollte nicht sofort mit dem Studium beginnen. Außerdem ist Theater vielfältig. "Da gibt es so viele Bereiche, die wollte ich erst einmal kennenlernen." Kink suchte also erst einmal Vergewisserung, Sicherheit eben. Deshalb hat sie sich gezielt beim Festspielhaus beworben. Die Arbeit dort ist vielfältig. Das blonde Mädchen mit dem wallenden Haar spielte schon die Rapunzel, bastelt aber auch Requisiten, hilft abends an der Kasse aus. Im September beendet sie ihren Dienst und ist sich mittlerweile schlüssig, dass sie Grundschullehramt studieren möchte, mit darstellendem Spiel als Zusatzfach. Wieder einmal die sichere Variante. "Als Theater-Pädagoge hat man es ja nicht unbedingt leicht. Außerdem komme ich mit dem Zusatzfach ja auch weiterhin mit Theater in Berührung", die Arbeitszeiten und die Ferien seien natürlich weitere Argumente für ihren Entschluss gewesen. Schwierig war es schon, jeden Tag so viel zu arbeiten, wie Kink sagt. Aber es kam ihr nie in den Sinn, den Freiwilligen-Dienst vorzeitig abzubrechen. Viel zu sehr hat ihr die Arbeit dort gefallen, auch wenn es manchmal mühselig gewesen sei, früh aufzustehen und spät heimzukommen. Die Zusammenarbeit mit den Kollegen, dass sie sich gut verstehen, das gefällt ihr. Vor allem auch, wenn sie von diesen positives Feedback bekommt. Kink braucht die Bestätigung. Ihr Selbstbewusstsein sei beim Bundesfreiwilligendienst gestärkt worden. Deshalb würde sie ihn auf jeden Fall wieder machen. "In der Zeit konnte ich mich orientieren, habe viel gelernt. Vor allem aber traue ich mir jetzt mehr zu." Solange sie sich dabei sicher ist.

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(Foto: N/A)

Nach den Abi-Prüfungen hatte Christoph Düber aus Freising vom Pauken die Nase voll. "Ich wollte unbedingt den Kopf frei bekommen", sagt der ehemalige Schüler der Rudolf-Steiner-Schule Ismaning. Nahtlos ein Studium zu beginnen, stand also nicht zur Debatte; doch ein komplettes Jahr zu vertrödeln erschien dem 20-Jährigen auch nicht sonderlich attraktiv. Als erster Freisinger hat er deshalb zum 1. September 2011 den Bundesfreiwilligendienst bei der Caritas angetreten. Ein halbes Jahr lang betreute er in der "Tagesstätte Courage" in Freising psychisch kranke Menschen. Gemeinsam einkaufen, frühstücken, kegeln oder einfach nur reden - das waren seine Aufgaben. "Es geht im Prinzip darum, für diese Leute eine geregelten Tagesablauf zu imitieren", erklärt Düber. Diese Aufgaben reizen ihn, bringen ihn aber auch an seine Grenzen. Düber trifft auf Lebensgeschichten, die ihn tief erschüttern. Wie er damit umgehen soll, weiß er am Anfang nicht. "Tief durchatmen", sei da stets eine gute Strategie gewesen. Und: "Man muss lernen, mit einem gewissen Abstand an die Sache ranzugehen." Einer Kollegin, so erzählt er, sei es da weniger gut ergangen. Dafür seien Mädchen oft einfühlsamer und hätten besonders im Umgang mit älteren grantligen Herren ein besseres Händchen. "Bei mir haben die manchmal keine Miene verzogen", sagt Düber und lacht. Persönlich genommen hat er offenbar nicht. Seit sein Bundesfreiwilligendienst im März ausgelaufen ist, arbeitet er zwei bis dreimal pro Woche ehrenamtlich für die Caritas Freising. Zum Wintersemester möchte er Gesundheitsmanagement studieren, auch ein Psychologiestudium spukt ihm manchmal noch durch den Kopf. Während seiner Zeit bei der "Tagesstätte Courage" hat er zumindest im Ansatz verstanden, wie die menschliche Psyche funktioniert. Das ist aber nur einer der Gründe, weshalb er sich immer wieder für den Bundesfreiwilligendienst entscheiden würde.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Katharina Borst ist in Baden-Württemberg in einem behüteten Elternhaus aufgewachsen. Und sie ging, wie sie sagt, einen geraden Weg: Grundschule, Gymnasium und im Anschluss sollte im vergangenen Jahr ein Medizin-Studium folgen. "Im Sommer habe ich ein Praktikum in einem Krankenhaus in Ghana gemacht, da war für mich klar, dass ich Medizin studieren will", erzählt die 19-Jährige. Das mit dem Studium klappte 2011 noch nicht, deshalb zog es sie in eine schöne Stadt, nach München wollte sie. Gelandet ist Borst in Eurasburg, für ihren Bundesfreiwilligendienst im Kinderheim Inselhaus. Dort betreut sie Kinder und Pferde bei einer tiergestützten Therapie. "Gerade die Mischung hat mich gereizt, und deswegen habe ich mich für Eurasburg entschieden, obwohl es dort ja nicht so städtisch ist", sagt sie und schmunzelt. Der körperliche Ausgleich ist ihr wichtig, und sie ist auch mit Pferden aufgewachsen. Ebenso gefalle es ihr, dass ihr Tag durchstrukturiert ist. "Der Vormittag gehört den Pferden, den Nachmittag verbringe ich mit den Kindern." Mittlerweile ist Borst acht Monate dabei und bleibt noch bis Ende Juli. Sie hat einen Draht zu den Kindern entwickelt, ist in ihr Leben involviert. Besonders weil sie zugleich auf dem Gelände des Kinderheims wohnt, da kommt es auch abends mal vor, dass eines der Kinder klingelt. Das Abschiednehmen in einem Monat werde ihr schwer fallen, sagt sie. Im Bereich Soziales wolle sie nicht weiterarbeiten. "Obwohl ich großen Respekt vor den Leuten habe, die das machen. Aber mich würde das zu doll mitnehmen", sagt Borst. Denn weil sie wohl behütet aufgewachsen sei, sei es für sie schwierig gewesen, mit stark traumatisierten Kindern zu arbeiten. Ihr Bilanz ist trotzdem positiv. "Ich kann nur jedem raten, mal eine Auszeit zu nehmen, vor allem wenn man so wie ich den geraden Weg gegangen ist. Man lernt einfach viel und vor allem Leute kennen, die man so nicht treffen würde."

© SZ vom 2.7.2012/Protokolle: frg und frani - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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