Vernissage am Samstag:Die sind wie wir

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Die Sonderausstellung "Mensch - Baum" im Museum Wald und Umwelt eröffnet den Dialog zwischen lebenden Wesen. Sie zeigt Holzskulpturen von Bernhard Schmid und gibt allerhand erhellende Informationen

Von Ulrich Pfaffenberger

Bernhard Schmid macht aus Bäumen Skulpturen. So einfach ließe sich das sagen. So einfach sehen das auch viele, die das Ergebnis seiner Arbeit betrachten. So kommt es dann, berichtet der Günzburger Künstler, immer wieder zu Missverständnissen. Dass ihn Menschen auf Bäume hinweisen, die ihnen aufgefallen sind, und ihm empfehlen, daraus etwas zu machen. "Oder sie sagen gleich: Ich habe da einen alten Baum, der muss weg. Den können Sie haben..." Derlei erzürnt Schmid gleich doppelt, denn er soll als Entsorger herhalten für ein Lebewesen, das nicht mehr geschätzt wird. "Nicht mit mir."

Wer sich etwas ausführlicher mit ihm unterhält, dem erzählt er offen und freimütig, dass nicht er die Bäume findet, sondern die Bäume ihn. "Ich gehe übers Land und durch den Wald - und dann spüre ich: Da ist etwas." Es sei eben nicht das spektakuläre Äußere, sondern die Kommunikation, die ihm mit einem Baum gelinge, aus der dann im Lauf der Zeit seine Kunst entsteht, bei der er zur Seele und zur Botschaft des Baumes vordringe und sie freilege. Nicht er mache den Baum zur Skulptur, er lege vielmehr frei, was dieser Baum im Lauf seines Lebens wahrgenommen, erlebt und verinnerlicht habe, Jahresring für Jahresring. "Es sind energiereiche Bäume, die sehr viel Aufmerksamkeit erhalten haben", sagt Schmid. "Wir haben sie alle vor der Nase, und man kann sich genauso auf sie einlassen wie auf Menschen, die etwas zu erzählen haben." Zumal ihre Haltung dauerhafter sei als die unsere.

Ein interdisziplinäres Projekt zwischen Kunst und Umweltbildung ist die Ausstellung "Mensch - Baum" im Ebersberger Waldmuseum, gestaltet von Holzbildhauer Bernhard Schmid und Museumschefin Ines Linke. (Foto: Christian Endt)

Was sich daraus ergibt, ist ab Samstag, 14. September, in einer Sonderausstellung im Museum "Wald und Umwelt" auf der Ludwigshöhe in Ebersberg zu sehen. Sie trägt den Titel "Mensch - Baum", was man durchaus auch, mit einer anderen Interpunktion versehen, als Ausruf verstehen darf: "Mensch, Baum!" Vielleicht findet sich dabei der eine oder andere in der Position der Skulptur "Wahrheitssuchend", eine Art Januskopf, dessen Gesichter in die gleiche Richtung schauen, um ein Spannungsfeld gewölbt, das hohl erscheint, aber voller Fragen steckt.

Weil die Ausstellung nur einen Raum in Anspruch nimmt, wird die Dichte der Ideen und Impulse sehr intensiv spürbar, die Exponate und begleitende Informationen ausstrahlen. Welchen Weg man auch durch den Gedanken-Wald einschlägt, es sind die wechselnden Perspektiven, die einen immer wieder zurückblicken und noch einmal über eine Skulptur nachdenken lassen. Beim "Schäfer", aus der hohlen Hülle eines alten Stamms geschält, ist der Auftrag "Hüte meine Flächen!" so nachdrücklich, dass man seine vermeintlichen Blicke noch am anderen Ende der Ausstellung im Rücken zu spüren glaubt.

Die Skulptur war einst ein Apfelbaum. (Foto: Christian Endt)

Ein weiterer Blickfang ist die Figur "En Garde", die - wie es das Kommando vor Beginn eines Fechtkampfs signalisiert - breit ist für Bewegung, mit wachen Augen das "Wo geht's hin" erkundet und den Betrachter selbst einlädt, sich aus der (gedanklichen) Erstarrung zu lösen. Es muss ja kein Kampf sein, es könnte auch eine munteres Spiel der Berührungen werden, wenn man in der Figur keinen Sportler sieht, sondern einen Tangotänzer.

Die begleitenden Infotafeln treten hinter die Skulpturen in eher nüchterner Sachlichkeit zwar optisch zurück, lohnen aber auf jeden Fall den zweiten Blick. Enthalten sie doch nicht nur erläuternde Texte, sondern vermitteln durch ihre grafische Gestaltung - das Atelier Hackel in München versteht sein Handwerk - unverkrampft und unübersehbar wertvolles Wissen. Etwa die Verteilung zwischen vorhandenem CO2-Speicher Wald und tatsächlicher CO2-Erzeugung. Oder zeigt, wie die vermeintlich sanften Linien zunehmender Durchschnittstemperaturen das Feuer unters Dach der Erde tragen. "Wir wollen unseren Besuchern den Wert von Wald und Bäumen nahebringen", sagt Museumsleiterin Ines Linke. "Darum verzichten wir auf den erhobenen Zeigefinger, sondern geben die Gelegenheit zum Verstehen und Erkennen - und nutzen die emotionale Kraft, die in Bäumen und ihren Skulpturen steckt."

Eines der Exponate ist ein Didgeridoo, gefertigt von Schmids Sohn Diego aus einer seltenen Süntelbuche. Es steht aus mehrerlei Gründen exemplarisch für den tieferen Sinn der Ausstellung, für die Kommunikation zwischen Lebewesen, seien es nun Menschen oder Bäume. Ähnlich wie die Flöten sind die Instrumente der Maori in Australien nicht zum Entertainment gedacht, sondern zur Unterhaltung, zum Austausch von Informationen. Wenn Musikarchäologen in prähistorischen Gräbern eine Flöte finden, dann haben sie den Hinweis: "Das ist einer von uns", also von der kommunikationsbedürftigen menschlichen Entwicklungsstufe, auf der sich auch die Onliner des 21. Jahrhunderts noch befinden. Die Schau "Mensch - Baum" eröffnet die Chance, diesem Dialog eine neue Grundlage zu geben und einige neue alte Gedanken beizusteuern.

Sonderausstellung "Mensch - Baum" mit Holzkunstwerken von Bernhard Schmid im Museum Wald und Umwelt Ebersberg, Vernissage am Samstag, 14. September, um 11 Uhr. Um Anmeldung unter (08092) 82 55 52 oder per Mail an mwu@ebersberg.de wird gebeten. Voraussichtlich zu sehen bis Mitte Januar 2020.

© SZ vom 11.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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