Von Bleisatz und Co.:Gutenbergs Erben

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Der Grafinger Sebastian Schlagenhaufer, ein kreatives Allroundtalent, fertigt in der traditionsreichen Druckerei Eck in Wiesham aufwendige Sammlerstücke, aber auch Grußkarten

Von Julian Carlos Betz

Ehrwürdig und massiv stehen sie da, die "Oldtimer" der Druckkunst. Ein paar Maschinen der Marke "Heidelberger", darunter auch der "Tiegel", ein berühmtes Modell aus der Zeit vor dem Offsetdruck. Sebastian Schlagenhaufer, Musiker, Kabarettist und nicht zuletzt künstlerischer Leiter der Stadthalle Grafing, steht entspannt im ehemaligen Stall eines Bauernhofs in Wiesham. Hier ist die 1986 gegründete Druckerei Eck untergebracht und hier kann Schlagenhaufer regelmäßig seine Kreativität ausleben.

"500 Jahre lang gab es dieses Handwerk beinah unverändert", erzählt der Mittdreißiger sichtlich beeindruckt von der langen Tradition des Druckgewerbes. Doch dann sei plötzlich alles ganz schnell gegangen, und die gesamte Herstellung habe sich von Grund auf umgekrempelt. Die vielen Setzlettern in den Kästen, die hier in Wiesham erhalten geblieben sind, haben ihre eigentliche, kommerzielle Bedeutung längst verloren. Das, was er mache, so Schlagenhaufer, sei eigentlich nicht bezahlbar.

Einen Einblick in seine Druckkunst gab Schlagenhaufer zuletzt beim Heimatmarkt in Grafing, dort hatte er eine ganze Palette an großartigen Untersetzern für Gläser anzubieten, alte Stadthäuser vom Grafinger Marktplatz waren darauf abgebildet. In kräftigen Farben von Violett bis Magenta, mit filigran gearbeiteten Details wie einer kleinen Eule, die im Mondschein auf einer Laterne blitzt.

Doch die Anfertigung solcher Besonderheiten koste bis zu hundert Arbeitsstunden an Vorbereitung, Produktion und Korrekturen, sagt ihr Schöpfer. Selbst eine kleine Auflage von circa hundert Stück beanspruche einiges an Zeit und Mühe. Dabei hat der kreative Allrounder noch einiges anderes zu tun, die Stadthalle bespielen etwa und selbst auf der Bühne aktiv sein. "Da hat man nicht unbegrenzt Zeit."

Ohne Veronika Eck, die Inhaberin der Druckerei, könnte er diesem kunstvollen Hobby jedoch ohnehin nicht nachgehen. Seit ihr Mann 1995 verstorben ist, betreibt sie allein mit einem Mitarbeiter die Druckerei in Wiesham. Früher sei auch noch richtig was los gewesen, vor allem mit komplexen Aufträgen wie Speisekarten für das Café Kreitmaier beispielsweise. Da musste man mehrfarbig drucken, falzen, heften und laminieren. Für die Verhältnisse des Jahres 2002 war das viel Aufwand, doch es gab keine technischen Alternativen. "Heute ist das alles digital", sagt Eck etwas wehmütig. Heute bestehen in der Druckerei beide Techniken nebeneinander, klassischer Buchdruck mit Bleisatz - und Offsetdruck. Das eine für Projekte wie die von Schlagenhaufer, das andere für kommerzielle Aufträge. Eine Kombination, die funktioniert und gleichzeitig die Tradition erhält.

Dank "treuer Kunden" habe sie auch immer etwas zu tun, erzählt Eck, die zu Lebzeiten ihres Mannes sogar mehrere Angestellte beschäftigt hatte. Für die Pathologie im Ebersberger Krankenhaus zum Beispiel stellt sie spezielle Vordrucke mit Durchschreibepapier her, auch die örtliche Faschingszeitung kommt aus ihrer Hand. Und von der alten Technik ist Eck nach wie vor überzeugt: "Das ist richtiges, seriöses Handwerk. Da muss alles von Hand eingestellt werden." Mit einem Seitenblick zu Schlagenhaufer, der gerade nach einem alten Bleisatz sucht, fügt sie schmunzelnd hinzu: "Wir sind Gutenbergs Erben."

Gerade weil Eck nie eingesehen hat, etwas von den alten Gerätschaften wegzugeben, ist nun also noch einiges vorhanden. Nicht einmal ein Schrotthändler, der mal bei der Druckerei vorbeikam, konnte der Inhaberin etwas abschwatzen. Schlagenhaufer ist ihr dafür sehr dankbar, denn so kann er für den einen oder anderen Bekannten Grußkarten zu Weihnachten, zum Geburtstag oder zur Hochzeit anfertigen - oder einfach mal etwas Neues für sich selbst ausprobieren. Die Gerätschaften hat er bereits um einige antiquarische Anschaffungen ergänzt, etwa um einen kleinen Handtiegel, mit dem man durch Muskelkraft über einen Hebel auf kleine Papierformate drucken kann. Er befindet sich im Nebenraum, dort, wo Schlagenhaufer schon vor Jahren mit seiner Band gespielt hat. So nämlich ist er mit der Druckerei überhaupt in Verbindung gekommen: Er hatte einen Proberaum gesucht.

Und als er dann die ganzen Maschinen, Regale mit Farben, Lösungen, Setzkästen und allerhand andere Dinge gesehen habe, sei in ihm langsam aber stetig das Bedürfnis gewachsen, sich eingehend mit dem Thema zu beschäftigen, selbst Hand anzulegen und etwas Ordentliches hervorzubringen. Daraufhin habe er sich eingelesen, sogar "Lehrbücher" besorgt, und schnell gemerkt: "Das ist schon etwas Erhaltenswertes." Und dass man dabei "den Kopf frei kriegt", sei ein erfreulicher Nebeneffekt: "Es macht süchtig, es geht unheimlich in die Tiefe", berichtet Schlagenhaufer euphorisch von seinen Erfahrungen.

Mittlerweile hat sich in seinem Bekanntenkreis herumgesprochen, dass er diese kleinen, feinen Karten und Sammlerstücke herstellt. Er bekommt also regelmäßig neue Aufträge, denen er, soweit es die Zeit erlaubt, gerne nachgeht. Unter finanziellem Druck steht er dabei zum Glück nicht, denn Viktoria Eck lässt ihn die Druckerei aus Gefälligkeit mitbenutzen. Seine Ausgaben beschränken sich damit auf die Materialkosten. Und die investierte Zeit natürlich. Aber am Ende gehe es ohnehin nicht um ein "Plus". Sondern um die Freude am Drucken selbst.

© SZ vom 04.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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