Willkommen im Club:Mit Goaßbock, Dampflok und Wigwam

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Hier wird weder gekegelt noch Fußball gespielt: Eine neue SZ-Serie widmet sich besonderen und außergewöhnlichen Clubs

Von Karin Kampwerth

Sport stärkt die Arme, Rumpf und Beine, kürzt die öde Zeit - und schützt uns durch Vereine vor der Einsamkeit", wusste schon Joachim Ringelnatz. Wobei das Vereinswesen längst nicht mehr auf Körperertüchtigungen aller Art beschränkt ist, sondern sich einer Vielzahl von Zwecken widmet. Da finden sich in Freising Sammler zusammen, die ihrer Liebe zu alten Traktoren frönen. Oder Indianer-Fans in Olching, die ihren Wigwam unter dem Dach eines Vereines errichten. Genauso gibt es die Freunde Österreichs aus Putzbrunn, die ihre Zuneigung zum benachbarten Alpenvolk als "e.V.", als eingetragener Verein, manifestiert haben, und die Aßlinger Eisenbahnfreunde, die auf kleinen Dampfloks Kinder durch die Landschaft fahren. Oder den Dietramszeller Bartverein, deren Mitglieder sich während der gesamten Faschingszeit bis zum Aschermittwoch das Gesichtshaar wachsen lassen. Selbst Freunde von Ziegen haben sich in Bachhausen zusammengetan, um alle vier Jahre bei einem großen Fest die schönsten Goaßböcke zu küren. In einer neuen SZ-Serie geht es in den nächsten drei Wochen deshalb auch nicht um den FC Bayern oder den Alpenverein, sondern um Menschen in München und den umliegenden Landkreisen, die sich samt Vorsitzenden, Kassenwart und Schriftführer rechtlich verbindlich zusammengeschlossen haben, um eher ungewöhnlichen Hobbys nachzugehen.

Dass die Vereinsmitgliedschaft ein beliebtes Mittel ist, um seine Freizeit zu verbringen und mit gleichgesinnten Menschen zusammenzukommen, unterstreichen die Mitglieder der 91 000 eingetragenen Vereine in Bayern. Im Landkreis München und den umliegenden Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen, Dachau, Ebersberg, Erding, Freising, Fürstenfeldbruck und Starnberg sind laut aktueller Statistik des zuständigen Registergerichtes am Münchner Amtsgerichts von diesem Juli 4914 Vereine notiert. Das Stadtportal listet für München noch einmal 2024 Vereine auf.

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(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Beim Anzinger Trachtenverein d'Stoabergler, hier beim 30-jährigen Gründungsfest 2017, scheint der Nachwuchs gesichert.

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(Foto: Renate Schmidt)

Erding ist eine Zuzugsregion, keine Frage. Umso bedeutsamer ist die integrative Wirkung von Vereinen wie der Edelweißstamm Erding.

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(Foto: Johannes Simon)

Als Inbegriff des bayerischen Vereinslebens gelten die Trachtler und ihre Tänze, hier bei einem Nachwuchswettbewerb in Mammendorf.

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(Foto: Claus Schunk)

Der Nachwuchs für die Trachtenvereine: Die Stauchartinger Wallfahrt im Wald bei Sauerlach ist jedes Jahr ein Erlebnis.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Im Landkreis Freising kommen auf 177 000 Einwohner 1045 Vereine. Einer davon ist der Kneipp-Verein, der am Samstag Sommerfest gefeiert hat.

"Viele von ihnen leisten wertvolle Dienste für den einzelnen und für unser Gemeinwesen. Die Vereinigungsfreiheit ist ein Grundrecht und wesentliches Element unseres freiheitlich-demokratischen Staatswesens", schreibt der bayerische Justizminister Winfried Bausback in einer Rechtsinformation "Rund um den Verein", die sein Ministerium veröffentlicht hat. Weil aber laut Auffassung der Politik ein Zusammenschluss mehrerer Menschen "eine gewisse Organisation für die Zusammenarbeit der Mitglieder im Inneren und für das Auftreten der Vereinigung nach außen" braucht, so der Minister weiter, stellt die Rechtsordnung die Form des Vereins zur Verfügung. Das dazugehörige Regelwerk soll dazu beitragen, "von vornherein der Entwicklung vom Vereinsmeier zum Prozesshansel" vorzubeugen. Grundlage ist das Bürgerliche Gesetzbuch, das im Jahr 1900 in Kraft trat.

Apropos Vereinsmeier: Deren Anzahl steigt proportional mit der Entfernung zur Landeshauptstadt. Werden im Landkreis München mit seinen etwa 350 000 Einwohnern 1082 Vereine gezählt, steht an zweiter Stelle bereits der Landkreis Freising. Auf 177 000 Einwohner kommen 1045 Vereine. An dritter Stelle liegt der Landkreis Erding. Den 135 000 Landkreisbürgern stehen immerhin noch 622 Vereine zur Verfügung, in denen sie sich engagieren können.

"Wir legen besonderen Wert auf die Unterstützung von Ehrenamtlichen", erklärt sich der Freisinger Landrat Josef Hauner (CSU) die Vereinsdichte in seinem Landkreis. "Dass wir nach einem aktuellen Focus-Ranking zur Lebensqualität als Landkreis bundesweit auf Platz zwei liegen, ist auch darauf zurückzuführen, dass wir neben unserer wirtschaftlichen Stärke vor allem ein Kultur-, Sport- und Freizeit-Landkreis sind." Einen besonderen Beitrag zum Vereinsleben leisten Hauner zufolge aber auch die Hilfsorganisationen, zum Beispiel die 85 Feuerwehren.

Auch für seinen Erdinger Amtskollegen, Landrat Martin Bayerstorfer (CSU), ist es nicht verwunderlich, dass den Erdingern vergleichsweise viele Vereine zur Verfügung stehen, in denen sie ihren Hobbys nachgehen können. "Tradition und Innovation, städtisch geprägtes und ländliches Leben gehen im Landkreis Erding Hand in Hand - in der Arbeitswelt und in der Freizeit", sagt Bayerstorfer. Dies äußere sich in ehrenamtlichem Engagement in Vereinen und Verbänden.

Kerstin Schreyer (CSU), deren erster Verein der TSV Unterhaching war, wo sie Tanzsport betrieb, und die nun als bayerische Sozialministerin für die Ehrenamtlichen zuständig ist, lobt die Vielfalt des Vereinswesens: "Freiwillige Feuerwehr, THW und Rettungsorganisationen sorgen für rasche Hilfe bei Unglücksfällen, Sport- und Musikvereine kümmern sich um sinnvolle Freizeitangebote, karitative Vereine helfen Senioren, Bedürftigen und Behinderten. All das wäre in diesem Ausmaß nicht möglich ohne Vereine." Schreyer weist auf die Internet-Plattform "Vereins-Wiki" hin, wo sich die Engagierten Tipps zum Vereinsrecht, der Vorstandsarbeit oder Finanzverwaltung holen können. Bei Problemen helfe das Sorgentelefon Ehrenamt in der Bayerischen Staatskanzlei.

© SZ vom 30.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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