Ein Blick in die Kleiderschränke:Kommode statt Kommerz

Verlässliche Lieblingsstücke mit einer langen Geschichte und viel Patina - davon besitzt jede Frau mindestens eines. Für die SZ haben sechs Münchnerinnen ihren Kleiderschrank geöffnet. Zum Vorschein kommen zum Teil alte Teile - die noch immer modisch aktuell sind.

Anne Goebel

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(Foto: dpa)

Was darf es sein von den Laufstegen in Mailand und Paris, wo sich in diesen Tagen und noch bis zum kommenden Mittwoch die Mode von übermorgen an ihrem eigenen Glanz berauscht? Im Angebot auf den Catwalks für den Look des Sommers 2012 sind zum Beispiel: Kantige Lackblazer, Fransenkleider in Gold oder Hotpants aus Nichts und ein bisschen schwarzer Spitze. Zweimal im Jahr trifft sich die Branche der Kleiderkünstler zum großen Spektakel der Defilees - der Rest der Welt wird dabei mit surrealen Bildern versorgt, aus denen Moderedaktionen, Blogger und Stylisten die Trends der Zukunft destillieren müssen. Und kaum sind sechs Monate vorbei, ist die heißeste Ware bloß noch ein schlaffes Stück Stoff. Die Realität in den Kommoden von Durchschnittsmenschen sieht weniger überhitzt aus. Klar, man würde ja auch gern öfter neue Einkäufe einsortieren, wenn die schönsten Stücke nur nicht unbezahlbar wären. Was also bleibt anstelle von opulenter Exzentrik, das sind die persönlichen Klassiker. Verlässliche Lieblingsstücke mit einer langen Geschichte und viel Patina - davon besitzt jede Frau mindestens eines. Für die SZ haben sechs Münchnerinnen ihren Kleiderschrank geöffnet.

Ein Blick in die Kleiderschränke

Sibylle Carnonica

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(Foto: Catherina Hess)

Sibylle Canonica, 54, Schauspielerin am Residenztheater: "Mein Lieblingsmantel ist ein Stück für alle Fälle. Nach dem Motto: das Teil, wenn nichts mehr hilft. Er passt einfach immer, schnell über die Jeans, oder wenn ich einen langen Tag habe, mit Proben und anderen Terminen und dann noch auf dem Fahrrad nach Hause fahre. Beim ersten Hinschauen sieht er aus wie ein Arbeitskittel, aber dann erkennt man, wie besonders er genäht ist. Ein typisches Stück von Martin Margiela, die Wirkung kommt auf den zweiten Blick. Und er hat besondere Details, eine Innentasche zum Beispiel - eigentlich typisch für Herrensachen, aber ich liebe das, wenn es sie auch für Frauen gibt. Ich besitze ihn jetzt schon einige Jahre, eine Bekannte hat ihn mir damals vermacht, damit ich ihn weitertrage. Die Farbe des Mantels würde ich steingrau nennen, aber sie hat gar nichts stumpfes, sondern sie leuchtet. Der Stoff ist auch besonders. Und man kann ihn einfach in der Maschine waschen. Neulich hatte ich den Mantel sogar in den Ferien dabei. Es ist ein ganz unkompliziertes Teil und schnell in die Tasche gepackt. Rollt sich unauffällig in die Ecke und muckt nicht auf."

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Christin Losta, Fotografin:

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(Foto: Catherina Hess)

"Das ist mein Sakko von Helmut Lang. Ich habe es vor mehr als 15 Jahren gekauft, seitdem begleitet es mich. Helmut Lang kommt aus Wien, wie ich auch, und ich habe es von Anfang an geschätzt, wie dieser Designer klassische Formen mit kleinen, sehr überlegten Änderungen modernisiert. Bei meinem Sakko, übrigens sprechen wir das in Wien mit Betonung auf dem O aus, ist es der Satinstreifen. Es gibt ja eine regelrechte Gemeinde aus Helmut Lang-Fans, die es sehr betrauern, dass er aufgehört hat. Wenn ich die Jacke trage, fühle ich mich gedanklich zu Hause. Schließlich lebe ich hier in München sozusagen in der Fremde. Ich nenne das Sakko meine Vernissagen-Uniform. Es ist nichts zum Semmelnholen, aber abends passt es immer, zu Jeans, zu einer Samthose, je nach Anlass. Ich würde die Jacke nie hergeben. Verleihen ja, an gute Freunde. Aber nicht verschenken oder verkaufen. Die kommt mal ins Museum."

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Sandra Forster, 37, Gastronomin:

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(Foto: Catherina Hess)

"Vor acht oder neun Jahren habe ich diese Lederjacke in einem Secondhand-Laden gefunden. Eigentlich kein typisches gebrauchtes Teil, weil sie fast ungetragen war und ganz glatt. Aber ich hatte im ,Kleidermarkt' bewusst nach einer Jacke gesucht, weil man dort Modelle findet, die es in den Läden nicht gibt. Und dann gefiel mir eben dieses Achtziger Jahre-Teil in Grauweiß. Die Blousonform, die betonten Schultern, das ist richtiger Michael Jackson-Stil. Damals war noch keine Rede vom Revival der Achtziger, und ich bin ziemlich viel angesprochen worden auf die Jacke. Die meisten fanden sie hässlich. ,Wie bitte, was trägst du denn da?' Inzwischen finden sie natürlich alle toll. Ich mochte sie von Anfang an, und je nachdem, ob ich gut drauf war oder nicht, war es mir eigentlich meistens egal, wie sie die anderen fanden. Eine typische Übergangsjacke für Frühling und Herbst, außerdem nicht so schwer, das ist angenehm. Wenn ich sie anziehe, fühle ich mich sicher. Sie ist wie eine kleine Schutzschicht."

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Colleen Scott, 66, Ballettmeisterin am Bayerischen Staatsballett:

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(Foto: Catherina Hess)

"1966 war ich von London aus zum ersten Mal in Italien, auf Capri. Ich traf dort meinen Vater, der geschäftlich in der Gegend zu tun hatte. Damals war ich 20. Wir wohnten in einem wunderbaren Hotel, ich aß zum ersten Mal in meinem Leben Muscheln - wie gut sie schmeckten, war eine Riesenüberraschung für mich. Und mein Vater kaufte mir diese Bluse von Emilio Pucci, eigentlich ist es eher ein Hemd. Wir ließen sie anfertigen, und die Farbe war wirklich sehr ausgefallen. Das ist sie immer noch, und ich trage das Hemd bis heute. Nach 45 Jahren! Ich liebe es, meine Sachen zu pflegen, anstatt ständig Neues zu kaufen. Die Bluse ist etwas für besondere Anlässe, für das Theater, die Oper, eine Gala. Gerade unsere Oper hier in München ist ein sehr festliches Haus, da zieht man sich selbst gerne elegant an. Ein gerader schwarzer Rock passt am besten zu der Bluse, außerdem eine Kette aus schwarzem Tumalin, die ich von meiner Großmutter geerbt habe. In Capri war ich seitdem nicht mehr. Die Reise von damals bleibt ein besonderes Erlebnis."

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Alexandra Melachrinos, 28, Modedesignerin:

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(Foto: Catherina Hess)

"Mein Lieblingsstück ist ein weißer Frack, den ich 2005 selbst entworfen und genäht habe. Er gehörte zu meiner Diplomarbeit an der Modeschule, und seitdem trage ich ihn, so oft es geht. Ein ziemlich auffallendes Teil mit dem gestreiften Stoff, den Posament-Besätzen vorne und einem Siebdruck auf dem Rücken. Der ist allerdings schon ziemlich verblichen vom vielen Waschen. Die meisten Stücke meiner Abschlusskollektion habe ich damals verkauft, das haben alle Studentinnen so gemacht, wir brauchten ja Geld. Aber den Frack gebe ich nie her. Ich verleihe ihn nicht mal. Er gehört nur mir, aus. Inzwischen ist er in abgeänderter Form auch Bestandteil meiner Kollektion. Ich hänge an dem Stück, weil es mir den Weg gewiesen hat. Da steckt schon alles drin, was ich heute mache: Die Arbeit mit Möbelstoffen, das Üppige, meine Liebe zu historischen Formen. Der Frack ist mein Glücksbringer."

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Sara Nuru, 22, Model

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(Foto: Catherina Hess)

"Die schwarzen Schuhe habe ich vor drei Jahren in einem Laden am Gärtnerplatz gefunden - und seitdem trage ich sie gefühlt jeden Tag. Ungelogen! Sie sind bequem, ich liebe Wildleder, der Reißverschluss hinten ist ein kleines Extra, einfach perfekt. Ich tue mich mit Schuhen eher schwer. Einerseits mag ich hohe Schuhe, sie gehören ja auch zu meinem Beruf als Model. Andererseits tragen sich Highheels oft nicht angenehm. Diese Lieblingsschuhe sind von einem dänischen Designer, und ich trage sie sogar im Sommer. Selbst bei öffentlichen Auftritten kamen sie zum Einsatz. Kürzlich habe ich sie zu einem eleganten weißen Kleid kombiniert. Ich mag Stilbrüche. Aber vor allem fühle ich mich in meinen Schwarzen einfach gut. Ausgeglichen, selbstsicher. Sie werden mich noch ein paar Jahre begleiten. Ich hab' mir sicherheitshalber ein zweites Paar geholt."

© SZ vom 1.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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