Vortrag am Freitag:Wahre Räuberpistolen

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Der Geschichtsforscher Georg Gebhard ist Nachfahre der berüchtigten Familie Nonnenmacher, einer Verbrecherbande aus Vaterstetten. Nun berichtet er von den Raubzügen seiner Ahnen - musikalisch begleitet von einem Nachkommen der Überfallenen

Von Jessica Schober

Es war stets ein Sonntag, an dem sie zuschlugen. So auch an jenem 27. Oktober im Jahr 1839, als es am Moarhof in Öd in der Gemeinde Baiern an der Hoftür klopfte. Allein die Magd war daheim, die fromme Bauersfamilie war zum Kirchgang aufgebrochen. Das wussten die heimtückischen Herren vor der Tür natürlich. Sie überwältigten die Magd, raubten die Wertsachen der Landwirte - und waren schon wieder auf und davon. So gingen sie immer vor, die berüchtigten Brüder der Räuberbande Nonnenmacher aus Vaterstetten.

Rund 180 Jahre später sitzen sich wieder zwei Vertreter der beiden Familien gegenüber: Ein Moarhof-Mitglied und ein Nonnenmacher-Nachfahre. Doch steht nicht zu befürchten, dass sie einander mit Rachegelüsten oder Habgier begegnen, denn beide verbindet heute vor allem das historische Interesse an der alten Fehde. Außerdem ist Zitherspieler Roman Messerer, dessen Bruder auf dem Moarhof lebt, kein sonderlich nachtragender Mensch, sonst würde er wohl kaum bei der Lesung des Geschichtsforschers Georg Gebhard am Freitag, 12. Oktober, in Alxling zur Auflockerung Musik anstimmen. Der Georg Gebhard hat nicht nur die Geschichte rund um die legendäre Räuberbande der Nonnenmacher aufgearbeitet - sondern ist auch selber mit ihr verwandt.

Einer der Tatorte, ein einsamer Bauernhof inmitten dunkler Waldflächen: Das Hofbauern-Anwesen in Wildenholzen suchte die Nonnenmacher-Bande im Jahr 1838 heim. Hier eine historische Luftaufnahme. (Foto: OH)

"Die Überfälle liefen nach einem bewährten Muster ab", erzählt Gebhard, "die Räuber wussten, wann die Landwirtsfamilie zum sonntäglichen Gottesdienst aufbrach. Die am Hof zurückgelassene Magd wurde ausgefragt und ausgetrickst, dann die Kästen in der Stube aufgebrochen, in denen die Räuber die Wertsachen der Bauersleute und Bargeld vermuteten." Schmuck, Hüte, Stiefel oder seltene Seidentücher ließen sie mitgehen. Und zogen marodierend weiter. Einen Hof in Wildenholzen plünderten sie am Sankt-Benno-Tag. Und ein Jahr später schlugen sie eben auf dem Moarhof zu. In seinem jüngst vorgelegten Buch "Die Nonnenmacher" dokumentiert Gebhard die Geschichte. Recherchiert hat er im Hauptstaatsarchiv, in Bibliotheken, Gerichtsakten und Kirchenbüchern. "Ich habe geschaut, dass ich mich nicht nur auf eine Quelle verlasse, sondern Querverweise für die Informationen finde", sagt Gebhard, der sein Buch im Eigenverlag vertreibt.

Dabei folgt der 70-Jährige aus Olching seinem Privatinteresse. Er hat ein Leben lang als technischer Berater für Diamanttechnik gearbeitet, bevor er zum Laienhistoriker wurde. Die Geschichte der Nonnenmacher-Sippe verfolgt er auch mit so viel Elan, weil er selber mit ihr verbunden ist. Das sei Glück und Peck zugleich. "Seine Vorfahren kann man sich nicht aussuchen", sagt Gebhard.

Um seine verwandtschaftlichen Verquickungen zu verstehen, muss man sich auf einige gedankliche Volten einlassen, in denen es von Räubergeschichten und Wunderheilerinnen nur so wimmelt. Also, einmal ausgeatmet und den Stift zum Stammbaumzeichnen gezückt: Benedikt Hohenester war der Urgroßonkel von Georg Gebhard. Und dieser Benedikt Hohenester war zugleich der Ehemann von Amalie Hohenester, die als sogenannte "Doktorbäuerin" das damals berühmte Heilbad Mariabrunn im Dachauer Land betrieb. Diese mythenumrankte Frauengestalt, die als Heilkunst die sogenannte Urinschau anbot, oft als "Kurpfuscherin" verunglimpft wurde und deren Leben der Bayrische Rundfunk mit Christine Neubauer vor einigen Jahren verfilmte, wurde 1827 in Vaterstetten geboren, und zwar als Schwester von Simon Nonnenmacher - dem üblen Räuberbandenchef.

Der Olchinger Georg Gebhard erforscht die Geschichte seiner ruchlosen Vorfahren rund um München. (Foto: Privat)

Für die Schreckenstaten dieser Truppe interessiert sich auch der Vaterstettener Bürgermeister Georg Reitsberger, denn die Spuren der Raubzüge winden sich um ganz München herum. "Die Nonnenmacher haben ganz Altbayern unsicher gemacht", erzählt Gebhard. "Das war keine geschlossene Bande, sondern eine immer wechselnde Handvoll von Verwandten und Spezln, die gemeinsam die Raubüberfälle begingen." Um ihre Missetaten aufzuspüren, brauche man regelrecht "kriminalistisches Gespür", berichtet er, Abbildungen gebe es aus der Zeit keine bis auf eine Zeichnung der Amalie Hohenester.

Manches in der Familiengeschichte, die der Olchinger bei seinem Vortragsabend auf Einladung des Historischen Vereins für den Landkreis Ebersberg erzählen will, habe ihn erstaunt. "Es klingt wie eine wunderbare Räuberpistole, aber die Geschichte ist wahr". Eigentlich wollte er seine Lesung direkt auf einem der damals heimgesuchten Höfe veranstalten; scherzhaft nennt Gebhard es "eine kleine Wiedergutmachung für das, was meine Vorfahren damals angestellt haben". Als Gebhard deswegen bei der Familie Messerer anrief, zeigte sich Doris Messerer überrascht. "Er erzählte uns von dem Überfall auf den Moarhof, es war das erst Mal, dass ich davon hörte", erinnert sie sich. Die Räumlichkeiten stellten sich jedoch als zu klein für das erwartete Interesse heraus. Gemeinsam mit ihren Kindern werden Doris und Roman Messerer den Abend nun aber begleiten mit Hackbrett, Zitter, Blockflöten, Kontrabass und Gitarre. Und Gebhard hat seinem Buch über die Nonnenmacher ein versöhnliches Zitat vorangestellt, das auch die Moarhof-Nachfahren milde stimmen dürfte. Er schreibt: "Die Vergangenheit kann ein großer Lehrmeister für die Zukunft sein."

Vortragsabend über die Räuberbande Nonnenmacher mit Georg Gebhard am Freitag, 12. Oktober, im Alxinger Wirt, Dorfstraße 5, Beginn um 19.30 Uhr. Die Familie Messerer und die "Brucker Sänger" begleiten die Veranstaltung. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 11.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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