Volksbegehren zum Artenschutz:Freiwillige Maßnahmen reichen nicht

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SZ-Leser zeigen sich im Vorfeld des Volksbegehrens "Rettet die Bienen!" besorgt - und fordern noch mehr Initiative

Zum Artikel "Summen und Grummeln" vom 26. Januar:

Die Bevölkerung ist besorgt

Wieso im Vorfeld des Volksbegehrens die große Aufregung der Landwirte? Schließlich hat das nicht mehr weg zu diskutierende Artensterben ein solches Ausmaß erreicht, dass weite Teile der Bevölkerung darüber zu recht besorgt sind. Wo sind die ehemals häufigen Wiesenbrüter wie Feldlerche oder Kiebitz? Die Bayerische Staatsregierung hat bisher vor allem auf freiwillige Schutzmaßnahmen der Landwirte gesetzt. Die haben aber das Artensterben nicht stoppen können.

In Bayern haben wir zum Glück das demokratische und schon oft erprobte Instrument des Volksbegehrens, um der Politik auf die Sprünge zu helfen. Das Volksbegehren "Rettet die Bienen" ist erst einmal eine Absichtserklärung; damit werden Zielvorgaben für eine Verbesserung des Artenschutzes in Form eines Gesetzes formuliert. Falls der Vorschlag genügend Unterstützung findet (mindestens zehn Prozent der in Bayern Wahlberechtigten müssen zustimmen), muss sich der Landtag damit beschäftigen. Das allein ist schon ein wichtiger Erfolg! Änderungen des Textes sind durchaus zu erwarten. Bei Ablehnung des Volksbegehrens kann die Staatsregierung einen eigenen Entwurf vorlegen. Beim Volksentscheid stehen dann also zwei Gesetzentwürfe zur Wahl.

Besonders erstaunt mich die ablehnende Haltung von Franz Lenz, Biobauer und Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes. Andere Biolandwirte sind da ganz anderer Meinung: Der weit über Freising hinaus bekannte Biobauer Josef Braun oder der Vorsitzende Josef Schmid von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL) unterstützen das Volksbegehren. Völlig unverständlich ist der Hinweis auf den Eingriff in die Eigentumsrechte, wenn es um einen fünf Meter breiten Schutzstreifen neben Gewässern geht.

In Bayern gab es diese Regelung schon einmal. Ja, ist denn der Gewässerschutz nicht ein wichtiges und richtiges Anliegen, zum Beispiel für den Schutz der Fische und Amphibien? In vielen Bundesländern gibt es diese Maßnahme, die Gewässer vor Gülle und Pestizide schützen soll. Die Landwirte bekommen dafür eine Ausgleichszahlung.

Einzelheiten in der Bewirtschaftung der Flächen mögen manchmal unbequem sein. Das sollte aber kein Grund sein, das Volksbegehren für den Artenschutz in Gänze abzulehnen. Immerhin fordert das Bayerische Landesamt für Umwelt bereits jetzt zahlreiche Maßnahmen für den Schutz der Wiesenbrüter, so auch das Verbot des Walzens der Wiesen nach dem 15. März. Klaus Schöffel, Sprecher des Arbeitskreis Gentechnik beim Bund Naturschutz, Kirchseeon

Die Zeit drängt

Jetzt stellt sich also der Bayerische Bauernverband gegen das Volksbegehren zu Rettung der Artenvielfalt. Das ist schade, aber wen überrascht es? Bisher basiert der Artenschutz in Bayern weitestgehend auf Freiwilligkeit mit dem verheerenden Ergebnis, dass in den letzten drei Jahrzehnten rund 75 Prozent der Fluginsekten verschwunden sind. Mit den Insekten verlieren wir die nötigen Bestäuber für die Pflanzen, unsere Vögel verlieren die Nahrung. Freiwilliger Artenschutz ist toll.

Ich bin begeistert von unserem Landrat Herrn Niedergesäß, der mit dem Landkreis Ebersberg als erstem Landkreis überhaupt dem Aktionsbündnis "Deutschland summt" beigetreten ist. Seitdem heißt es "Der Landkreis Ebersberg summt". Ich zolle allen Landwirten, Waldbesitzern, Gärtnern und auch Gartenbesitzern Respekt, die ihre Flächen nachhaltig bewirtschaften und freiwillig der Natur ein Stückchen lassen. Ich freue mich, wenn ich in Ebersberg am Straßenrand einen bunten Blühstreifen mit vielen summenden Insekten sehe und in mir keimt Hoffnung in Anbetracht der Aktion "Blühende Rahmen", bei der Landwirte freiwillig Blühstreifen um ihre Felder anlegen.

Das alles sind tolle Aktionen, aber wie wir alle sehen, reichen sie nicht aus, um dem Artenschwund Einhalt zu gebieten. Die Zeit drängt und wir haben jetzt die Chance ein wirkungsvolleres Naturschutzgesetz auf den Weg zu bringen.

Daher mein Aufruf an die Naturschützer: Geht in die Rathäuser, unterschreibt für das Volksbegehren und hört auf den Präsidenten des Bayerischen Bauernverbands, indem ihr mehr "Bio aus Bayern" in den Einkaufswagen legt. Mein Aufruf an die Biobauern hingegen lautet: Hört nicht auf den Bauernverband, solidarisiert Euch mit Euren Kunden, den Naturschützern und unterstützt das Volksbegehren zur Rettung der Artenvielfalt! Regina Wegemann, Diplom-Agraringenieurin (TU), Ebersberg

Dringend notwendige Vorgaben

Danke für den Artikel, der beide Seiten zum Volksbegehren zu Wort kommen lässt. Die Kritik des Bayerischen Bauernverbands ist jedoch schwer nachzuvollziehen. "...das geht einfach nicht" (Zitat des Obmanns) war noch nie ein kreatives Argument. Ist es unmöglich, die Felder in Bahnen hin und her zu mähen, anstatt in enger werdenden Umlaufbahnen? Ist es unmöglich, fünf Meter Abstand zu natürlichen Gewässern zu halten? Ist es unmöglich, Dauergrünland zu erhalten anstatt es für Biogasanlagen mit Mais zu bebauen? Wie sollen wir SZ-Leser das zusammenbringen mit dem drei Tage später erschienenen Artikel, dass Feldlerchen und Kiebitze unter den Hauptopfern des dramatischen Vogelbestandsrückgangs seit 1980 sind?

Beim Volksbegehren geht es nicht um einseitige Schuldzuweisungen an "die Bauern", sondern um eine effektive Durchführung und faire Förderung von Naturschutz auf und in der Nähe von landwirtschaftlich genutzten Flächen. Zusammen mit der Forstwirtschaft (die laut Volksbegehren ebenfalls grundlegende Veränderungen auf den Weg bringen müsste) sprechen wir von etwa sechs Siebteln oder 85 Prozent der Landesfläche Bayerns. Ergänzungsbedarf bei dem Vorschlag des Volksbegehrens sehe ich nur noch bezüglich des Landschaftsverbrauchs durch die wachsende Verkehrsfläche.

Wenn ich mir das Bayerische Naturschutzgesetz allerdings durchlese, kann ich insgesamt nur zu dem Schluss kommen, dass die vorgeschlagenen Ergänzungen dringend notwendig sind, um die Talfahrt der heimischen Tier- und Pflanzenwelt etwas abzubremsen und die bayerische Natur als Lebensgrundlage und zur Erholung für uns und kommende Generationen zu erhalten. Dr. Günther Woehlke, Zorneding

Der Skandal ist ein anderer

Die Initiative "Rettet die Bienen" ist an sich sicher zu begrüßen, man darf dabei aber nicht die ideologischen Hintergründe ausblenden, zunächst etwa die Interessen der Agrarindustrie inklusive der global installierten Handelsstrukturen, letztlich aber auch die Kapitalverwertungsideologie. Vor diesem Hintergrund sind wir alle verantwortlich, insbesondere in Bezug auf unseren Wohlstandsanspruch und unser Konsumverhalten. Uns wird früh schon ein Wohlstandsbegriff eingeimpft, der im Grunde nur der Kapitalverwertung dient, also vor allem (Groß-) Anleger und (Groß-) Investoren immer reicher macht. "Kauf, Du Sau!", sagt Helmut Schleich wunderbar treffend. Die Menschen sollen sich statt über das Denken, was eigentlich ihrer Natur entspräche, über Geld und seine Derivate Besitz, Konsum und Macht definieren. Deshalb müssen wir produzieren auf immer größeren Gewerbeflächen und konsumieren bis zur Verblödung und bis zum Untergang, deshalb gibt es Kostendruck und Lohndumping überall, deshalb gibt es den ständigen Druck zur Mehrleistung, deshalb wird jedem und allem, der und das sich dieser Logik nicht fügt, zum Beispiel auch den Bienen, der Lebensraum immer weiter abgekürzt. Das ist der Skandal! Friedhelm Buchenhorst, Grafing

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© SZ vom 01.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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