Zu Ehren von Otto Dressler:Die sanfte Seite des Provokateurs

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Ein "tolles Gemeinschaftsprojekt": Landrat Robert Niedergesäß, Künstler Huber Maier, Stadtarchivarin Antje Berberich, Mathias Demmel und Bürgermeister Walter Brilmayer enthüllen die Steinarbeiten Otto Dresslers. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Stadt und Landkreis bereichern Ebersberg in einer gemeinschaftlichen Aktion um bedeutsame Kunstwerke: Fünf Steinskulpturen Otto Dresslers aus Moosach zieren nun die Terrassenstufen an der Altstadtpassage

Von Anja Blum, Ebersberg

Wer hätte das gedacht: Otto Dressler war nicht immer der Rebell, der Provokateur, als der der Moosacher zu einiger Berühmtheit gelangte. Ganz im Gegenteil. Der 1930 Geborene stammte aus einem traditionellen Elternhaus in Rheinland-Pfalz, aus einer Steinmetzfamilie, lernte selbst dieses Handwerk und schuf in jungen Jahren etwa 40 Kriegerdenkmäler in ganz Deutschland, also jene Steinmonumente, die an die gefallenen Soldaten erinnern. Gerade er, der später den Krieg und den Nationalsozialismus mit unzähligen Performances und Installationen - oft bis über die Schmerzgrenze seiner Mitmenschen hinaus - geißeln sollte.

All das wusste Hubert Maier, selbst Bildhauer aus Moosach, am Dienstag über den 2006 verstorbenen Künstler zu berichten, bei der Enthüllung von fünf Skulpturen Dresslers in der Ebersberger Innenstadt. Sie nämlich müssen jeden verwundern, der das Werk des "Verfremders", wie Dressler sich selbst bezeichnete, ein wenig kennt. Denn diese Arbeiten aus Tuffstein haben rein gar nichts Kritisches, vielmehr sind sie weiche, gefühlvolle Bearbeitungen des Materials, "mit sanfter Hand geschaffen", wie die Bildhauerin Silvia Di Natale sagte, die in der kleinen feierlichen Runde ebenfalls ein paar Worte sprach. Vielleicht sei Dressler so vorsichtig mit dem Stein umgegangen, "weil ihm der Missbrauch gerade dieses Kunsthandwerks durch die Nationalsozialisten noch im Nacken saß?"

Die Formen, die so entstanden, sind minimalistisch-abstrakt, die meisten verjüngen sich nach unten, oben befinden sich unterschiedlich gestaltete, aber stets abgerundete Ausbuchtungen. Was sich der Künstler dabei dachte, ist unbekannt, insofern kann jeder Betrachter hier seinen Assoziationen völlig freien Lauf lassen. Antje Berberich zum Beispiel, Galeristin und Archivarin des Ebersberger Rathauses, erinnern Dresslers Steine an menschliche Köpfe, mal mit Haar, mal ohne. "Sie sind in jedem Fall zum Streicheln da."

Berberich ist es zu verdanken, dass die einmaligen Skulpturen - andere Steinarbeiten Dresslers sind bislang nicht bekannt - nun in der Öffentlichkeit stehen. Als gute Freundin der Dresslers verwahrt die Ebersbergerin einen Großteil ihres künstlerischen Nachlasses (Dresslers Frau Hildegard war Malerin) und bemüht sich darum, beider Werk immer wieder mit Ausstellungen in Erinnerung zu bringen. Die Steine auf Betonstelen sind nun die erste dauerhafte Präsentation, eine Infotafel wird noch folgen. Dass ausgerechnet die Steine im öffentlichen Raum stehen, und nicht eine der Installationen aus Stacheldraht, Hakenkreuzen, Helmen, Waffen und Kunstblut, für die Dressler eigentlich bekannt ist, hat einen simplen Grund: "Alle diese anderen Objekte wären viel zu provokant an solcher Stelle", sagt Berberich.

Bei Dresslers in Moosach waren die Steine in Reih und Glied auf einer kleinen Gartenmauer gestanden, etwas hinter Grün versteckt. "Bei der Auflösung des Hausstands wären sie vor lauter Hektik beinahe vergessen worden", erzählt Berberich. Doch die Schwester Hildegard Dresslers habe dann spontan die Abmontage erlaubt, Berberich nahm die Skulpturen unter ihre Fittiche - und nun Landkreis wie Stadt in die Pflicht. Den bekanntesten Künstler aus dem Landkreis zu ehren aber sei "eine schöne Verantwortung", sagt Landrat Robert Niedergesäß, und die Installation eine "tolles Gemeinschaftsprojekt".

Also lernen die Ebersberger nun einen ganz neue Seite von Otto Dressler kennen. "Diese Skulpturen sind in einer Zwischenphase entstanden", erklärt Maier. Als nämlich Dressler Anfang der 1960er Jahre in das Künstlerdorf Moosach kam und dort die "wilden, linken, progressiven" Mitglieder der Gruppe "Spur", allen voran Heimrad Prem, kennenlernte, habe ein Wandel bei ihm eingesetzt: vom Steinbildhauer, der anmutige Werke für die Ewigkeit schafft, zum politisch motivierten Verfremder, der mit provokanten Performances Aufmerksamkeit erregt. "Ich denke, Moosach hat Dressler erst zum Künstler gemacht", sagt Maier. Und was der Bildhauer nun habe ausdrücken wollen, sei ihm mit Stein eben nicht mehr möglich gewesen. "Ich kenne das vom Holz: Eine handwerkliche Ausbildung kann einem in der Kunst auch sehr im Wege stehen."

© SZ vom 11.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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