Von der Nachfrage überrascht:Platznot in den Förderzentren

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Jörn Bülck und Helga Schneitler registrieren an den Förderzentren steigende Schülerzahlen. (Foto: Christian Endt)

Die Anmeldezahlen in Grafing und Poing steigen ständig, doch die Kapazitäten sind begrenzt. Manche Kinder müssen bis zu drei Jahre warten, bis sie auf die Schulen wechseln können

Von Barbara Mooser, Grafing/Poing

Seit 20 Jahren ist Jörn Bülck nun schon an der Seerosenschule in Poing, doch drei erste Klassen musste der Schulleiter noch nie bilden - dies ändert sich mit dem kommenden Schuljahr. Auch an der Johann-Comenius-Schule in Grafing ist der Andrang ungebrochen, gerade im Grundschulbereich. Kinder, die von der Regelschule zum Förderzentrum wechseln wollen, müssen laut Schulleiterin Helga Schneitler oft zwei oder drei Jahre warten, bis sie einen Platz bekommen. Denn die Raumnot in beiden Schulen ist groß. Im Ausschuss für Soziales, Familie, Bildung, Sport und Kultur (SFB) haben nun die Schulleiter auf die Probleme hingewiesen. Ob und wann Abhilfe geschaffen werden kann, muss aber erst noch geprüft werden.

Seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention durch Deutschland im Jahr 2009 haben Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf zwar das Recht, eine Regelschule zu besuchen. Dennoch ist die Annahme, dass dadurch die Schülerzahlen an den Förderzentren abnehmen würden, nicht eingetreten - jedenfalls nicht im Landkreis Ebersberg. Im Gegenteil, die beiden Förderzentren registrieren sogar wachsenden Zulauf. "Absurderweise", wie Helga Schneitler von der Comenius-Schule sagt, habe es in Grafing seit der Einführung der Inklusion immer mehr Jahrgänge mit drei statt normalerweise zwei Eingangsklassen gegeben. Und häufiger als früher verbringen die Kinder auch ihre ganze Grundschulzeit im Förderzentrum und wechseln erst dann gut vorbereitet auf die Mittelschule. Eine ähnliche Tendenz erkennt ihr Poinger Kollege - und auch in der Einschätzung, warum dies so ist, sind sie sich einig: "Die Eltern erkennen, welche großartigen Fördermöglichkeiten wir den Kindern bieten können", sagt Jörn Bülck. Die Regelschulen hingegen fühlten sich bei der Aufgabe der Inklusion allein gelassen, was aus seiner Sicht nachvollziehbar sei: "Sie bräuchten dafür einfach kleinere Klassen und mehr Lehrerstunden."

Was es bedeutet, dass immer häufiger drei Klassen für einen Jahrgang gebildet werden, lässt sich in Grafing leicht erahnen - die Schule war beim Bau einzügig angelegt. "Wir bräuchten Ganztagsräume, Fachräume und durchaus auch das eine oder andere Klassenzimmer", erläutert Schneitler. Auch in Poing sitzen die Mittelschüler, die die gebundenen Ganztagsklassen besuchen, mangels Alternativen den ganzen Tag in ihren Klassenzimmern. Mehr Räume für die Ganztagesbetreuung wären somit auch bei Bülck ganz oben auf der Wunschliste. In der Grundschule ebenfalls eine gebundene Ganztagsklasse einzuführen, wie dies der Wunsch vieler Eltern sei, sei momentan ohnehin unmöglich, erläutert der Schulleiter. Denn dann bräuchte es auch einen Raum, wo die Kinder sich mittags hinlegen können - so einen gibt es erst recht nicht in Poing. Eine Quereinsteiger-Klasse habe man gerade erst auf Kosten eines Werkraums gebildet, erläuterte Bülck im Ausschuss.

In Grafing haben Quereinsteiger Glück, wenn sie überhaupt einen Platz ergattern können. Wenn die Klassenbildung einmal abgeschlossen sei, gebe es auch mal zwei oder drei Jahre keine Möglichkeit nachzurücken, sagt die Schulleiterin. Etwas Hilfe bringen soll in dieser Situation der Mobile Sonderpädagogische Dienst: Fachleute vom Förderzentrum unterstützen hierbei Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die an einer Regelschule unterrichtet werden. Doch auch hier reiche das Angebot bei weitem nicht aus, so Schneitler, man bräuchte eigentlich das Doppelte des hierfür vorgesehenen Stundenkontingents.

Mehrere Kreisräte im Ausschuss zeigten sich betroffen von den Berichten der beiden Schulleiter. Zwar ist im Masterplan Schulen des Landkreises eine Erweiterung der beiden Förderzentren vorgesehen - Baubeginn wäre demnach in Grafing aber erst im Sommer 2022, in Poing ein Jahr später. Thomas Kroll (SPD) beantragte, die beiden Maßnahmen schon früher in Angriff zu nehmen, Unterstützung erhielt er von seinem Fraktionskollegen Uli Proske: "Das Problem war nicht so bekannt, als der Masterplan Schulen erstellt wurde. Man müsste prüfen, wie man die Förderzentren viel, viel weiter nach vorne zieht." Ob dies möglich ist, soll bis zur nächsten Ausschusssitzung untersucht werden.

© SZ vom 04.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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