Wahlbeteitligung:Viel Einfluss, wenig Interesse

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Die Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen ist meist gering. Dabei sind die zu wählenden Gremien wichtiger als mancher denkt

Kommentar von Wieland Bögel

Dass "die da oben" sowieso machen, was sie wollen, ist das altbekannte Mantra der Politikverdrossenheit. Lange bevor Motzerei von Internetfirmen und populistischen Profiteuren gleichermaßen als Geschäftsmodell entdeckt wurde, war dieser Vorwurf zu hören. So wird der Spruch: "Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie längst verboten", wahlweise den Schriftstellern Mark Twain, Kurt Tucholsky oder der Friedensaktivistin und Anarchistin Emma Goldman zugeschrieben - ersterer wurde 1835 geboren, letztere starb 1940. Merkwürdig, dass ausgerechnet an den Wahlen, durch die sich relativ leicht Dinge ändern lassen, die wenigsten Leute teilnehmen wollen.

Der große Vorteil der Kommunalwahl ist, dass es bei keiner anderen Wahl weniger Stimmen braucht, um Einfluss auszuüben. Zum Vergleich: Um ein Direktmandat für den Bundestag zu erlangen, braucht es die Stimmen der Mehrheit der Einwohner der Landkreise Ebersberg und Erding. Eine Bürgermeisterwahl indes wird mit einem Bruchteil davon entschieden: Die größte Landkreisgemeinde Vaterstetten hat grob geschätzt etwa 20 000 Wahlberechtigte, in Bruck sind es knapp 1000. Noch direkter fällt das Verhältnis aus, geht es um die kommunalen Gremien. Etwa 120 000 Personen sind im Landkreis wahlberechtigt, sie bestimmen, wer in den 60-köpfigen Kreistag einzieht. Was bedeutet, dass man maximal das Votum von 2000 Personen braucht, um dort einen Sitz zu bekommen. Für den Vaterstettener Gemeinderat reichen sogar 667 Wähler in Bruck sind es überschlägig nur 83.

Dass diese Gremien nun unwichtig wären, keinen Einfluss hätten etwa auf Wirtschaft, Umweltschutz oder Gesundheit, nichts wäre weiter von der Realität entfernt. Denn natürlich verhandeln Städte, Gemeinden und Landkreise keine internationale Freihandelsverträge, schließen keine Klimaschutzabkommen ab oder legen Standards in der Gesundheitspolitik fest. Aber was hilft der beste Freihandelsvertrag, ohne sinnvolle lokale Gewerbepolitik? Was bringt ein Klimaabkommen, deren Unterzeichner entweder - wie die USA - schon wieder ausgetreten sind, oder - wie der große Rest - sich einfach nicht daran halten? Da ist Umweltpolitik vor Ort zielführender, wie sie etwa der Landkreis und seine Kommunen mit ihrem Ziel, 2030 unabhängig von fossilen Energieträgern zu sein, unternimmt. Auch eine Bundesgesundheitspolitik kann es nicht richten, wenn Krankenhäuser auf dem Land geschlossen werden. Dagegen hilft nur, wenn sich die Kommunen zu ihren Kliniken bekennen, auch das zeigt sich im Landkreis Ebersberg. Die Liste ließe sich weiter fortführen, über Investitionen in die Schulen, in den öffentlichen Nahverkehr, in Angebote für Familien, Senioren, Jugend und so fort. Wer sich also von einem dieser Dinge angesprochen fühlt, sollte sich am 15. März ein paar Minuten Zeit und beim Sonntagsspaziergang einen kleinen Umweg ins Wahllokal auf sich nehmen.

© SZ vom 03.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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