Waldschutz:Flinten gegen Forst-Feinschmecker

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Im Gutachten zum bayernweiten Wildverbiss steht der Landkreis Ebersberg gut da. Zwar schmeckt es den Rehen in den hiesigen Jungwäldern vorzüglich - doch die Jäger verderben ihnen den Appetit

Von Korbinian Eisenberger

Fichtenknospen zur Vorspeise, im Hauptgang eine Portion aus Tanne und Buche, und hinten drauf ein Kiefernasterl oder ein Eichenpflanzerl. So oder so ähnlich sieht der Speiseplan eines Rehs im Ebersberger Forst aus. Das Tier ernährt sich von Jungbäumen und verschmäht dabei Einheitskost. Stattdessen soll das Menü so vielfältig wie möglich sein, wie bei einem großen Antipasti-Teller. So kommt es, dass Rehe mit Vorliebe in jenen Gebieten speisen, die den Förstern besonders am Herzen liegen: junge Mischwälder, die den Ebersberger Forst vielfältiger - und damit gesünder und stabiler machen sollen. Deswegen rücken in diesen Tagen wieder die Jäger aus: Mit Flinten gegen die Forst-Feinschmecker.

Wildverbiss schadet dem Wald, im Landkreis Ebersberg haben die Jäger und Förster das Problem allerdings ziemlich gut im Griff. Das geht aus dem sogenannten "Forstlichen Gutachten" hervor, das vom bayerischen Landwirtschaftsministerium alle drei Jahre herausgegeben wird. Es wertet aus, wie schwer in Bayerns Wäldern die Schäden durch Wildverbiss sind. Der Landkreis Ebersberg schneidet dabei überdurchschnittlich gut ab. Sowohl im Ebersberger Forst, wie auch in den restlichen Wäldern innerhalb der Kreisgrenze wird die Verbissrate durchgehend als "tragbar" eingestuft. In anderen Teilen Bayerns sieht es da deutlich schlechter aus.

Zum Beispiel im Landkreis Garmisch-Partenkirchen: Der ist in der bayerischen Landkarte mit der Abschussempfehlung des Ministeriums ein einziger roter Fleck - was jedoch weniger am fehlenden Zielwasser der dortigen Jäger liegt. "In den Bergregionen ist die Situation für die Jägerdeutlich komplizierter", sagt Georg Kasberger, Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Ebersberg. In den Alpen brauchen die Jungpflanzen länger zum Heranwachsen. Zudem ist der Verbissdruck dort größer, weil am Berg nicht nur die Rehe Bäume wie Tannen und Kiefern verspeisen, sondern auch Gämsen.

Insofern hat der Landkreis Ebersberg einen klaren Standortvorteil gegenüber Regionen in direkter Alpennähe. Rehe gibt es trotzdem reichlich im Ebersberger Forst und drum herum. "Deswegen sind wir sehr stark auf die Jäger angewiesen", sagt Kasberger. Und die Jäger machen im Kreis Ebersberg ihre Sache gut, zumindest aus Sicht von Heinz Utschig von den bayerischen Staatsforsten, er leitet den Forstbetrieb, der für große Waldbereiche im Kreis Ebersberg zuständig ist. Das Gutachten, so Utschig, belege seine Einschätzung.

Im Kampf gegen den Verbiss scheint es ganz gut zu laufen im Landkreis Ebersberg. Doch auch hier ist nicht alles golden, was laut Gutachten so schön glänzt. Die Jäger aus der Region haben mit Entwicklungen zu kämpfen, die das Waidmanns-Leben über die Jahre erschwert haben. Das erklärt Konrad Metzger vom Jagdverband. Der 71-Jährige ist Vorsitzender der Kreisgruppe Ebersberg und hat viele Jahrzehnte Jagderfahrung. "Der Freizeitdruck wird immer größer", sagt er. Reiter, Mountainbiker, Spaziergänger, "mittlerweile sind viele zu allen Tages- und Nachtzeiten mitten im Wald unterwegs, oft abseits der Wege", sagt Metzger. Das stört die Arbeit des Jägers, weil die Gejagten verscheucht werden.

Ähnlich wie durch Landwirte, die bei der Dämmerung noch mit Maschinen auf dem Feld unterwegs sind, während der Jäger am Hochstand sitzt. "Ich mache den Bauern keinen Vorwurf", sagt Metzger, aber auch dies war früher offenbar seltener. Hinzu kommen die Wildschweine, von denen es im Ebersberger Forst sehr viele gibt. "Wenn die unterwegs sind, dauert es teilweise Tage, bis die Rehe wieder in ihren geordneten Bahnen durch den Wald ziehen", erklärt Metzger. Die Speisekarte der Wildschweine ist hingegen nicht das Problem. Denen schmecken keine Jungbäume, höchstens ein paar Eicheln, wenn sie auf den Waldboden gefallen sind.

Dass Verbiss überhaupt zu einem Problem wurde, liegt vor allem daran, dass sich Bayerns Wälder über die Jahrhunderte stark verändert haben, was man am Ebersberger Forst gut sehen kann. Im Jahr 1750 war der Forst noch ein gesunder Mischwald, ehe die Menschen im Zuge der Industrialisierung große Teile abholzten und Fichten pflanzten. Erhebungen aus dem Jahr 1932 zeigen, dass der Forst zu diesem Zeitpunkt zu mehr als 90 Prozent aus Fichten bestand. Nach Stürmen und Schädlingsplagen erkannte man in den Achtzigerjahren, wie anfällig der Wald mangels Vielfalt wurde. Und so pflanzten die Förster wieder Buchen und Tannen, also Jungbäume, die die Ebersberger Rehe jahrzehntelang von ihrer Speisekarte gestrichen hatten. Umso vorzüglicher schmeckt es den Rehen seither, was die Rückwandlung des Ebersberger Forsts in einen Mischwald behindert und verzögert.

Umso wichtiger: Die Arbeit der Jäger. Insgesamt wird im Landkreis Ebersberg in 60 Revieren gejagt, das Landwirtschaftsamt und der Forstbetrieb schätzen die Gesamtzahl der Jäger im Landkreis auf 250 bis 300, weil die Revierjäger mit Hobbyjägern aushandeln, wer wo mitjagen darf, gibt es keine offizielle Zahl. Bis 2012 überprüfte das bayerische Landwirtschaftsministerium die Verbissquote pro Hegegemeinschaft, also dem Zusammenschluss von bis zu 15 Revieren. Seit sechs Jahren wird nun "revierweise" erhoben, woraus man Schlüsse ziehen könnte, wie fleißig ein Revierjäger und seine Helfer gewesen sind, wie bei einem persönlichen Zeugnis. "Es gibt einige, die nicht so glücklich damit sind", sagt Kasberger. So erhält mittlerweile jeder Revierjäger eine individuelle Abschussquote. Bis 15. Januar dürfen sie noch auf Rotwild schießen. Dann beginnt für die Feinschmecker im Forst die Schonzeit.

© SZ vom 29.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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