Vernissage an diesem Freitag:Ewige Transformation

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Mit teils extrem großformatigen Leinwänden empfängt die Ausstellung Stefan Lenharts beim Ebersberger Kunstverein die Besucher. Er schafft ästhetisch ansprechende, aber schwer zu dechiffrierende Werke. (Foto: Christian Endt)

Der Münchner Künstler Stefan Lenhart lotet in der Alten Brennerei des Ebersberger Kunstvereins auf erstaunliche Weise die Möglichkeiten der Postmoderne aus

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Was wir schon wussten: Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose ist eine Rose. Neu ist: Schwarz ist Schwarz ist Schwarz ist Schwarz. Und zwar in 24 verschiedenen Tönen. So ergiebig gestaltet sich die Erkundungstour des Münchner Künstlers Stefan Lenhart durch die Tiefen und Unschärfen der dunklen Farbe, dass sich bei genauerem Betrachten des Werks immer neue Schattierungen auftun. Schwarz ist eben nicht gleich Schwarz. Der Tanz durch die oft verbrämte Nicht-Farbe ist Teil von 21 Bildtafeln, in denen Lenhart sich mit den verschiedenen Epochen der Kunstgeschichte auseinandersetzt. Diese Täfelchen bilden den Anfang eines - seiner in dunklen Farben gehaltenen Werke zum Trotz - irisierenden Rundgangs, der nun unter dem Namen "Ghost Evacuation" in der Alten Brennerei des Kunstvereins Ebersberg zu sehen ist. Dabei läuft die Anordnung der Werke in den drei Haupträumen parallel zur künstlerischen Biografie Lenharts, Jahrgang 1969: Sie beginnt mit der Studie über die Epochen 2007, die er kurz nach seinem Studium an der Akademie der Bildenden Künste anfertigte, und findet ihren Schlusspunkt bei den aktuellen Werken aus seinem Atelier.

Wenn es eine Überschrift für Stefan Lenharts künstlerische Herangehensweise gibt, dann auf jeden Fall in Frageform: Was kann Malerei heute noch? Was gibt's zu tun in der Postmoderne? Die Antwort findet sich teils in einer Synthese der vergangenen Epochen, teils in der Transformation von Form und Raum. Dabei überlässt der Konzeptkünstler Lenhart nur Weniges dem Zufall, seine Werke sind akribisch durchdacht und sorgfältig mit theoretischem Fundament unterfüttert.

Aus der Abstraktion kommend, ist Vieles zwar unmittelbar ästhetisch ansprechend, jedoch auf den ersten Blick schwer zu dechiffrieren. Bei der Erstellung der gezeigten Inlays etwa - kunstvoll verknüpfte Holzeinlagen - geht Lenhart der Frage nach: Wo fängt Malerei an? Seine Antwort ist knapp: dort, wo zwei Farbflächen aufeinander treffen. Die Transformation ins Gegenständliche nimmt er durch das Verweben kleinteiliger Hölzer aus fünf verschiedenen Kontinenten vor. Das Zusammenspiel von Eiche neben Zambrano neben Mahagoni neben Nussbaum ergibt jeweils filigrane Kompositionen, in denen Farbe und Form sich symbiotisch ergänzen. Eine Entrücktheit, weil Innerlichkeit habe er damit einfangen wollen, so Lenhart.

Einen Höhepunkt der Ausstellung markieren die großformatigen Leinwände, die teilweise in dem von Lenhart gegründeten Projektraum "Tanzschuleprojects" ausgestellt waren. Beeindruckend erheben sich beispielsweise in "Satus und Christan" - einem Wortspiel aus "Satan" und "Christus" - die Konturen eines Kirchengebäudes vor schwarz-changierendem Hintergrund. Das sakrale Gemäuer gibt ohne Scham den Blick auf seinen Innenleben frei, auch hier treffen in den Farben Schwarz und Weiß Gegensätze aufeinander. "Das eine gibt es ohne das andere nicht", sagt Lenhart. Eine weitere Leinwand von der Größe sechs Mal drei Meter hat indes eine bewegte Vergangenheit hinter sich: Sie hing lange Zeit als Deckenstück in einem illegalen Club in Berlin-Neukölln.

Die letzte Etappe der Ausstellung entführt in die derzeitige Schaffenswelt des Münchners, der alle seine Motive hermetisch in seinem Atelier selbst erzeugt. Hier befasst er sich mit der Aufgabe, das Stillleben ins Jetzt zu befördern. Dabei spielt Lenhart mit Licht und Schattierungen, Formen und Bildausschnitten, dem kurzen Moment der Schönheit und dem Vergehen. Auffallend ist zum Beispiel das Werk "Stummer Staubfänger", das seiner roten Blütenpracht wegen gefühlt den halben Raum einnimmt. Doch auch wenn ein paar bunte Ausrutscher diesen letzten Raum zum farbenfrohsten der ganzen Ausstellung machen, bezeugen ausnehmend alle Werke Lenharts Affinität zum Dunklen.

Die Ausstellung von Stefan Lenharts Werken ist das, was der Besucher daraus macht; doch egal, ob intellektuelles Stelldichein oder unbeschwerter Kunstgenuss - in jedem Fall ist "Ghost Evacuation" erstaunlich, unerwartet und sehr abwechslungsreich.

Die Vernissage von "Ghost Evacuation", der Ausstellung von Stefan Lenhart in der Alten Brennerei im Klosterbauhof Ebersberg ist am Freitag, 27. April, um 19 Uhr. Die Finissage mit Künstlergespräch findet am Sonntag, 20. Mai, um 16 Uhr statt.

© SZ vom 27.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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