Viele Vorstrafen:Feiern, prügeln, sitzen

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Wegen Schlägen mit einer Flasche verhängt das Amtsgericht eine Haftstrafe von eineinhalb Jahren ohne Bewährung

Von Christoph Jänsch, Ebersberg

"Wollen Sie im Gefängnis bleiben oder lieber wieder frei sein?" Eigentlich eine denkbar einfach zu beantwortende Frage. Doch in diesem chaotischen Fall, der nun vor dem Amtsgericht Ebersberg verhandelt wurde, war gar nichts einfach. Angeklagt war ein Mann, der wahlweise aus Sierra Leone oder der Elfenbeinküste stammt, möglicherweise 30 oder auch 34 Jahre alt ist und in eine heftige Schlägerei in einer Flüchtlingsunterkunft in Grafing verwickelt gewesen sein soll.

Diese ereignete sich im August 2015, beteiligt waren laut Anklage etwa 20 junge Männer, mittendrin der Angeklagte. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, dabei mindestens eine Person mit einer Flasche schwer am Kopf verletzt zu haben. Begonnen hatte der Abend in der Unterkunft eigentlich fröhlich, mit zwei Feiern unterschiedlicher Gruppen der Bewohner. Irgendwann - den Grund konnte auch die Verhandlung nicht aufklären - eskalierte ein Streit zwischen den teilweise erheblich alkoholisierten Feiernden derart, dass sogar Steine und Flaschen als Waffen eingesetzt wurden.

Bereits im Dezember waren zwei Verhandlungen angesetzt. Bei der ersten fehlten die Zeugen, zur zweiten kam der Angeklagte nicht. Daraufhin wurde er in Untersuchungshaft genommen.

Dass der Angeklagte ein Interesse daran hat, bald wieder aus dem Gefängnis zu kommen, schien sein Rechtsanwalt Florian Alte zwischenzeitlich zu bezweifeln: "Ich tue für Sie, was ich kann. Aber sagen Sie endlich die Wahrheit", ermahnte Alte seinen Mandanten in der Verhandlungsunterbrechung. Diese hatte er beantragt, nachdem der Angeklagte zuvor in einer Stellungnahme mit mutmaßlich unwahren Angaben alle Schuld von sich gewiesen und sich damit in eine denkbar schlechte Ausgangslage manövriert hatte. Im anschließenden Rechtsgespräch unter Ausschluss der Öffentlichkeit hatte Alte versucht, der Gegenseite ein milderes Urteil abzuringen, für den Fall, dass sein Mandant gesteht. Doch die Staatsanwaltschaft lehnte dies ab.

Somit ging die Verhandlung mit der Anhörung von sechs geladenen Zeugen weiter. Mehr Licht ins Dunkel sollte das jedoch letztlich nicht bringen. Die Verhandlung blieb unübersichtlich und chaotisch, weil vier der sechs Zeugen nicht zur Aufklärung des Falls beitragen konnten oder wollten. Aufgrund der unklaren Beweislage wurden drei der vier Anklagepunkte, die dem Angeklagten zur Last gelegt wurden, später fallengelassen. Es blieb ein Fall der gefährlichen Körperverletzung, der sich nach Auffassung des Gerichts nachvollziehbar aufklären ließ.

Trotz der unterschiedlichen Identitäten und Geburtsdaten, unter denen der Angeklagte in Deutschland geführt wird, scheint es eine einheitliche Akte zur Person zu geben. Und die war bereits vor Prozessbeginn gut gefüllt: Wegen Hausfriedensbruchs, Einschleusens von Ausländern, sowie dem unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln wurde er bereits zu Geldstrafen verurteilt. Spätestens nach den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung wurde jedoch klar, dass eine solche diesmal nicht in Frage kommt.

Was der Angeklagte auf die Eingangsfrage seines gegen Ende zunehmend verstimmten Verteidigers letztlich entgegnete, lässt sich nur erahnen. Am Ende muss er jedenfalls für ein Jahr und sechs Monate hinter Gitter. Aufgrund seiner schlechten Sozialprognose ohne festen Wohnsitz, ohne Job und der jahrelangen Verschleierung seiner Identität, wurde die Strafe nicht, wie von Rechtsanwalt Alte gefordert, zur Bewährung ausgesetzt. Der Richter nahm im Urteil hingegen fast eins zu eins die Strafmaßforderung der Staatsanwaltschaft auf.

© SZ vom 13.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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