Wohnen zur Wiesnzeit:Couch im Keller

Lesezeit: 3 min

Das Oktoberfest wirkt in die Region hinein: Nicht nur Hotels, sondern auch Privatleute im Landkreis profitieren von den prognostizierten sechs Millionen Besuchern. Was da zur Miete angeboten wird, ist aber zum Teil abenteuerlich

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Die Wiesnzeit ist für die Schnäppchenjäger unter den Wohnraumvermietern so etwas wie Weihnachten und Geburtstag zusammen: Eine Nacht auf einer "Cosy Couch" in Oberpframmern gibt es für 100 Euro, gesehen beim Internetportal Airbnb. In Grafing kann, wer mag, in einem "Holiday Home" übernachten - was sich nach Betrachtung der dazugehörigen Fotos am besten mit "dunklem Kellerstudio" übersetzen lässt; zu mieten ab 160 Euro pro Nacht. Auch schön: ein Nachtlager im Souterrain einer Ebersberger Familie, das sonst als Hobbyraum genutzt wird. Neben der Matratze auf dem Boden stehen Hometrainer und Klettergerüst bereit - falls einer den Kater am Tag danach ganz schnell wieder rausschwitzen möchte. Das Ganze kostet 45 Euro für eine Person. Reinigungs- und Servicegebühren sind noch nicht dazu gerechnet.

Wer zu Oktoberfestzeiten die Angebote für Unterkünfte liest, dem wird schnell klar: Es gibt nichts, das es nicht gibt. Dabei muss man noch nicht einmal in München selbst suchen und buchen; die genannten Beispiele finden sich alle im Landkreis Ebersberg. Denn auch hier wittern viele Privatleute ihre Chance und vermieten Zimmer, Betten, Sofas für viel Kleingeld unter - mit Erfolg. Kurz vor dem Anstich zum 184. Oktoberfest sind einige Unterkünfte in der Region für die nächsten drei Wochen so gut wie ausgebucht.

Viele private Vermieter bieten ihre Domizile gleich als "Oktoberfestwohnung" oder als "Zimmer für Wiesn Besucher" an, nicht selten auf Englisch oder Russisch. Da findet sich schon mal im Norden des Landkreises ein Familienvater, der seine Wohnung als "Oktoberfest Opportunity I - III" in drei verschiedenen Varianten zur Miete bereitstellt, inklusive einem rosa ausgestatteten Kinderzimmer.

Doch auch die Hotels in der Region sind zu Wiesnzeiten schwer gefragt. Der Neuwirt in Zorneding etwa ist ein paar Tage vor dem Start des weltgrößten Volksfests komplett ausgebucht. "Zum Teil reservieren die Gäste schon ein Jahr vorher", sagt Andreas Glonner. Drei Monate vor dem Anstich startet der eigentliche Run auf die Zimmer. Manchmal kämen auch noch kurz vor knapp die Buchungen herein, etwa wenn Firmengäste kurzfristig einen Tisch in einem Wiesnzelt ergattert haben. Anfragen auf die Schnelle werden meistens über Onlineportale wie HRS.de oder Booking.com gesendet. "Am schlechtesten gebucht sind die Nächte von Sonntag auf Montag", so Glonner. Am Wochenende seien oft Privatgäste da, ab Montag kommen dann die Geschäftsleute. Die Mehrheit der Reisenden stamme aus Deutschland, ansonsten finden sich viele Österreicher, Italiener und Schweizer auf den Buchungslisten des Hotels.

Ein Teil der Besucher komme nach Zorneding, obwohl es ein bisschen weiter draußen sei, der andere Teil komme genau deswegen, erklärt der Hotelier: "Manche Gäste gehen aufs Oktoberfest, und am nächsten Tag machen sie noch einen Ausflug in die Berge." Außerdem sei es in Zorneding günstiger als in München. Einen festen Wiesn-Zuschlag gebe es nicht im Hotel Neuwirt, so Glonner; die Gäste müssen etwa mit 30 Prozent Aufpreis zu normalen Zeiten rechnen.

Moderat, wenn man es mit anderen Hotels in der Region vergleicht. Einige Gasthäuser, die nicht genannt werden wollen, verlangen etwa 145 Prozent und mehr zur Hochsaison. "Es gibt keine Obergrenze", kommentiert das Frank-Ulrich John, Pressesprecher des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands DEHOGA Bayern. Einen festen Zimmerpreis gebe es schon lange nicht mehr in den Hotels, es reguliere sich alles durch Angebot und Nachfrage. Da der Landkreis Ebersberg großzügig gesehen als erweitertes Stadtgebiet von München gilt, spürt man in der Region also ebenso den Andrang der erwarteten sechs Millionen Wiesnbesucher. Doch John betont auch: "Man denkt immer, es sei extrem teuer. Aber mit Blick auf die Hotelpreise weltweit ist Europa am billigsten." Und in Europa liege Deutschland mit seinen Zimmerpreisen im unteren Drittel. "Für Gäste aus dem Ausland ist das also trotzdem noch absolut günstig", stellt John fest.

Monika Hobmeier, Eigentümerin des Bader Hotels in Parsdorf, ist sehr zufrieden mit den Buchungen in diesem Herbst. Grund dafür ist nicht nur die Wiesn. "Wir haben vor und nach dem Oktoberfest noch je eine Messe", berichtet sie. "September bis November sind unsere stärksten Monate." Natürlich seien die Raten zu solchen Hochzeiten höher, doch nach ihren Aussagen immer noch verhältnismäßig. Das Oktoberfest sei längst nicht mehr der einzige Publikumsmagnet in der Region. Die Gästezahlen etwa zur "drinktec", einer Messe für Getränke und Liquid-Food-Industrie, seien noch höher als zu Oktoberfestzeiten. "Dieser Andrang hat mich als Hotelier selbst überrascht", erzählt Hobmeier.

Worin sich alle befragten Hoteliers einig sind: Sie blicken zuversichtlicher auf die Wiesn als im vergangenen Jahr. Dass im Juli 2016 ein Jugendlicher in München Amok gelaufen war und im Einkaufszentrum OEZ neun Menschen erschossen hatte, hatte zu großer Verunsicherung unter den Wiesnbesuchern geführt. Vor allem viele ausländische Gäste stornierten daraufhin ihren Aufenthalt. Der verregnete Herbst tat das Seine, und so war das Oktoberfest 2016 mit nur 5,6 Millionen Besuchern eines der am schlechtest besuchten seit Langem. Auch die Hotelbetreiber im Landkreis Ebersberg spürten den Einbruch deutlich.

Hochsaison hin oder her - mit Blick auf den wohl gehüteten Sparstrumpf lohnt es sich freilich trotzdem, eine Privatunterkunft oder ein Hotelzimmer etwas weiter draußen zu mieten und die halbe Stunde Bahnfahrt zur Theresienwiese in Kauf zu nehmen: In München kann man schon mal für eine kleine Wohnung am Isartor 799 Euro pro Nacht hinlegen. Wem das zu billig ist, der kann sich für 900 Euro pro Nacht in einem Apartment in der Nähe des Festgeländes einquartieren. Wohlgemerkt: Nach der Wiesn wollen die Besitzer selber wieder einziehen.

© SZ vom 16.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: