Welttag des Buchs:Worüber könnten Sie einen Roman schreiben?

Divenhafte Laiendarsteller, liebestolle Fahrgäste, eine von Polizisten umstellte Schule: Ein Regisseur, ein Wirt, ein Direktor, eine Bücherei-Leiterin, eine Taxifahrerin, der Landrat und der frühere Kreisbrandrat erzählen, was sich bei ihnen hinter der Kulisse so alles abspielt.

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(Foto: N/A)

Josef Schmid, Vorsitzender des Markt Schwabener Theatervereins, hat reichlich Erfahrung mit dem Schreiben: 30 Drehbücher hat der Regisseur für die "Weiherspiele", das alljährliche Freiluftspektakel in Markt Schwaben, bereits ersonnen. Meist Geschichten aus fernen Ländern, mit viel Humor und einem ernsten Kern. Und wie könnte es anders sein: "Würde ich ein Buch schreiben, müsste es sich ja fast ums Theater drehen", sagt Schmid. "Dann würde ich erzählen, was ich in 30 Jahren erlebt habe - hinter den Kulissen." Denn auch wenn es sich bei seinem kleinen Markt Schwabener Theaterverein um lauter Laiendarsteller handle, so gebe es unter und zwischen diesen genau die gleichen "Mimositäten und Liebschaften" wie bei echten Schauspielern. "Wir sind Klein-Hollywoo, aber das weiß halt keiner." Insofern wären von Schmids erstem Buch echte Sensationen und Enthüllungen zu erwarten - gäbe es da nicht einen kleinen, aber entscheidenden Haken: "Das Problem ist: Ich wäre da ja als erster dran", sagt der Markt Schwabener, denn als Regisseur der Truppe sei er eben nicht außen vor, sondern stets mitten drin. "Außerdem müsste ich wahrscheinlich die meisten Namen schwärzen", sagt Schmid und lacht. Anja Blum

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(Foto: Christian Endt)

Christopher José Appler, Betreiber des "Artesano" in Ebersberg, könnte über diverse Trinkgeschichten seiner Gäste ein Buch schreiben, noch lieber aber über seine Mitarbeiter. Denn in zahlreichen Momenten, die er mit ihnen schon erlebt hat, habe er Tränen gelacht: "Viele machen mit uns ihre ersten Schritte in der Gastronomie. Was für uns selbstverständlich ist, ist für sie eine Herausforderung." So schloss ein Mitarbeiter aus der Tatsache, dass ihm ein Glasreiniger mit der Aufforderung "Wisch mal die Fronten" in die Hand gedrückt wurde, dass er Fenster putzen sollte anstelle der Kühlzüge - um drei Uhr morgens. "Er war plötzlich verschwunden und hat auch nicht reagiert, als wir gerufen haben. Und plötzlich hat es an der Scheibe geklopft", erzählt Appler und muss auch in der Retrospektive lachen. In einem anderen Fall verschwand ein Mitarbeiter ebenfalls. Und das an einem Freitag, an dem "der Laden gebrannt hat" und hinten und vorne Getränke gefehlt haben, wie Appler sagt. Nach zwanzig Minuten fand er den Neuen: in der Küche mit einem Straßenkehrbesen stehend. Er hatte die Aufforderung, jeder soll sich Arbeit selbst suchen statt ständig danach zu fragen, offensichtlich fehlinterpretiert... Isabel Meixner

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(Foto: EBE)

Gerhard Dittmann, Direktor des Franz-Marc-Gymnasiums Markt Schwaben, fallen einige Anekdoten aus seinen Lehrerjahren ein, die ein äußerst kurzweiliges Buch ergeben könnten. Es würde etwa die Geschichte über den Feueralarm enthalten, der während der Abiturprüfungen für den Leistungskurs Physik losging - und durch einen heißen Leberkas ausgelöst wurde, den das Landratsamt für ein Richtfest an der Schule bestellt hatte. Als die Verantwortlichen die Wärmebox direkt unter einem Feuermelder öffneten, stieg Dampf auf - der Klassiker. Dittmann bat die Abiturienten sitzen zu bleiben, und betrieb Ursachenforschung. Kurze Zeit später konnten die Schüler weiterschreiben. Eine zweite Anekdote in dem Buch würde von der Beinahe-Stürmung des Gymnasiums durch die Bereitschaftspolizei erzählen. Diese hatte nächstens um halb zwölf Uhr "verdächtigte Lichtbewegungen" im Gebäude festgestellt. Als ein Trupp die Schule bereits umstellt hatte, rief die Polizei bei Dittmann privat an. Dieser konnte den Vorfall aufklären: In der Schule hielt sich eine fünfte Klasse für eine Lesenacht auf. Um sich zu gruseln, streiften sie offenbar mit Taschenlampen herum. "Fast wäre der Grusel perfekt gewesen", so Dittmann. Isabel Meixner

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(Foto: Robert Haas)

Monika Schätz, Taxifahrerin aus Vaterstetten, sagt: "Wer was erleben will, sollte Taxi fahren. Das ist unterhaltsamer als jeder Pub-Besuch." Schätz arbeitet beim "Fahrservice VaBa". Zwei Jahre war sie tagsüber unterwegs, zwei Jahre nachts, heute koordiniert sie im Büro die Aufträge. "Ich habe mir schon oft gedacht, dass man über diese Erfahrungen locker ein Buch schreiben könnte." Denn als Taxler erlebe man Lustiges und Kurioses, etwa Kunden mit speziellen Wünschen: "Wir haben zum Beispiel einen älteren Herrn, der sich immer zu Reitställen fahren lassen will - der Stiefel und der Peitschen wegen", erzählt Schätz. Oder mit vergesslichen Gäste: Neulich habe einer eine Tasche mit 4000 Euro im Taxi liegen lassen. "Unser Fahrer hat sie zurückgegeben und 400 Euro Finderlohn erhalten", freut sich Schätz. Oder mit Liebespaaren, die man freilich mit Diskretion behandle: "Mir selbst ist es aber sogar mal passiert, dass die Frau am Ende nackt ausgestiegen ist, da hab ich dann schon recht dumm geschaut. Das muss man ja erst einmal schaffen!" Allerdings begegne den Fahrern auch viel Trauriges: "Wenn man einen Krebspatienten wochenlang jeden Tag zur Bestrahlung fährt, wird man irgendwann ein Vertrauter." Anja Blum

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(Foto: Christian Endt)

Landrat Robert Niedergesäß könnte in einem Buch wohl allein schon deshalb viel erzählen, weil er an seinen langen Arbeitstagen mit vielen Menschen zu tun hat. Und so fällt dem 44-Jährigen auch spontan einiges ein, worum es in seinem Buch gehen könnte: generell um die zahlreichen Bürgerkontakte in den 14 Jahren als Bürgermeister und Landrat, aber auch um ein ganzes Bündel an Themen - von Verkehrspolitik über Naturschutz bis hin zu Windrädern. Die Rede sein könnte aber auch "von großem allgemeinen Verständnis und Unterstützung für notwendige Entwicklungen für die Allgemeinheit und Zukunftschancen - die dann mit 1000 Argumenten jäh enden, sobald man irgendwie persönlich betroffen sein könnte". Auch über "hehre und hohe moralische Ansprüche an andere, die aber manchmal nicht für einen selber gelten, wenn man betroffen ist", gäbe es einige Seiten zu füllen. Damit da aber keine Missverständnisse aufkommen: "Politik macht trotzdem Spaß", das wäre ebenfalls eine wichtige Botschaft, die der Landrat seinen Lesern vermitteln wollen würde. "Zumindest ein kleines - teils amüsantes, teils nachdenkliches Buch - würde sich schon füllen lassen", stellt Niedergesäß fest. Barbara Mooser

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(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Brigitte Binder, Leiterin der Stadtbücherei Grafing, könnte - wie sollte es anders sein - ein Buch über Bücher schreiben, das heißt vielmehr über Menschen, die Bücher ausleihen und wieder zurückbringen oder eben manchmal auch nicht. "Es passiert schon mal, dass Leute meinen, sie hätten ein Buch bereits zurückgebracht - haben sie aber nicht", sagt Binder und lacht. "Sonst hätten wir es ja, aber es ist nicht da. Jeder fühlt sich im Recht. Keiner will zugeben, dass er vielleicht mal etwas übersieht." Wenn man dann darauf hinweise, dass das Buch noch zu Hause beim Kunden sein müsse, melde sich erst mal der Widerspruchsgeist. Später werde dann das betreffende Buch heimlich zurückgebracht. "Aber ich bleibe da ganz ruhig, schließlich sind wir alle Menschen und haben Fehler. Beispielsweise habe mal eine Kundin ein Buch zurückgegeben, das schimmlig und völlig zerfleddert war", erzählt Binder. Auf die Frage, was damit passiert sei, habe die Frau behauptet: "Das war schon so!" Daraufhin Binder: "Finden Sie in unseren Regalen ein einziges Buch, das so aussieht wie dieses hier, und ich schenke Ihnen tausend Euro." Daraufhin habe sich die Kundin vielmals entschuldigt. "Wo Menschen sind, passieren Irrtümer." Rita Baedeker

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(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Gerhard Bullinger hat in 23 Jahren Brandschutzdienststelle im Landratsamt einiges erlebt. Vor allem in der Zusammenarbeit mit Firmen, die Brandmeldeanlagen in Gebäuden installieren. "Es gibt gute Firmen und es gibt sehr gute", sagt Bullinger, um dann hinzuzufügen: In einigen Fällen sei die Zusammenarbeit verbesserungsfähig. "Ich bemerke immer wieder, dass viele Installationsfirmen die Planung vom Tisch weg machen. Die bringen's dann fertig, dass ein Rauchmelder direkt über dem Herd ist oder über der Schleifmaschine in einer Werkstatt." Das Ergebnis: 162 Fehlalarme im vergangenen Jahr. Spitzenreiter in dieser Statistik ist das Unterbräu in Markt Schwaben, wo bis zum Umbau vor kurzem zahlreiche Fehlalarme unter anderem wegen angebrannten Zwiebeln im Pizzaofen oder wegen Wasserdampf aus der Spülmaschine ausgelöst worden sind. Kommt es zu einem Alarm, komme die Feuerwehr in Betrieben häufig nicht an die Brandmeldezentrale heran, etwa weil eine Palette im Weg steht. Freilich erst "seit fünf Minuten", wie häufig betont werde, sagt Bullinger: "Darüber könnte ich wirklich ein Buch schreiben." Isabel Meixner

© SZ vom 22.4.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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